Online-Nachricht - Mittwoch, 09.02.2011

Umsatzsteuer | Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft (BFH)

Der BFH hat zu den Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung Stellung genommen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der RL 77/388/EWG bzw. Art. 11 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
Hierzu führte der BFH u.a. aus: Im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung ist zu beachten, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen werden muss; maßgeblich ist, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht möglich ist. Die organisatorische Eingliederung setzt weiter in aller Regel eine personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus. Neben diesem Regelfall kann sich die organisatorische Eingliederung auch daraus ergeben, dass leitende Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass ein leitender Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters - wie ggf. im Streitfall - nur Prokurist bei der möglichen Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen Geschäftsführer der GmbH um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch leitender Angehöriger des Mehrheitsgesellschafters war. Eine organisatorische Eingliederung kann sich im Übrigen nicht daraus ergeben, dass eine nicht geschäftsführende Gesellschafterversammlung und ein gleichfalls nicht geschäftsführender Beirat ausschließlich mit Mitgliedern des Mehrheitsgesellschafters besetzt sind, vertragliche Bedingungen dem Mehrheitsgesellschafter "umfangreiche Beherrschungsmöglichkeiten" sichern und darüber hinaus dieselben Büroräume benutzt und das komplette Rechnungswesen durch gemeinsames Personal erledigt werden.
Anmerkung: Die Klägerin (eine GmbH) hatte ihrem beherrschenden Gesellschafter (einem Zweckverband) für entgeltliche Leistungen im Bereich der Abfallentsorgung Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt, bevor sie zu dem Ergebnis kam, sie sei Organ des Zweckverbandes i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Der BFH entschied, sie schulde jedenfalls keine Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 oder 3 UStG a.F. (inzwischen § 14c Abs. 1 und 2 UStG). Bei etwaigem Vorliegen einer Organschaft könnte Steuerschuldner wegen überhöhten Steuerausweises i.S.d. § 14 Abs. 2 UStG nur die Muttergesellschaft sein (der BFH ließ deshalb offen, ob § 14 Abs. 2 UStG auf Innenumsätze anwendbar ist). Einen Fall unberechtigten Steuerausweises gem. § 14 Abs. 3 UStG sah der Senat deshalb nicht, weil die Klägerin entgeltliche Leistungen erbracht hat, über die Dritten gegenüber grds. auch im Fall der Organschaft durch sie mit Umsatzsteuerausweis abzurechnen wäre, nicht durch die Organträgerin. Ob die für eine Organschaft im Umsatzsteuerrecht erforderliche organisatorische Eingliederung im Streitfall vorliegt, muss nach Zurückverweisung der Sache das Finanzgericht noch prüfen.
Quelle: BFH online

 

 

 

Fundstelle(n):
NWB HAAAF-16606