Online-Nachricht - Montag, 02.11.2009

Wettbewerbsrecht | Zeitungsvertrieb über "Stumme Verkäufer" grundsätzlich zulässig (BGH)

Der BGH hat entschieden, dass das Angebot von Sonntagszeitungen in ungesicherten Verkaufshilfen (sogenannte "Stumme Verkäufer") grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig ist (Änderung der Rechtsprechung; und I ZR 188/07).


Hintergrund: Der Springer-Verlag plant, seine Zeitung "WELT KOMPAKT" zu einem Kaufpreis von 70 Cent auch über ungesicherte Verkaufshilfen, sogenannte "Stumme Verkäufer", abzusetzen. Die Kläger hatten die Ansicht vertreten, diese Vertriebsart sei wettbewerbswidrig, weil sie in erheblichem Umfang auf eine Gratisabgabe hinauslaufe und die Verbraucher durch die Möglichkeit, sich die Zeitung ohne Bezahlung zu verschaffen, übermäßig angelockt würden. Auch führe die von der Beklagten geplante Praxis zu einer allgemeinen Marktbehinderung.
Hierzu führt der BGH weiter aus: Ein Unterlassungsanspruch wegen übertriebenen Anlockens besteht nicht, da es an einer unangemessenen unsachlichen Einflussnahme auf die Personen fehlt, die sich durch die beanstandete Geschäftsmethode der Beklagten dazu verleiten lassen, die in deren Verkaufsautomaten angebotenen Zeitungen ohne Bezahlung zu entnehmen. Außerdem verdient die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern keinen Schutz, die sich durch die ungesicherten Verkaufsboxen zu einem Diebstahl verleiten lassen. Das beanstandete Verhalten des Springer-Verlages stelle auch keine wettbewerbswidrige Marktstörung dar. Unter diesem Gesichtspunkt kann einem Anbieter zwar untersagt werden, seine Waren in großem Umfang zu verschenken, wenn dadurch andere Wettbewerber aus dem Markt gedrängt werden und deswegen die ernstliche Gefahr besteht, dass der Wettbewerb auf dem fraglichen Markt erheblich eingeschränkt wird. Der Vertrieb über stumme Verkäufer begründet aber eine solche ernste Gefahr für den Wettbewerb nicht. Dies hatte der BGB in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 (Urt. v. - I ZR 1/94, GRUR 1996, 778, 780 = WRP 1996, 889 - Stumme Verkäufer) noch anders beurteilt.
Anmerkung: Im Streitfall kam hinzu, dass sich der Springer-Verlag gegenüber den Klägern verpflichtet hatte, auf den Verkaufsboxen deutlich darauf hinzuweisen, dass eine Zeitung nur gegen Bezahlung des Kaufpreises entnommen werden dürfe, Diebstahl verfolgt werde und Kontrolleure im Einsatz seien.
Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 222/2009
 

 


 

Fundstelle(n):
NWB FAAAF-13510