Online-Nachricht - Mittwoch, 17.04.2013

Kreditsicherungsrecht | Krasse finanzielle Überforderung bei Höchstbetragsbürgschaften (BGH)

Bei Höchstbetragsbürgschaften, bei denen sich die Haftung für Nebenforderungen nach der Bürgschaftssumme und nicht nach der höheren Hauptschuld richtet, ist Maßstab der krassen finanziellen Überforderung des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen die Zinslast aus der Bürgschaftssumme und nicht aus der höheren Hauptschuld ().

NWB IAAAE-32570 ).
Hintergrund: Bürgschaftsverträge zwischen Kreditinstituten und dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Personen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 BGB), wenn sie diese finanziell krass überfordern und der Kreditgeber die emotionale Verbundenheit des Bürgen mit dem Kreditnehmer ausgenutzt hat.
Sachverhalt: Die klagende Sparkasse gewährte der damaligen Lebensgefährtin des Beklagten zwei Immobiliendarlehen über 360.000 DM, für die der Beklagte (Nettoeinkommen: 2.500 DM) eine Höchstbetragsbürgschaft über 93.000 DM übernahm. Nach Kreditkündigung nahm sie den Beklagten als Bürgen in Anspruch. Das LG hat die Klage wegen Sittenwidrigkeit der Bürgschaft abgewiesen, wobei es das pfändbare Einkommen des Beklagten zu der laufenden Zinsverpflichtung aus den Darlehen (und nicht aus der Bürgschaftssumme) ins Verhältnis gesetzt hat. Das Berufungsgericht hat den Beklagten dagegen zur Zahlung des Höchstbetrags nebst Zinsen verurteilt. Dagegen richtet sich seine Revision.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

  • Eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen liegt vor, wenn eine auf den Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung bezogene Prognose ergibt, dass er nicht in der Lage sein wird, die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung mithilfe des pfändbaren Teils seines Einkommens und Vermögens aufzubringen. In diesem Fall wird widerleglich vermutet, dass der dem Hauptschuldner persönlich nahe stehende Bürge die Sicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies ausgenutzt hat.

  • Dieser Grundsätze gelten allerdings bei Höchstbetragsbürgschaften mit der Einschränkung, dass sich die finanzielle Überforderung aus dem Verhältnis des pfändbaren Teils des Einkommens zur Zinslast nur aus der Bürgschaftssumme und nicht aus der gesamten Hauptschuld ergibt. Eine andere Auslegung ist mit dem Sinn der Höchstbetragsbürgschaft, die das Risiko des Bürgen in überschaubaren Grenzen halten soll, nicht zu vereinbaren.

  • Der Bürge hat die berechtigte Erwartung, dass sich nicht nur seine Haftung für die Hauptforderung, sondern auch für die Zinsen nach der Bürgschaftssumme und nicht nach der Hauptschuld richtet. Danach traf den Beklagten hier eine monatliche Zinslast von 387,50 DM, die er ohne weiteres aufbringen konnte.

Anmerkung: Damit griff hier die Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht ein, sodass der Beklagte für die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft beweispflichtig war. Mit dessen Beweisangeboten hatte sich die Vorinstanz jedoch nicht befasst - die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
 

Fundstelle(n):
NWB CAAAF-45727