Online-Nachricht - Mittwoch, 15.02.2012

Verfahrensrecht | Zur Beweiserhebung im Hinblick auf eine mögliche Steuerhinterziehung (BFH)

Im Allgemeinen darf eine Verletzung von Mitwirkungspflichten erst angenommen werden, wenn die Beteiligten zuvor ausdrücklich und konkret zur Mitwirkung aufgefordert wurden. Ein zulässiger Antrag auf Erhebung eines Zeugenbeweises setzt nicht stets die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift voraus. Entscheidend ist vielmehr, dass der Zeuge individualisierbar ist; hierfür kann es genügen, wenn der Name sowie der Arbeitgeber angegeben werden. Das Leitbild, den Rechtsstreit möglichst in einer einzigen mündlichen Verhandlung zu erledigen, rechtfertigt es nicht, erhebliche Beweisanträge abzulehnen, die erst in der mündlichen Verhandlung und nach einer Umstellung der Prozessstrategie gestellt werden (; veröffentlicht am ).


Sachverhalt: Der Kläger bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer einer GmbH. Zum Geschäftsmodell der GmbH gehörte die Zahlung erheblicher Bestechungsgelder an ihre Geschäftspartner. Der Kläger unterhielt in den Streitjahren u.a. ein Konto bei einer österreichischen Bank. Das Konto selbst wurde nicht unter dem Namen des Klägers, sondern unter Kennworten geführt, die der Kläger der Bank vorgab. In einem "Memorandum" schrieb ein Bankmitarbeiter, Grund für die Entscheidung des Klägers, Kunde zu werden, sei u.a. die Vermeidung der deutschen Steuer gewesen; das Konto müsse daher diskret geführt werden. Auf dem Konto gingen Überweisungen ein, die mit dem Vermerk „Provision“ oder „Commission“ versehen waren. Das Finanzamt setzte die Zugänge als zusätzliche Einkünfte des Klägers an.

Hierzu führt der BFH weiter aus: Die bloße Erwähnung der Einkunftsart im Tenor der Finanzgerichtsentscheidung kann den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht genügt, wenn das Finanzamt seine Auffassung über die mit Zugängen auf Bankkonten verwirklichte Einkunftsart im Verlauf des Verfahrens mehrfach gewechselt hat, erhebliche Unsicherheit über die verwirklichte Einkunftsart besteht und das Finanzgericht offenbar eine abweichende vierte Variante favorisiert. Eine vom Finanzgericht bestätigte Schätzungsmethode, nach der das Anfallen von Depotgebühren einen nahezu sicheren Schluss auf die Erzielung von Kapitalerträgen zulässt und die Höhe der Depotgebühren häufig in einem Verhältnis linearer Abhängigkeit zur Höhe des angelegten Kapitalvermögens steht, ist grds. nicht zu beanstanden, wobei das Finanzgerichts-Urteil aber eine eigene Würdigung hinsichtlich des (hier: durch die Steuerfahndung) angesetzten prozentualen Verhältnisses zwischen den Depotgebühren und dem verwalteten Kapitalbetrag enthalten muss. Ein Zwischenbericht der Steuerfahndung, der frei von jeglichen Tatsachenangaben ist, ist nicht geeignet, eine Tatsachenkenntnis des zuständigen Amtsträgers des Veranlagungsbezirks zu begründen. Auch bei der Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung vorliegen, ist weder eine Verletzung von Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen noch darf eine Reduzierung des Beweismaßes vorgenommen werden. Erforderlich ist stets die volle Überzeugung des Tatrichters vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung. Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung ist für jeden einzelnen Teilbetrag des Steueranspruchs getrennt festzustellen. Auch das Finanzgericht kann selbst verpflichtet sein, Ermittlungen zur genauen Anschrift eines Zeugen anzustellen, vorausgesetzt, dieser ist bereits individualisierbar benannt. Ein Beteiligter, der einen Zeugen erst in der mündlichen Verhandlung benennt, ohne eine ladungsfähige Anschrift anzugeben, trägt zumindest das Risiko, dass diejenigen Maßnahmen, die dem Finanzgericht noch während der mündlichen Verhandlung zur Ermittlung der Anschrift möglich sind, erfolglos bleiben, wenn weitere Maßnahmen aus Sicht des Finanzgericht nicht in Betracht kommen und daher eine Vertagung nicht schon von Amts wegen geboten ist.

Quelle: NWB Datenbank

 

Fundstelle(n):
NWB VAAAF-43473