Online-Nachricht - Donnerstag, 08.03.2012

Sozialrecht | Bay. Landeserziehungsgeld für Nicht-EU-Bürger (BVerfG)

Der Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern von der Gewährung des Landeserziehungsgeldes nach dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz ist verfassungswidrig ().

Hintergrund: Bayern hat in 1989 das Landeserziehungsgeld eingeführt, das im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld gewährt wird. Hiermit soll Eltern ermöglicht werden, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Bezugsberechtigt war gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.

Sachverhalt: Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Jahr 2000 und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in Bayern und hat seit 1988 wiederholt gearbeitet. Ihr Antrag wurde aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit abgelehnt. Ihre Klage führte zunächst zur Vorlage vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, der die Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG für vereinbar mit der bayerischen Verfassung erklärte. Das Sozialgericht hat die Vorschrift sodann dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt.

Hierzu führten die Richter des BVerfG weiter aus: Die Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 wie auch die inhaltlich gleichen Nachfolgeregelungen sind nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Denn sie schließen Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ohne sachlichen Grund generell vom Anspruch auf Erziehungsgeld aus. Es fehlt an einem legitimen Gesetzeszweck, der die Benachteiligung der nicht erfassten ausländischen Staatsangehörigen rechtfertigen könnte. Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern. Dieser Gesetzeszweck deckt nicht den in der Norm geregelten Leistungsausschluss, da er bei ausländischen Staatsangehörigen und ihren Kindern gleichermaßen wie bei Deutschen zum Tragen kommt. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie ist nicht auf Deutsche beschränkt. Die Ungleichbehandlung kann auch nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden, da das Kriterium der Staatsangehörigkeit weder auf diesen Zweck gerichtet noch geeignet ist, verlässlich Aufschluss über die Dauer des künftigen Aufenthalts einer Person zu geben. Da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet, kann sie nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von sogenannten Landeskindern gerechtfertigt werden.

Anmerkung: Einen Verstoß gegen die aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staates zugunsten der Familie konnten die Richter nicht feststellen. Denn das allgemeine verfassungsrechtliche Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, begründet keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen und somit auch keine  verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern.

Hinweis: Das Gericht hat dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt, nach der dieser die verfassungswidrigen Regelungen bis zum durch eine Neuregelung zu ersetzen hat. Ansonsten tritt die Nichtigkeit der Vorschriften ein. Der Beschluss ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.

Quelle: BVerfG online


 

Fundstelle(n):
NWB QAAAF-43628