OFD Nordrhein-Westfalen - S 2137 - 2010/0003 - St 142

Rückstellungen wegen Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) für das Land NRW;
Rückstellungen in der Energiewirtschaft

1. Rückstellungen wegen Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) für das Land NRW

Der , BStBl 2013 II, 954, entschieden, dass für die Verpflichtung, zu viel vereinnahmte Nutzungsentgelte in der folgenden Kalkulationsperiode durch entsprechend geminderte Entgelte ausgleichen zu müssen, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist. Das Urteil betrifft explizit nur die Verrechnungsverpflichtung aufgrund von Kostenüberdeckungen i. S. d. § 10 Abs. 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes doch sind diese Grundsätze bei vergleichbaren gesetzlichen Verpflichtungen – wie im Falle des § 6 Abs. 2 KAG NRW – entsprechend anzuwenden. Bei Gebührenrechnungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden kann dabei ein Kalkulationszeitraum von höchstens drei Jahren zugrunde gelegt werden. Soweit sich am Ende eines Kalkulationszeitraumes Kostenüberdeckungen ergeben, sind diese innerhalb der nächsten vier Jahre auszugleichen (§ 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KAG NRW). Das Gesetz sieht keine Verzinsung der Kostenüberdeckung vor.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellungen bei Verpflichtungen aus öffentlichem Recht [1] führt eine Kostenüberdeckung, die sich von Beginn des Kalkulationszeitraumes bis zum Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres ergibt, nach § 6 Abs. 2 KAG NRW bereits zum Ansatz einer Rückstellung.

Die Rückstellungen sind gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG abzuzinsen (Hinweis auf das BStBl 2005 I, 699).

2. Rückstellungen in der Energiewirtschaft

Strom- und Gas-Netzbetreiber schließen mit Energieversorgungsunternehmen zivilrechtliche Verträge, nach denen diese berechtigt sind, das Versorgungsnetz des Betreibers entgeltlich zu nutzen. Die maximale Höhe des Entgeltes wird durch die zuständigen Landesregulierungsbehörden [2] durch Festlegung einer sogenannten Obergrenze reguliert. Die Regulierungsbehörden selbst sind nicht Vertragsparteien.

Übersteigen die erzielten Erlöse einer Kalkulations- bzw. Regulierungsperiode die für diesen Zeitraum zugrunde gelegten Netzkosten, so ist der Mehrbetrag in der Folgeperiode gegenüber den Versorgungsunternehmen auszugleichen. Das genehmigungsfähige Nutzungsentgelt mindert sich entsprechend.

2.1. Rückstellungen nach § 23a EnWG

Gemäß § 118 Abs. 1b Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) i. d. F. vom hatten Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen nach § 23a EnwG erstmals drei Monate nach Inkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) am und damit spätestens am bei der Regulierungsbehörde einen Antrag auf Genehmigung der von ihnen erhobenen Entgelte für den Netzzugang zu stellen. [3] Die Frist für den Antrag auf Genehmigung der Entgelte für den Zugang zu den Gasnetzen endete sechs Monate nach Inkrafttreten der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) am , also am . Die Netzbetreiber hatten ihre Nutzungsentgelte spätestens ab dem bzw. nach den genannten Verordnungen zu bestimmen. [4] Mit der Genehmigung der Entgelte durch die zuständige Behörde erhielten diese formell und materiell Geltung.

Für den Zeitraum bis zur Genehmigung konnte nach § 23a Abs. 5 S. 1 EnWG das bis dato erhobene Netzentgelt beibehalten werden. In der Mehrzahl der Fälle war das später genehmigte Entgelt jedoch geringer als das tatsächlich bereits erhobene.

Mit hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass der Mehrerlös, der sich aus der Differenz zwischen dem zunächst beibehaltenen und dem später genehmigten Entgelt ergibt, periodenübergreifend auszugleichen sei. Eine Rückabwicklung der betroffenen Vertragsbeziehungen komme nicht in Betracht. [5]

Mit der vorgenannten Entscheidung wurde die von der Bundesnetzagentur vertretene Auffassung bestätigt, dass die zu viel vereinnahmten Entgelte nicht endgültig behalten werden dürfen. Die Verpflichtung, die zu viel vereinnahmten Entgelte zu verrechnen, ergibt sich danach unmittelbar aus dem EnWG, sodass die Rückstellungsbildung nicht den Erlass einer behördlichen Verfügung voraussetzt. Eine Rückstellung ist folglich grundsätzlich zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem sich erstmals eine Ausgleichsverpflichtung ergeben hat.

Sollten einzelvertragliche Rückerstattungsvereinbarungen zwischen dem Netzbetreiber und einzelnen Netznutzern auf freiwilliger Basis geschlossen worden sein und steht die Rückzahlung am Bilanzstichtag noch aus, hat der Netzbetreiber insoweit eine entsprechende Verbindlichkeit zu passivieren.

