Versicherungsvertragsrecht | Rücktrittsrecht bei Lebens- und Rentenversicherungen (BGH)
Die bis zum in § 5a Abs. 2 VVG a.F. normierte Regelung, wonach das Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungen und Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ().
Sachverhalt: Der klagende
Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus
einer Rentenversicherung nach einem Widerspruch gemäß
§ 5a Abs. 1
Satz 1 VVG a.F. und Schadensersatz wegen vorvertraglicher
Aufklärungspflichtverletzung. Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss
eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum . Die
Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er
mit Übersendung des Versicherungsscheins. Dabei wurde er nicht ausreichend über
sein Widerspruchsrecht belehrt. Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der
Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt rund 51.000 €.
Nachdem er den Vertrag im Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im
September 2007 einen Rückkaufswert von rund 52.700 € aus. Mit Schreiben
vom erklärte der Kläger den Widerspruch nach
§ 5a Abs. 1
Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie
zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
Die
Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Widerspruch gegen das
Zustandekommen des Vertrages gemäß
§ 5a Abs. 2
Satz 4 VVG a.F. verfristet gewesen sei. Mit der Revision
verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Der
dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage
vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung
unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie
Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung wie in
§ 5a Abs. 2
Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktritts-
oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten
Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über
das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist. Der
NWB HAAAE-52544 die
Vorlagefrage bejaht. Der BGH hatte nun zu entscheiden, welche Folgerungen sich
aus diesem Urteil für den Streitfall und vergleichbare Verfahren
ergeben.
Hierzu führen die Richter des BGH weiter aus:
Bezüglich der Schadensersatzforderung ist die Revision unzulässig, weil sie insoweit vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist.
Soweit der Kläger einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB geltend macht, ist das Berufungsurteil aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
Die 14-tägige Widerspruchsfrist wurde gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt, da er nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts mit Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde.
Sein Widerspruchsrecht bestand nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des EuGH. Die Vorschrift weist eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf. Sie steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß in deutsches Recht umzusetzen.
Die Regelung ist richtlinienkonform dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
Hinweis: Zur Höhe des Bereicherungsanspruchs wird das Berufungsgericht noch Feststellungen zu treffen haben, da der Kläger während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat.
Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 78/14 v.
Fundstelle(n):
NWB OAAAF-11349