OFD Nordrhein-Westfalen - S 2241 - 2014/0015 - St 113

Bürgschaften von Kommanditisten für Verbindlichkeiten der KG

1. Bürgschaftsübernahme durch Kommanditisten – Allgemeine Grundsätze

Die Übernahme einer Bürgschaft durch einen Kommanditisten für Verbindlichkeiten der KG aus betrieblichen Gründen hat keinen Einfluss auf die Höhe des laufenden Gewinns/Verlusts der Gesellschaft; die Bürgschaftsübernahme führt auch nicht zu Sonderbetriebsausgaben des betreffenden Kommanditisten. Droht die Inanspruchnahme des Kommanditisten aus der Bürgschaft oder wurde er bereits aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, kann er in seiner Sonderbilanz keine Rückstellung bilden bzw. keine Verbindlichkeit einstellen (vgl. Urteil des BFH vom 21.06.1989, BStBl 1989 II S. 881). Die in Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung geleisteten Zahlungen sind einkommensteuerlich als Kapitaleinlage zu beurteilen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Übernahme der Bürgschaft und die Zahlung der Bürgschaftssumme auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Beitragsleistungen des Kommanditisten darstellen, die während des Bestehens der Gesellschaft keinen Ersatzanspruch des Kommanditisten begründen. Eine Einlage liegt vielmehr auch vor, wenn dem Kommanditisten zivilrechtlich als Folge der Bürgschaftsleistung ein selbständiger, noch nicht erfüllter Ersatzanspruch gegenüber der KG oder den persönlich haftenden Gesellschaftern zusteht. Ein etwaiges Wertloswerden einer solchen Forderung, die zum Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten gehört, wirkt sich nicht schon im Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, sondern erst mit der Beendigung der Gesellschaft oder einer vorherigen Betriebsaufgabe der Gesellschaft steuerlich aus (vgl. Urteile des BFH vom 04.07.1974, BStBl 1974 II S. 677; vom 12.07.1990, BStBl 1991 II S. 64 und vom 19.01.1993, BStBl 1993 II S. 594; Hinweis auf 3.)

2. Verlustzurechnung bei negativem Kapitalkonto und vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten

Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.11.1980, BStBl 1981 II S. 164 können einem Kommanditisten Verlustanteile aus der Gesellschaftsbilanz insoweit nicht mehr zugerechnet werden, als nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, dass ein Ausgleich des durch die Verluste aus der Gesellschaftsbilanz entstehenden oder sich erhöhenden negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können dem Kommanditisten laufende Verlustanteile aus der Gesellschaftsbilanz (einschließlich der Ergebnisse sogenannter Ergänzungsbilanzen) selbst dann nicht mehr zugerechnet werden, wenn sich der Kommanditist für Verbindlichkeiten der KG verbürgt hat.

Im Falle eines Verlustes der KG ist daher in jedem Fall zunächst zu entscheiden, ob einem Kommanditisten nach den vorstehenden Grundsätzen Verlustanteile aus der Gesellschaftsbilanz noch zugerechnet werden können. Nur soweit eine Verlustzurechnung in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob § 15a EStG anzuwenden ist (vgl. H 15a: Allgemeines EStH).

Steht fest, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt, ergibt sich bereits zu diesem Zeitpunkt in Höhe des negativen Kapitalkontos ein laufender nicht begünstigter Gewinn (vgl. den oben angegebenen Beschluss des BFH). Sind jedoch in dem Veranlagungszeitraum, in dem die vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos erfolgt, auch die Voraussetzungen des § 52 (33) Satz 3 EStG erfüllt, ist der Gewinn nach §§ 16, 34 EStG begünstigt. § 52 (33) Satz 3 EStG ist dabei auch anzuwenden, wenn eine KG aufgelöst wird und der Kommanditist sein negatives Kapitalkonto nicht ausgleichen muss (Urteil des BFH vom 11.08.1994, BStBl 1995 II S. 253). Der vorzeitigen „Nachversteuerung” unterliegt das durch Verlustanteile entstandene negative Kapitalkonto der Gesellschaftsbilanz einschließlich Ergänzungsbilanz. Dies gilt auch, soweit bisher zu Unrecht eine vorzeitige Nachversteuerung unterblieben ist. Die Nachversteuerung kann nach den Grundsätzen der Bilanzberichtigung nachgeholt werden (Urteile des BFH vom 11.02.1988, BStBl 1988 II S. 825; vom 10.12.1991, BStBl 1992 II S. 650 und vom 28.01.1992, BStBl 1992 II S. 881).

Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten auf Entnahmen zurückzuführen ist, scheidet eine vorzeitige Nachversteuerung aus. In Höhe dieser Entnahmen entsteht jedoch ein Gewinn im Zeitpunkt der Auflösung der KG bzw. des Ausscheidens des Kommanditisten, soweit dieser nicht zu Ausgleichszahlungen verpflichtet ist.

