Online-Nachricht - Mittwoch, 16.11.2011

Erbschaft-/Schenkungsteuer | Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ErbStRG (BFH)

Der BFH prüft die Verfassungsmäßigkeit der ab geltenden Erbschaftsteuer. In diesem Zusammenhang hat das Gericht nun das Bundesministerium der Finanzen aufgefordert, dem Verfahren beizutreten (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Dem Verfahren liegt die Besteuerung eines Erbanfalls im Jahre 2009 zugrunde. Der Kläger war zu 1/4 Miterbe seines Onkels. Im Nachlass befanden sich Guthaben bei Kreditinstituten und ein Steuererstattungsanspruch. Der Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils am Nachlass belief sich auf 51.266 EUR. Unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 20.000 EUR und eines Steuersatzes von 30% setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von 9.360 EUR fest. In dem Verfahren muss entschieden werden,

  • ob die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) mit Personen der Steuerklasse III (fremde Dritte) verfassungsgemäß ist (vgl. hierzu auch NWB-Nachricht v. 3.3.2011) und

  • ob § 19 Abs. 1 i.V. mit §§ 13a und 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der auf den zurückwirkenden Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, weil die §§ 13a und 13b ErbStG es ermöglichen, durch bloße Wahl bestimmter Gestaltungen (gewerblich geprägte Personengesellschaft; Kapitalgesellschaft) die Steuerfreiheit des Erwerbs von Vermögen gleich welcher Art und unabhängig von dessen Zusammensetzung und Bedeutung für das Gemeinwohl zu erreichen.

Hierzu führt der BFH weiter aus: Eine verfassungsrechtlich problematische Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausdrücklich auch den Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG in die Vergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG einbezieht. Die Steuervergünstigungen sind somit grds. auch für den Übergang von Vermögen sogenannter "gewerblich geprägter Personengesellschaften" (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu gewähren. Sind die in § 13a Abs. 8 ErbStG bestimmten Voraussetzungen erfüllt, kann auch in diesem Fall für die Vollverschonung optiert werden (§ 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG). Vermögen, dessen Erwerb im Privatvermögen der vollen Besteuerung unterläge, kann somit ohne Anfall von Erbschaft-/ Schenkungsteuer übergehen, wenn es in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eingelegt wurde und nicht zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) gehört. Das BVerfG hat die Möglichkeit von Gewerbetreibenden, Betriebsvermögen in weitem Umfang zu willküren und so durch bilanzpolitische Maßnahmen auf die Bemessungsgrundlage der Steuer einzuwirken, aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch gewürdigt ( NWB GAAAC-36599, unter C.II.1.b und d bb). Diese verfassungsrechtliche Problematik besteht im neuen Recht fort und hat sich sogar noch verschärft. Die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG knüpfen nach wie vor an das ertragsteuerrechtliche Betriebsvermögen an. Die Möglichkeiten, durch Schaffung gewillkürten Betriebsvermögens und weitere Gestaltungen die Höhe der Steuerbelastung zu vermindern, sind deutlich erweitert worden. Während nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F. das nach Abzug des Freibetrags von 225.000 EUR verbleibende begünstigte Betriebsvermögen mit 65% anzusetzen war, beträgt nunmehr bereits der Verschonungsabschlag entweder 85% des begünstigten Betriebsvermögens (§ 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 4 ErbStG) oder sogar 100% (§ 13a Abs. 8 ErbStG). 
Anmerkung: Der BFH hat das BMF um Mitteilung gebeten, ob und ggf. welche praktischen Erfahrungen zu den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten es bisher gibt. Sollte die Prüfung der angesprochenen Verfassungsfragen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und/oder Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, müsste der Senat das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG einholen.
Quelle: BFH online
 

Fundstelle(n):
NWB CAAAF-42934