Online-Nachricht - Mittwoch, 11.07.2012

Berufsrecht | Haftung aller Sozien in der interprofessionellen Sozietät (BGH)

Wird ein Anwaltsvertrag mit einer Sozietät geschlossen, der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater angehören, so haften für einen Regressanspruch wegen Verletzung anwaltlicher Beratungspflichten auch diejenigen Sozien persönlich, die selbst nicht Rechtsanwälte sind ().


Hintergrund: Im Falle eines mit einer Sozietät geschlossenen Beratungsvertrags haften die Sozien für den gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch wegen Schlechterfüllung in entsprechender Anwendung des § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich. Die persönliche Haftung erstreckt sich dabei auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten. Ob diese Haftung im Falle einer Sozietät, der Mitglieder unterschiedlicher Berufsgruppen angehören (gemischte Sozietät, vgl. § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO) auch diejenigen Sozien trifft, die in eigener Person die vertraglich geschuldete Beratung nicht vornehmen dürfen, hatte der BGH bislang offen gelassen (s. NWB NAAAD-59719, Rn. 10).
 Sachverhalt: Im  entschiedenen Fall setzte sich die beklagte GbR aus sechs Anwälten sowie einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zusammen. Ihre anwaltliche Beratung in einem Anlegerschutzverfahren blieb ohne Erfolg; als Beratungsfehler wertete das Gericht dabei bereits die fehlende Prüfung der Erfolgsaussichten der (ersten) Klage und das Unterlassen der Aufklärung der Mandantin über deren Risiken.
Hierzu führte das Gericht weiter aus: Nachdem die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) anerkannt und die Doppelverpflichtungslehre aufgegeben worden ist, kann die Sozietät selbst Partei eines Anwaltsvertrags sein und zwar auch dann, wenn dieser neben Rechtsanwälten auch Sozien anderer Berufsgruppen angehören. Damit ist auch die auf der früheren Doppelverpflichtungslehre beruhende Beschränkung der Haftung auf diejenigen Sozien, die in eigener Person berufsrechtlich zur Bearbeitung des Mandats befugt sind, überholt. Das Vertrauen der nichtanwaltlichen Sozien, für die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags nicht zu haften, wird dadurch geschützt, dass die auf der Doppelverpflichtungslehre beruhenden Grundsätze auf solche Anwaltsverträge weiterhin anwendbar sind, die vor dem Erlass der Grundsatzentscheidung zur Rechtspersönlichkeit der GbR (s. NWB UAAAB-98014) geschlossen worden sind.
Anmerkung: Der BGH hat damit erstmals über die Haftung der Sozien einer gemischten Sozietät entschieden. Der Senat lehnt die analoge Anwendung des § 8 Abs. 2 PartGG auf die GbR ebenso ab, wie die Idee, es bestehe intern generell eine konkludente Vereinbarung, die Haftung berufsfremder Sozien solle ausgeschlossen sein. Eine solche Vereinbarung ist jedoch zulässig und sollte in gemischten Sozietäten Gegenstand eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags sein. Zudem ist die Beschränkung der Haftung auf diejenigen Mitglieder einer Sozietät, die das Mandat selbst bearbeiten, durch vorformulierte Vertragsbedingungen – unter den im Gesetz bezeichneten Voraussetzungen (§ 51a Abs. 2 Satz 2 und 3 BRAO, § 67a Abs. 2 StBerG, § 54b Abs. 2 WPO) – weiterhin zulässig (Einzelmandatierung).
Quelle: NWB Datenbank
 

 

Fundstelle(n):
NWB HAAAF-44308