Online-Nachricht - Freitag, 02.08.2013

Wohnungseigentumsrecht | Voraussetzungen einer Videoüberwachung (BGH)

Die Videoüberwachung des Eingangsbereichs einer Wohnungseigentumsanlage ist zulässig, wenn das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Eigentümers und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt ().


Hintergrund: Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung darf ein Wohnungseigentümer sein Sondereigentum per Videokamera überwachen, sofern die Überwachung nicht benachbartes Sondereigentum oder öffentliche Flächen erfasst. Auch darf er in das Klingeltableau der Wohnanlage eine Videoanlage einbauen, die ihm die Prüfung erlaubt, wer die Klingel betätigt hat. Höchstrichterlich nicht entschieden war, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) Teile des Gemeinschaftseigentums überwachen und das Geschehen aufzeichnen darf. Eine diesbezügliche rechtliche Regelung gibt es nur im (öffentlich-rechtlichen) Bundesdatenschutzgesetz, das unmittelbar keine Wirkung zwischen Privatrechtssubjekten entfaltet (§ 6b BDSG - Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen).
Sachverhalt: Die Parteien sind Mitglieder einer WEG, die als Reaktion auf einen Farbanschlag auf den Eingangsbereich des Gebäudes im Jahr 2008 mehrheitlich mit Zustimmung der Klägerin dort die Installation einer Videoüberwachungsanlage beschloss. Auf einer WEG-Versammlung im Jahr 2010 wurde der Antrag der Klägerin, die Anlage abzubauen, mehrheitlich abgelehnt. Dabei wurde nach dem Protokoll der Versammlung ein Vorteil der Anlage darin gesehen, „einen Überblick wegen Prostitution und bordellartigem Betrieb zu haben“. Mit ihrer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage focht die Klägerin diesen Beschluss an und verlangte die Entfernung der Anlage.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

  • Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entfernung der Überwachungsanlage.

  • Vielmehr ist deren Einbau zur Überwachung von Teilen des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich zulässig, wenn die Überwachung durch die Gemeinschaft erfolgt und die Voraussetzungen des § 6b BDSG sowie der einschlägigen Vorschriften des WEG (§§ 21 Abs. 4, 22 Abs. 1 WEG) eingehalten sind.

  • Das ist der Fall, wenn das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümer und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und die Ausgestaltung und Überwachung inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen Rechnung trägt.

  • Die Wertungen von § 6B BDSG sind zu beachten, obwohl die Norm nicht unmittelbar einschlägig ist, weil sie aus öffentlich-rechtlicher Perspektive einen Interessenkonflikt regelt, der dem hier aufzulösenden ganz ähnlich ist.

Anmerkung: Der BGH hat die Beklagten gleichwohl verpflichtet (§ 21 Abs. 8 WEG), die Anlage sofort stillzulegen, weil die Ausgestaltung des Betriebs den Anforderungen nicht entsprach. Es fehlte hier nämlich an einer zwingend erforderlichen vorherigen, verbindlichen und eindeutigen Festlegung der Überwachungszwecke, Regelungen zum Zugriff auf die Aufzeichnungen und wie diese Beschränkungen kontrolliert werden sollen. Der Betrieb der Anlage darf daher erst wieder aufgenommen werden, wenn diese Betriebsregelungen durch Beschluss festgelegt sind.
 

Fundstelle(n):
NWB PAAAF-10086