Online-Nachricht - Mittwoch, 13.01.2010

Einkommensteuer | Abschied vom Aufteilungs- und Abzugsverbot (BFH)

Bei gemischt beruflich und privat veranlassten Reisen können die Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind (Große Senat des ; veröffentlicht am ).


Als Maßstab für die Aufteilung nach beruflicher und privater Veranlassung dienen die jeweiligen Zeitanteile an der Reise.

Sachverhalt: Der Kläger nahm an einer Computermesse in Las Vegas teil und hielt dort auch einen Vortrag als Gastredner. Er flog bereits an einem Freitag von Köln nach Las Vegas, obwohl die Messe erst am Montag begann. Donnerstags endete die Messe, erst am darauffolgenden Samstag flog er wieder zurück nach Köln. Während das Finanzamt wegen der offenbar privaten Mitveranlassung nur die Tagungsgebühren zum Abzug zuließ, behandelte das Finanzgericht Köln auch die Reisekosten teilweise als Werbungskosten. Es unterstellte, dass vier der sieben Reisetage vor Ort beruflichen Zwecken dienten, die übrigen drei privaten Zwecken. Demnach seien insbesondere die Kosten für den Flug also zu 4/7 abziehbar. Der BFH hat diese Auffassung nun bestätigt. Das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG finde hier keine Anwendung.

Dazu führt das Gericht weiter aus: Auf der Grundlage der vom Großen Senat nunmehr weiterentwickelten Rechtsauffassung, nach der § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot zu entnehmen ist, kommen die beruflichen und privaten Zeitanteile einer Reise als nahe liegender und sachgerechter Aufteilungsmaßstab in Betracht. Ihre Verifikation ist nicht schwieriger als die umfassende Würdigung der einzelnen Merkmale, die aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten abverlangt worden war. Dies gilt umso mehr, als die Aufteilung auch im Wege der Schätzung geschehen kann und im Übrigen ein Abzug der strittigen Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ohnehin ausscheidet, wenn die berufliche Veranlassung nicht durch zureichende Gründe belegt ist. Der Große Senat ist an einer Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zum Aufteilungs- und Abzugsverbot weder unter dem Aspekt des Gewohnheitsrechts noch im Hinblick auf das Gebot zur Wahrung der Rechtsprechungskontinuität gehindert. Greifen die - für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden - beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, so kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. An der Grenzlinie zwischen Berufs- und Privatsphäre besteht ein Anreiz für die Steuerpflichtigen, Privataufwendungen als beruflich veranlasst darzustellen, um so den Abzug dieser Aufwendungen zu erreichen. Dem haben die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte bei der Sachverhaltsaufklärung und bei der Rechtsanwendung besonders Rechnung zu tragen. So dürfen sich die Finanzgerichte in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Steuerpflichtigen stützen, wenn es an entsprechenden Nachweisen für dessen Sachvortrag fehlt. Vielmehr hat der Steuerpflichtige die berufliche Veranlassung der Aufwendungen im Einzelnen umfassend darzulegen und nachzuweisen. Diese Anforderungen, die nach der bisherigen Rechtsprechung nur die Frage betrafen, ob der Abzug der Aufwendungen insgesamt in Betracht kam, gelten nunmehr nach der geänderten Auslegung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch für die Frage, ob ein Teil der Aufwendungen als beruflich veranlasst anerkannt werden kann.

Quelle: BFH online

Anmerkung der NWB-Redaktion: Mit der Entscheidung des Großen Senats hält der BFH an der seit 1970 vertretenen Auffassung, dass sich aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein grundsätzliches Aufteilungsverbot bei gemischt veranlassten Aufwendungen ergibt, nicht mehr fest. Zumindest für den Bereich der Reisekosten bedeutet das Urteil, das Steuerpflichtige, die den Inhalt der beruflichen Tätigkeit während der Reise substantiiert belegen können und außerdem nachweisen können, an welchen Tagen und in welchem zeitlichen Umfang sie während der Reise beruflich bzw. betrieblich veranlasst tätig geworden sind, grundsätzlich ihre Aufwendungen aufteilen und als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen können.

Vor dem Hintergrund, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung auch bisher schon zahlreiche Ausnahmen vom Aufteilungsverbot zugelassen hat, insbesondere wenn die Anwendung des Aufteilungsverbots vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips, zu einem nur schwer vermittelbaren Ergebnis geführt hätte, lässt sich nur schwer voraussagen, welche Auswirkungen die Aufgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots für andere Fälle gemischter Aufwendungen haben wird. Die Reaktion der Verwaltung und des Gesetzgebers auf die Entscheidung bleibt ebenfalls abzuwarten. Aus dem Hinweis des Großen Senats, dass Finanzverwaltung und -gerichte besonders gründlich auf die Nachweise der Steuerpflichtigen für beruflich veranlasste (Teil-)Aufwendungen schauen sollen, lässt sich für Steuerpflichtige und Berater nur die Empfehlung ableiten, diese Sachverhalte zukünftig besonders gut mit Belegen zu dokumentieren.

 

Fundstelle(n):
NWB PAAAF-14000