Online-Nachricht - Montag, 27.02.2012

Datenschutzrecht | Staatlicher Zugriff auf Telefon- und Internetdaten (BVerfG)

Das BVerfG hat entschieden, dass die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten teilweise verfassungswidrig sind. Die Entscheidung betraf u.a. die Herausgabe von PIN-Codes an Behörden und die Rückverfolgung von dynamischen IP-Adressen. Die betroffenen Regelungen dürfen allerdings noch bis Juni 2013 weiter verwendet werden ().


Hintergrund: § 111 TKG verpflichtet geschäftsmäßige Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die von ihnen vergebenen beziehungsweise bereitgestellten Telekommunikationsnummern (Rufnummern, Anschlusskennungen, Mobilfunkendgerätenummern und Kennungen von elektronischen Postfächern) sowie die zugehörigen persönlichen Daten der Anschlussinhaber wie Namen, Anschriften und Geburtsdaten zu erheben und zu speichern. Die §§ 112, 113 TKG schaffen die Grundlage für zwei verschiedene Verfahren zur Erteilung von Auskünften aus den nach § 111 TKG gespeicherten Daten. In Auslegung des § 113 TKG entspricht es verbreiteter, aber umstrittener Praxis, dass auch Auskünfte über den Inhaber einer sogenannten dynamischen Internetprotokolladresse (dynamische IP-Adresse) erteilt werden. Hierbei handelt es sich um die Telekommunikationsnummern, mit denen vor allem Privatpersonen normalerweise im Internet surfen.
Entscheidung des BVerfG: Der Erste Senat des BVerfG hat entschieden, dass  die Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten nach § 111 TKG sowie ihre in § 112 TKG geregelte Verwendung im automatisierten Auskunftsverfahren verfassungsgemäß sind. Der hierdurch bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nur von begrenztem Gewicht und angesichts der erstrebten Verbesserung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt. Für den Datenabruf reichen hierbei auch die allgemeinen Datenerhebungsvorschriften der abrufberechtigten Behörden. Keinen Erfolg hat die Verfassungsbeschwerde auch insoweit, als sie sich gegen die in § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltene Regelung zur Erteilung allgemeiner Auskünfte durch die Telekommunikationsdiensteanbieter im manuellen Auskunftsverfahren richtet. Die Vorschrift ist verfassungskonform so auszulegen, dass es für den Datenabruf spezieller fachrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen bedarf. Zudem berechtigt § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht zu einer Zuordnung von dynamischen IP-Adressen. Für eine Übergangszeit, längstens bis zum , darf die Vorschrift unabhängig von diesen Maßgaben angewendet werden. Dagegen ist § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Vorschrift gilt jedoch übergangsweise, längstens bis zum mit der Maßgabe fort, dass die Sicherungscodes nur unter den Bedingungen erhoben werden dürfen, unter denen sie nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften (etwa denen des Strafprozessrechts) auch genutzt werden dürfen.
Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 24.2.2012

Anmerkung: Das BVerfG hat in seinem o.g. Beschluss die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 Telekommunikationsgesetz für verfassungswidrig erklärt, wonach Ermittlungsbehörden ein beschlagnahmtes Handy auslesen und gespeicherte Daten durchsuchen konnten, obwohl für diese Nutzung der Daten keine Ermächtigungsregelung vorhanden ist. Auskünfte über den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse dürfen zwar erteilt werden, allerdings muss der Gesetzgeber dies ausdrücklich neu regeln, darauf weist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (kurz: BfDI), Peter Schaar, hin. Weitere Hintergundinformationen zu dem Beschluss des BVerfG finden Sie auf den Internetseiten des (BfDI).


 


 

Fundstelle(n):
NWB SAAAF-43542