Online-Nachricht - Donnerstag, 04.10.2012

Reiserecht | Ausgleichsleistungen von Fluggesellschaften (EuGH)

Ein Luftfahrtunternehmen muss Fluggästen Ausgleichsleistungen erbringen, wenn sie nicht befördert worden sind, weil ihr Flug infolge eines Streiks umorganisiert wurde, der zwei Tage zuvor auf dem Flughafen stattgefunden hatte (, Finnair).


Hintergrund: Die Verordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) gewährt Fluggästen, deren Abgangs- oder Bestimmungsflughafen in einem Mitgliedstaat liegt, bestimmte Rechte. Eine "Nichtbeförderung" liegt nach der Verordnung vor, wenn ein Luftfahrtunternehmen Fluggästen die Beförderung verweigert, obwohl sie sich rechtzeitig mit einer bestätigten Buchung am Flugsteig eingefunden haben. Die Verordnung sieht allerdings Fälle vor, in denen das Luftfahrtunternehmen zur Verweigerung der Beförderung berechtigt ist. Mit Ausnahme dieser Fälle haben Fluggäste Anspruch auf eine unverzügliche Ausgleichsleistung, auf Erstattung des Flugpreises oder anderweitige Beförderung zum Endziel sowie auf Betreuungsleistungen, während sie auf den nächsten Flug warten.
Sachverhalt: Infolge eines Streiks am Flughafen Barcelona am musste der an diesem Tag vorgesehene Linienflug der Gesellschaft Finnair von Barcelona nach Helsinki annulliert werden. Damit die Fluggäste dieses Flugs nicht zu lange warten mussten, beschloss Finnair, die nachfolgenden Flüge umzuorganisieren. Aufgrund der Umorganisation erreichte der Kläger, der seinen den Flug am gebucht und sich ordnungsgemäß am Flugsteig eingefunden hatte, Helsinki erst mit einem außerplanmäßigen Flug. Er erhielt von Finnair keine Ausgleichsleistung. Er vertrat die Ansicht, dass Finnair ihm die Beförderung ohne triftigen Grund verweigert habe und verklagte Finnair auf Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 400 €, die in der Verordnung bei innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 Kilometern vorgesehen ist. Das in letzter Instanz zuständige finnische Gericht rief den EuGH u.a. zur Klärung der Frage an, wie der Begriff der "Nichtbeförderung" auszulegen ist.
Hierzu stellte der EuGH Folgendes fest:

  • Der Begriff der "Nichtbeförderung" bezieht sich nicht nur auf Fälle der Nichtbeförderung wegen Überbuchung, sondern auch auf Fälle der Nichtbeförderung aus anderen - z. B. betrieblichen - Gründen.

  • Das Eintreten außergewöhnlicher Umstände (z.B. eines Streiks), die ein Luftfahrtunternehmen veranlassen, spätere Flüge umzuorganisieren, rechtfertigt weder eine Nichtbeförderung noch wird hierdurch das Unternehmen von seiner Verpflichtung befreit, Fluggästen, denen die Beförderung auf einem der späteren Flüge verweigert wurde, Ausgleichsleistungen zu erbringen.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v.

Hinweis: Die vollständige Pressemitteilung sowie den Volltext des Urteils können Sie auf der Homepage des EuGH einsehen.
Anmerkung: Ein weiteres Urteil des EuGH vom heutigen Tag beschäftigte sich ebenfalls mit der Auslegung des Begriffs der Nichtbeförderung. Auch hier stellte das Gericht fest, dass sich der Begriff der Nichtbeförderung nicht nur auf Fälle der Überbuchung, sondern auch auf Fälle der Nichtbeförderung aus anderen Gründen bezieht. In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte die Fluggesellschaft Iberia die Bordkarten zweier Passagiere annulliert und anderen Fluggästen zugewiesen, da die Gesellschaft davon ausgegangen war,  dass die beiden ursprünglichen Fluggäste ihren Anschlussflug wegen Verspätung des vorausgegangenen Fluges versäumen würden (Urteil v.  - Rs C-321/11, Varela-Villamor, s. hierzu auch die Pressemitteilung des EuGH v. 4.10.2012).
 

Fundstelle(n):
NWB EAAAF-44750