Online-Nachricht - Donnerstag, 08.10.2015

Einkommensteuer | Künstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft (FG)

Der 6. Senat des FG Münster hat sich mit der Frage befasst, ob die Aufwendungen einer in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frau für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Im Streitfall hat das Finanzgericht diese Frage verneint, jedoch die Revision zum BFH zugelassen (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen.

  • Im Streitfall sind die Kosten, welche der Klägerin für die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft entstanden sind, nicht als Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen.

  • Zwar war die Klägerin wegen einer primären Sterilität empfängnisunfähig. Diese Empfängnisunfähigkeit hat auch grds. einen Krankheitswert. Jedoch fehlt es im Streitfall an der für die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung erforderlichen Zwangsläufigkeit zwischen der Krankheit der Klägerin und den geltend gemachten Kosten.

  • Denn die Kinderlosigkeit der Klägerin war nicht unmittelbare und ausschließliche Folge ihrer krankheitsbedingten Unfruchtbarkeit. Vielmehr war die Kinderlosigkeit der Klägerin zugleich maßgeblich darin begründet, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, in der die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen ist.

  • Die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen verstößt nach Auffassung des Senats auch nicht gegen Verfassungsrecht.

Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH wurde noch nicht veröffentlicht. Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Münster online
Anmerkung: Die Aufwendungen eines verschiedengeschlechtlichen Paares für eine medizinisch angezeigte homologe künstliche Befruchtung, d.h. unter Verwendung der Eizelle der empfängnisunfähigen Frau und der Samenzellen des männlichen Partners (vgl. NWB LAAAC-54147oder für eine heterologe künstliche Befruchtung, d.h. unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders ( NWB XAAAE-94265und NWB EAAAD-61766können nach der bisherigen Rechtsprechung als Krankheitskosten zu beurteilen und damit als steuermindernde außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sein. Der BFH ordnet insoweit die organisch bedingte Sterilität eines Partners als Krankheit ein. Demgegenüber kommt der Kinderlosigkeit eines Paares nach der Rechtsprechung des BFH nicht selbst Krankheitswert zu. Dementsprechend stellen Aufwendungen, die einem – verschiedengeschlechtlichen – Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, keine Krankheitskosten dar (vgl. NWB XAAAE-94265
 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-12603