Online-Nachricht - Donnerstag, 06.11.2014

Einkommensteuer | Aufdeckung stiller Reserven bei einem Vorbehaltsnießbrauch (FG)

Führt die Übertragung eines Gewerbebetriebs unter Zurückbehaltung eines Nießbrauchsrechts zur Aufdeckung stiller Reserven? Mit dieser Frage musste sich aktuell das Finanzgericht Münster auseinandersetzten. Im Streitfall übertrug die Klägerin ein Grundstück mit einer verpachteten, urspr. dem Betriebsvermögen zugeordneten Gaststätte unentgeltlich auf ihren Sohn, behielt sich aber das Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor. Die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung (§ 6 Abs. 3 EStG) lagen nach Ansicht des Finanzgerichts nicht vor, da es an der Aufgabe der bisherigen gewerblichen Tätigkeit durch die Klägerin fehle (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Buchwerte anzusetzen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Der Rechtsnachfolger ist dann gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an diese Werte gebunden. Durch die Übertragung der betrieblichen Einheit wird – im Gegensatz zu einzelnen Wirtschaftsgütern – trotz des Rechtsträgerwechsels mithin kein Gewinn oder Verlust realisiert. Die stillen Reserven gehen damit auf den Erwerber über.
Sachverhalt: Die Klägerin ist seit dem verwitwet. Ihr verstorbener Ehemann war (Allein-)Eigentümer eines Gebäudes, in dem er eine Gaststätte zunächst selbst betrieb. Der Ehemann behandelte das Grundstück in vollem Umfang als Betriebsvermögen. Später verpachtete er die Gaststätte an wechselnde Pächter und erklärte die aus der (Betriebs-)Verpachtung bzw. Vermietung erzielten Einkünfte weiterhin als solche aus Gewerbebetrieb. Nach dem Tode des Ehemannes übertrug die Klägerin das Grundstück auf Ihren Sohn, behielt sich aber das Nießbrauchsrecht vor. Das Finanzamt stellte einen Entnahmegewinn fest. Da es sich bei dem Grundstück um die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage handele, führe die Entnahme zu der Betriebsaufgabe. Auch die Voraussetzungen für eine unentgeltliche Betriebsübertragung (§ 6 Abs. 3 EStG) lägen nicht vor, da die Klägerin den ruhenden Gewerbebetrieb auf Grund des Nießbrauchsrechts weiter betrieben habe.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Das Finanzamt hat den streitbefangenen Vorgang zu Recht als (Zwangs-)Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG behandelt und das Vorliegen der Voraussetzungen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG verneint.

  • Eine unentgeltliche Übertragung eines Betriebs im Ganzen i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt voraus, dass das Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf einen Erwerber übertragen wird.

  • Die Realisierung der in den übertragenden Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven lässt sich nicht dadurch vermeiden, dass der Übertragende zunächst sämtliche Betriebsmittel des Gewerbebetriebs auf den Erwerber unentgeltlich überträgt, sie sodann aber zurückpachtet oder auf sonstige Weise nutzt, um die bisherige gewerbliche Tätigkeit fortzuführen.

  • Es fehlt dann gerade an der von § 6 Abs. 3 EStG vorausgesetzten Übertragung des Gewerbebetriebs als Ganzes, und zwar unabhängig davon, dass die Betriebsmittel zivilrechtlich in das Eigentum des Erwerbers übergegangen sind und der Gewerbebetrieb des Übertragenden deshalb mit fremdem Eigentum weitergeführt wird.

  • Da § 6 Abs. 3 EStG der Gedanke zugrunde liegt, dass mit der Betriebsübertragung die Erwerbsquelle übergeht, kann die Fortführung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit durch den Übertragenden diesen Anforderungen nicht gerecht werden.

Anmerkung: Im Streitfall lagen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG nach Ansicht des Finanzgerichts nicht vor, da es an der Aufgabe der bisherigen gewerblichen Tätigkeit durch die Klägerin fehle. Denn die Klägerin habe sich das Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehalten und führe ihre bisherige gewerbliche Tätigkeit, die Verpachtung des Gaststättenbetriebs, fort. Mithin seien lediglich die Betriebsmittel, nicht aber die Erwerbsquelle übergegangen. An dieser rechtlichen Beurteilung ändere auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin die Gaststätte nicht selbst betreibe, sondern den Betrieb im Ganzen verpachte. Denn die Betriebsverpachtung stelle lediglich eine Nutzung des ursprünglich aktiv bewirtschafteten Betriebs in anderer Form dar, bis dessen Aufgabe erklärt werde. Es handele sich um eine gewerbliche Tätigkeit „in anderer Form“ (vgl. u.a. NWB GAAAE-54617).
Quelle: FG Münster online
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH wurde noch nicht veröffentlicht. Den Text der Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Fundstelle(n):
NWB GAAAF-12179