Online-Nachricht - Dienstag, 22.11.2011

Arbeitsrecht | Ansammlung von Ansprüchen auf nicht genommenen Urlaub (EuGH)

Die Ansammlung nicht genommenen Jahresurlaubs, der während der Arbeitsunfähigkeit erworben wurde, kann durch nationale Regelungen zeitlich begrenzt werden ( "KHS").


Sachverhalt: Der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers, der bei der KHS AG beschäftigt war, betrug 30 Tage pro Jahr. Der Tarifvertrag erlaubt die Abgeltung nicht genommenen Jahresurlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sieht vor, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der wegen Krankheit nicht genommen wurde, nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Bezugszeitraum (Kalenderjahr) erlischt. In 2002 erlitt der Kläger einen Infarkt, infolge dessen er für arbeitsunfähig erklärt wurde. Bis August 2008, dem Zeitpunkt, zu dem sein Arbeitsverhältnis mit der KHS endete, bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Da der Kläger während der Jahre 2006, 2007 und 2008 aufgrund der Krankschreibung seinen Jahresurlaub nicht nehmen konnte, klagte er auf Abgeltung des nicht genommenen Jahresurlaubs für diese Zeiträume. Das Landesarbeitsgericht Hamm, bei dem die Berufung in dieser Rechtssache anhängig ist, stellte fest, dass der Urlaubsanspruch für 2006 nach der deutschen Regelung und dem Tarifvertrag wegen des Ablaufs des Übertragungszeitraums erloschen ist. Daher stellt sich die Frage, ob eine nationale Regelung oder nationale Gepflogenheiten, nach denen die Übertragung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub bei Arbeitsunfähigkeit zeitlich begrenzt ist, mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung vereinbar sind.

Hierzu führten die Richter des EuGH weiter aus: Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ist ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union. Ein Recht auf ein unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub während des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit entspricht allerdings nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, der darin besteht, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von seiner Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Die positive Wirkung des bezahlten Jahresurlaubs für die Gesundheit des Arbeitnehmers entfaltet sich dann vollständig, wenn der Urlaub in dem hierfür vorgesehenen Jahr genommen wird. Die Ruhezeit verliert ihre Bedeutung nicht, wenn sie zu einer späteren Zeit genommen wird. Allerdings verliert der Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer dann, wenn der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet. Insofern kann ein während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähiger Arbeitnehmer nicht berechtigt sein, in diesem Zeitraum erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt anzusammeln. Daher kann ein Zeitraum, der wie im vorliegenden Fall 15 Monate beträgt, vernünftigerweise als Übertragungszeitraum angesehen werden, der dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht zuwiderläuft, da er sicherstellt, dass dieser Anspruch seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit behält.

Quelle: EuGH online

Hinweis: Der Volltext der o.g. Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank der Europäischen Union veröffentlicht. Zur Rechtsprechungsdatenbank gelangen Sie hier.

 

Fundstelle(n):
NWB SAAAF-42972