2.2 Periodenübergreifende Saldierung nach § 11 StromNEV bzw. § 10 GasNEV

Die Netzentgeltverordnungen regelten bis zum [6] die kostenorientierte Kalkulation der Netzentgelte. Bei den kalkulierten (und genehmigten) Entgelten konnte es zu Kostenüberdeckungen kommen, wenn in der jeweiligen Kalkulationsperiode – dem Geschäftsjahr des Netzbetreibers – tatsächlich größere Strom- oder Gasmengen durch das Netz geleitet wurden, als der Kalkulation zugrunde gelegen hatten (sog. Mengeneffekt). In diesem Falle hatte der Netzbetreiber den Betrag der Kostenüberdeckung zuzüglich einer Verzinsung über die drei folgenden Kalkulationsperioden kostenmindernd bei der Beantragung der Netzentgelte in Ansatz zu bringen. Kostenunterdeckungen konnten dementsprechend kostenerhöhend berücksichtigt werden.

Aufgrund des Inkrafttretens der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) erfolgte der Ausgleich der Mehr- oder Mindererlöse nach § 11 StromNEV oder § 10 GasNEV verteilt über die erste Regulierungsperiode i. S. der ARegV [7] (Hinweis auf die nachstehenden Ausführungen).

Soweit sich aufgrund einer Kostenüberdeckung am Bilanzstichtag für die jeweils vorausgegangene Kalkulationsperiode eine Verpflichtung zur Minderung der zukünftigen Entgelte ergab, ist nach dem o. a. eine Rückstellungsbildung geboten; die Auflösung der Rückstellung hat entsprechend der Minderung der Erlösobergrenzen i. S. der ARegV zu erfolgen.

2.3 Periodenübergreifende Saldierung nach § 5 ARegV

Ab dem erfolgt die periodenübergreifende Saldierung nach den Regelungen der Anreizregulierungsverordnung (ARegV). Für den Netzbetreiber wird von der Bundesnetzagentur ein Regulierungskonto geführt, auf dem den genehmigten, zulässigen Erlösen (sogenannte Erlösobergrenze) die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung erzielbaren Erlöse jährlich gegenübergestellt werden [8].

In gleicher Weise wird die Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten [9] [10] und den diesbezüglich in den Erlösobergrenzen enthaltenen Ansätzen ermittelt.

Der Saldo der Differenzen wird nach den Regelungen des § 5 Abs. 2 ARegV verzinst und als Minder- oder Mehrerlös in das Folgejahr übernommen. Ein zum Ende der grundsätzlich 5 Jahre umfassenden Regulierungsperiode [11] bestehender Saldo wird verzinst auf die folgende Regulierungsperiode gleichmäßig verteilt. [12]

Für die Verpflichtung einen Mehrerlös ausgleichen zu müssen, ist eine Rückstellung zu bilden (vgl. zu 1.). Die Rückstellung ist in der Bilanz des Wirtschaftsjahres zu bilden, für das der Mehrerlös auf dem Regulierungskonto nach § 5 Abs. 1 ARegV gebucht wird. Mindererlöse im Verlauf der Regulierungsperiode mindern die Rückstellung.

2.4 Abzinsung der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG

Sowohl bei der Mehrerlösabschöpfung (s. zu 2.1) als auch bei den periodenübergreifenden Saldierungen nach § 11 StromNEV, § 10 GasNEV (s. zu 2.2) werden die auszugleichenden Überdeckungen verzinst. Die Verzinsung erfolgt entweder nach § 5 Abs. 4 S. 3 ARegV oder nach § 34 Abs. 1 ARegV i. V. m. § 11 StromNEV/§ 10 GasNEV. Hinsichtlich der Verzinsung der Mehrerlösabschöpfung gelten – der Vorgabe des BGH folgend – die letztgenannten Vorschriften entsprechend.

Die Rückstellungen sind in der Steuerbilanz daher nicht abzuzinsen.

Hiermit hebe ich die / auf.

OFD Nordrhein-Westfalen v. - S 2137 - 2010/0003 - St 142

Fundstelle(n):
JAAAE-81735

1vgl. , BStBl 2013 II, 686, m. w. N.; siehe auch R 5.7 (4) EStR 2012

2vgl. § 54 Abs. 1, 2 S. 1 Nrn. 1 u. 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnwG)

3Die Genehmigung galt jeweils für eine Abrechnungsperiode. Diese umfasste im Regelfall drei Jahre.

4vgl. § 32 Abs. 2 StromNEV und § 32 Abs. 2 GasNEV

5vgl. Rz. 21 des genannten Beschlusses und (ausführlicher) Rzn. 32 – 34 des BGH-Beschlusses KVR 27/07 vom selben Tage

6Ab dem werden Netzentgelte nach der Anreizregulierungsverordnung bestimmt.

7vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 ARegV

8§ 5 Abs. 1 ARegV

9Sofern es sich um Kosten im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 bis 6, 8 und 15, sowie § 11 Abs. 5 ARegV handelt.

10Ebenso werden unter bestimmen Voraussetzungen die Kosten der Messung und des Messstellenbetriebes berücksichtigt (vgl. § 5 Abs. 1 S. 3 ARegV).

11Die erste Regulierungsperiode nach ARegV begann am und endete am (vgl. § 3 ARegV). Die Dauer der ersten Regulierungsperiode für Gas beträgt 4 Jahre (§ 34 Abs. 1b ARegV).

12vgl. § 5 Abs. 4 ARegV