Einkommensteuer | Gewöhnlicher Aufenthalt kraft Aufenthaltsdauer (BFH)
Der "äußerlich erkennbare Zusammenhang" des Aufenthalts i.S. des § 9 Satz 2 AO ist nicht durch eine konkrete Zeitgrenze für die (unschädliche) Abwesenheit zu ergänzen ( nv; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist nach § 9 Satz 1 AO dort anzunehmen, wo sich die Person unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als ein solcher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen (§ 9 Satz 2 AO), wenn es sich nicht um einen Aufenthalt für private Zwecke handelt (§ 9 Satz 3 AO). Kurzfristige Unterbrechungen werden bei der Berechnung der Frist mitgezählt (§ 9 Satz 2 AO).
Sachverhalt. Die Klägerin lebte in der Schweiz und produzierte in den Streitjahren 1996 bis 1998 in Deutschland eine wochentägliche Fernsehshow. Vertraglich war sie verpflichtet, an den Proben und Produktionssitzungen zu der Show teilzunehmen. Insgesamt wurden 180 Folgen pro Jahr produziert. Die Termine waren mit der Klägerin abzusprechen, hierbei war sie nicht weisungsgebunden. Von Juni bis August war eine zeitlich nicht genauer definierte Sommerpause vereinbart. Darüber hinaus bestand keine Anwesenheitspflicht in Deutschland. Die Laufzeit des Vertrags war auf vier Jahre festgelegt. Dementsprechend reiste die Klägerin zu den Produktionen in der Regel am Montag einer Produktionswoche an und kehrte donnerstags abends oder freitags in die Schweiz zurück. Um die Osterfeiertage und im Herbst gab es jeweils eine produktionsfreie Woche, in der sich die Klägerin nicht in Deutschland aufhielt. Das Finanzamt erließ Schätzungsbescheide zur Einkommensteuer, die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus: Wegen der Unschädlichkeit kurzer Unterbrechungen im Rahmen der Sechs-Monats-Frist ist für eine Abgrenzung erheblich, ob der Aufenthalt trotz der Unterbrechung nach objektiven Umständen (z.B. der Fortdauer des Anlasses für den Aufenthalt) noch als zusammenhängend angesehen werden kann. Dabei ist anerkannt, dass z.B. übliche Familienheimfahrten und urlaubsbedingte Abwesenheitszeiten dem nicht entgegenstehen. Im Streitfall hat das Finanzgericht zu Recht entschieden, dass die häufigen kurzen Unterbrechungen zu Wochenendheimfahrten und Urlauben für den Zusammenhang des Aufenthalts unschädlich waren. Denn die Klägerin hat sich im Inland nur zu einem einzigen Zweck - der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zur Produktion der Show - aufgehalten. Bei den wöchentlichen Reisen handelt es sich damit nicht um voneinander unabhängige Dienstreisen zur Erfüllung unterschiedlicher Zwecke, sondern um ein einheitliches Ganzes. Auch die vertraglich vereinbarten Sommerpausen sind als "kurzfristige Unterbrechung“ anzusehen. Denn der "äußerlich erkennbare Zusammenhang" des Aufenthalts i.S. des § 9 Satz 2 AO ist nicht durch eine konkrete Zeitgrenze für die (unschädliche) Abwesenheit zu ergänzen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene zeitliche Gewichtung der "kurzfristigen Unterbrechung" unter Berücksichtigung der Dauer des Gesamtaufenthalts entscheidend. Daraus folgt, dass angesichts der beruflich bedingten und auf die Vertragslaufzeit von vier Jahren bezogenen langfristigen Anwesenheitsplanung auch die vertraglichen Sommerpausen eine "kurzfristige Unterbrechung" im Rahmen des § 9 Satz 2 AO darstellt.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
NWB CAAAF-42759