Ein positives Kapitalkonto in der Sonderbilanz des Kommanditisten mindert das vorzeitig „nachzuversteuernde” negative Kapitalkonto nicht. Dementsprechend können sich auch Bürgschaftszahlungen eines Kommanditisten, die zivilrechtlich keine auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Beitragsleistungen darstellen, auf die Höhe des vorzeitig nachzuversteuernden negativen Kapitalkontos nicht auswirken, denn die aufgrund der Bürgschaftsinanspruchnahme entstehenden Ersatzansprüche des Kommanditisten gegenüber der KG oder den persönlich haftenden Gesellschaftern stellen Sonderbetriebsvermögen dar. Die Wertlosigkeit dieser Kapitalkontenteile ist erst bei Beendigung der KG steuerlich zu berücksichtigen (vgl. 1.). Dementsprechend können auch drohende Bürgschaftsinanspruchnahmen bei der vorzeitigen Nachversteuerung nicht berücksichtigt werden.

3. Wegfall des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe bzw. Ausscheiden des Kommanditisten

Fällt ein negatives Kapitalkonto eines Kommanditisten bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe weg oder scheidet ein Kommanditist gegen Übernahme eines negativen Kapitalkontos durch den Erwerber aus der Gesellschaft aus, entsteht grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt in Höhe des negativen Kapitalkontos ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn. Dies gilt auch, soweit bisher eine vorzeitige Nachversteuerung nicht möglich war (Hinweis auf 2. Abs. 3).

Ein solcher Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich auch dann zu versteuern, wenn der Kommanditist im Außenverhältnis aufgrund einer Bürgschaftsverpflichtung weiterhin für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Kommanditist aus der Bürgschaft bereits in Anspruch genommen worden ist, jedoch noch nicht gezahlt hat, oder wenn er mit einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger ernsthaft rechnen muss und er keine realisierbaren Ausgleichs- und Rückgriffsansprüche hat (vgl. Urteile des BFH vom 30.11.1977, BStBl 1978 II S. 149; vom 26.05.1981, BStBl 1981 II S. 795 und vom 23.01.1986, BStBl 1986 II S. 623). In diesen Fällen ist in die Sonderbilanz eine Verbindlichkeit bzw. Rückstellung einzustellen. Insoweit ergibt sich ein Verlust im Sonderbetriebsvermögen, der den Veräußerungsgewinn mindert.

Bürgschaftszahlungen, die der Kommanditist während des Bestehens der Gesellschaft bzw. vor seinem Ausscheiden geleistet hat, wirken sich – soweit kein realisierbarer Ersatzanspruch besteht – ebenfalls zu diesem Zeitpunkt gewinnmindernd aus.

Soweit ein Kommanditist im Falle der Beendigung der Gesellschaft aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos wegen der zu berücksichtigenden Bürgschaftsverpflichtung keinen Veräußerungsgewinn zu versteuern hat, ist dem Komplementär gleichwohl in Höhe des weggefallenen negativen Kapitalkontos ein Verlustanteil zuzurechnen, weil seine Verbindlichkeiten sich trotz der Bürgschaftsverpflichtung/Bürgschaftszahlung des Kommanditisten nicht vermindern. An die Stelle der wegfallenden Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger aufgrund der Zahlung durch den Bürgen tritt nämlich in derselben Höhe bei dem Komplementär die Ausgleichsverpflichtung nach § 774 BGB. Drüber hinaus kann sich eine Ausgleichsverpflichtung des Komplementärs aus § 670 BGB ergeben. Ein Gewinn entsteht beim Komplementär erst dann, wenn der Bürge auf seinen Ersatzanspruch verzichtet oder der Ersatzverpflichtete mit einer Inanspruchnahme durch den Bürgen nicht mehr zu rechnen braucht (vgl. Urteil des BFH vom 22.11.1988, BStBl 1989 II S. 359).

Soweit wegen des Bestehens einer Bürgschaftsverpflichtung ein Gewinn aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos nicht besteuert worden ist und der Kommanditist tatsächlich später nicht oder nicht in vollem Umfang Zahlungen zu erbringen hat bzw. er später durch Rückgriff auf die KG, einen ihrer Gesellschafter oder Mitbürgen Ersatz seiner Aufwendungen erlangen kann, führt dies zu einer rückwirkenden Änderung des Veräußerungsgewinns und zu einer Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids für das Jahr der Auflösung der KG/des Ausscheidens des Kommanditisten gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993, BStBl 1993 II S. 897).

Sind bei der Ermittlung des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns (Veräußerungs- bzw. Aufgabeverlustes) eines Kommanditisten Bürgschaftsverpflichtungen oder Bürgschaftszahlungen berücksichtigt worden, so hat der für die Besteuerung der KG zuständige Veranlagungsbezirk deshalb zu überwachen, ob tatsächlich eine Inanspruchnahme erfolgt bzw. Zahlungen geleistet werden und ob ggf. noch Rückgriffsansprüche realisiert werden konnten.

OFD Nordrhein-Westfalen v. - S 2241 - 2014/0015 - St 113

Fundstelle(n):
EStG-Kartei NW EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2 Karte Nr. 802
EStB 2014 S. 300 Nr. 8
FR 2014 S. 823 Nr. 17
SAAAE-69349