Online-Nachricht - Montag, 12.09.2011

Arbeitsrecht | Kündigung eines Chefarztes wegen erneuter Heirat (BAG)

Die Wiederverheiratung eines katholischen Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus rechtfertigt nicht in jedem Fall seine ordentliche Kündigung ().


Hintergrund: Religionsgemeinschaften haben das verfassungsmäßige Recht, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen. Als Loyalitätsverstoß kommt auch der Abschluss einer nach katholischem Verständnis ungültigen Ehe in Betracht. Eine Kündigung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Loyalitätsverstoß auch bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile im Einzelfall hinreichend schwer wiegt.

Sachverhalt: Der Kläger war seit dem Jahr 2000 als Chefarzt bei der Beklagten, die mehrere Krankenhäuser betreibt, beschäftigt. Der Dienstvertrag wurde unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom (GO) geschlossen. Danach wird von den Mitarbeitern die Anerkennung und Beachtung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erwartet. Nach Art. 5 Abs. 2 GO kommt eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen bei schwerwiegenden Loyalitätsverstößen in Betracht. Als ein solcher Verstoß wird auch der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe angesehen. Nachdem sich die erste Ehefrau des Klägers von diesem getrennt hatte, lebte der Kläger mit seiner jetzigen Frau von 2006 bis 2008 unverheiratet zusammen, was der Beklagten bekannt war. Nach der Scheidung von der ersten Ehefrau heiratete der Kläger im Jahr 2008 seine jetzige Frau standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom ordentlich zum . Die Beklagte beschäftigt auch nicht katholische, wiederverheiratete Chefärzte. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Hierzu führten die Richter weiter aus: Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG. Zwar hat sich der Kläger einen Loyalitätsverstoß zuschulden kommen lassen, dem mit Rücksicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beträchtliches Gewicht zukommt. Insgesamt überwog jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dabei fällt in die Waagschale, dass die Beklagte selbst sowohl in ihrer Grundordnung als auch in ihrer Praxis auf ein durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtetes Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter verzichtet. Das zeigt sich sowohl an der Beschäftigung nichtkatholischer, wiederverheirateter Ärzte als auch an der Hinnahme des nach dem Arbeitsvertrag an sich untersagten Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft von 2006 bis 2008. Zu berücksichtigen war ferner, dass der Kläger zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre nach wie vor steht und an ihren Anforderungen nur aus einem dem innersten Bezirk seines Privatlebens zuzurechnenden Umstand scheiterte. Bei dieser Lage war auch der ebenfalls grundrechtlich geschützte Wunsch des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau zu achten, in einer nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts geordneten Ehe zusammenleben zu dürfen.

Quelle: BAG, Pressemitteilung Nr. 69/11

 

Fundstelle(n):
NWB ZAAAF-42520