Online-Nachricht - Donnerstag, 19.12.2013

Arbeitsrecht | Wartezeitkündigung wegen symptomloser HIV-Infektion (BAG)

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann ().

Hintergrund: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt Diskriminierungen u.a. wegen einer Behinderung. Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch - in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) - seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, beeinträchtigt sein kann.
Sachverhalt: Der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankte Kläger wurde von der Beklagten, die intravenös verabreichte Arzneimittel zur Krebsbehandlung herstellt, im Jahr 2010 als CTA für eine Tätigkeit im sog. Reinraum eingestellt. Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wies der Kläger den Betriebsarzt auf seine Infektion hin. Der Arzt äußerte Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers im Reinraumbereich und teilte der Beklagten nach Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht die HIV-Infektion des Klägers mit. Noch am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner ansteckenden Krankheit könne sie den Kläger nach ihrem internen Regelwerk nicht einsetzen. Der Kläger machte geltend, er sei behindert. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie ihn wegen seiner Behinderung diskriminiere.

Hierzu führten die Richter des BAG weiter aus:

  • Auch chronische Erkrankungen können zu einer Behinderung führen.

  • Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist in diesem Sinn behindert.

  • Die Kündigung benachteiligt den Kläger unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung steht.

  • Ob die Kündigung gerechtfertigt ist, steht allerdings noch nicht fest:

  • Das Landesarbeitsgericht muss klären, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können.

  • Ist das nicht der Fall, ist die Kündigung wirksam. Ob dem Kläger eine Entschädigung zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung v.
 

Fundstelle(n):
NWB NAAAF-10762