Online-Nachricht - Dienstag, 13.07.2010

Gesellschaftsrecht | Widerruf eines Gesellschaftsbeitritts nach HaustürwiderrufsG (BGH)

Der BGH hat entscheiden, dass die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auch im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Gesellschaftsbeitritts nach dem Haustürwiderrufsgesetz (§ 3 HWiG) Anwendung findet. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind auch in diesem Fall mit EU-Recht vereinbar ().


Hintergrund: Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft dient der Abwicklung unwirksam geschlossener Gesellschaftsverträge. Nach ihr kann ein Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden. Bis zu dem Moment der Geltendmachung wird die fehlerhafte Gesellschaft wie eine wirksam zustande gekommene Gesellschaft behandelt. Sie stellt damit eine Ausnahme von den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (z.B. § 142 Abs. 1 BGB) dar. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten die zur fehlerhaften Gesellschaft entwickelten Grundsätze auch für den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft ().

Sachverhalt: Der Beklagte hat 1991 aufgrund von Verhandlungen, die in seiner Privatwohnung geführt worden sind, seinen Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erklärt. In einem Vorprozess forderte die Klägerin als Geschäftsführerin der GbR vom Beklagten die Zahlung von Nachschüssen, die die Gesellschafterversammlung der GbR zur Beseitigung von Unterdeckungen beschlossen hatte. Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte seine Mitgliedschaft in der GbR fristlos gekündigt und die Beitrittserklärung nach § 3 HWiG (jetzt § 312 BGB) widerrufen. Die Klage ist im Vorprozess mit der Begründung abgewiesen worden, nach wirksamer Kündigung des Gesellschaftsbeitritts durch den Beklagten bestünden zwischen den Parteien nur noch Ansprüche nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Die Nachschussforderung sei daher nicht mehr selbständig einklagbar, sondern sie sei als unselbständiger Rechnungsposten in die zu erstellende Auseinandersetzungsrechnung einzustellen. Die Klägerin hat dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Vorprozess Rechnung getragen und eine Auseinandersetzungsrechnung erstellt, die ein negatives Auseinandersetzungs-"Guthaben" des Beklagten – d.h. einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten auf Verlustdeckung nach § 739 BGB - ausweist. Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Vorprozesses. Die Klägerin hat mit ihrer Forderung gegen den Beklagten auf Zahlung dieses Anspruchs auf Verlustdeckung die Aufrechnung gegen die Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erklärt und im vorliegenden Rechtsstreit Vollstreckungsgegenklage erhoben.

Hierzu führte der BGH weiter aus: Der EuGH hat entschieden, dass die sog. Haustürgeschäfte-RL (85/577/EWG) grundsätzlich auf den Beitritt zu einer Personengesellschaft anwendbar ist, wenn der Zweck eines solchen Beitritts vorrangig nicht darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen. Zugleich stehe Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie einer Rückabwicklung eines wirksam widerrufenen Gesellschaftsbeitritts nach den Grundsätzen der im deutschen Recht anerkannten Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegen, auch wenn dadurch der Verbraucher möglicherweise weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhalte oder sich am Verlust des Fonds beteiligen müsse (). Nach dem Urteil des EuGH bleibt daher die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar. Der Klägerin steht damit im Streitfall gegen den Beklagten ein Anspruch auf Verlustausgleich auch dann zu, wenn der Beklagte seinen Beitritt zu dem geschlossenen Immobilienfonds wirksam nach § 3 HWiG (jetzt § 312 BGB) widerrufen hat. Die Klägerin konnte mit diesem Anspruch gegen die Kostenforderung aufrechnen, so dass die Vollstreckungsgegenklage begründet ist.

Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 143/2010

 

Fundstelle(n):
NWB EAAAF-15285