BGH Beschluss v. - 2 StR 236/13

Geiselnahme: Erforderlicher Zusammenhang zwischen Entführung und beabsichtigter Drohung

Gesetze: § 239b StGB

Instanzenzug: Az: 110 KLs 37/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, Nötigung und Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

I.

2Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Soweit das Landgericht den Hilfsbeweisantrag zur Vernehmung der Zeugin B.   nicht ohne Rechtsfehler zurückgewiesen hat, ist auszuschließen, dass das Urteil hierauf beruht. Den Urteilsgründen, die das Revisionsgericht insoweit zusätzlich berücksichtigen kann, lässt sich hinreichend entnehmen, dass sich das Landgericht ausführlich mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin K.   auseinandergesetzt hat und bei Erwiesensein der in das Wissen der Zeugin B.   gestellten Umstände den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit der Zeugin K.   nicht ziehen wollte.

II.

3Die Sachrüge führt zur Aufhebung im Fall II.4 und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Ansonsten weist die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

41. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen - tateinheitlich begangener - Geiselnahme nicht. Zwar haben der Angeklagte und sein Mittäter die Zeugin entführt, der Angeklagte hat sie auch mehrfach mit dem Tode bedroht, falls sie die gegen ihn erstattete Anzeige bei der Polizei nicht zurücknehmen würde. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Angeklagte die Zeugin entführt hat, um sie zu einer Handlung zu nötigen, die sie während der Entführung vornehmen sollte. Zwischen der Entführung und der beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will (vgl. , BGHSt 40, 350, 355, 359) und die abgenötigte Handlung auch während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (, BGHR StGB § 239b Entführen 4; Urteil vom - 1 StR 86/05; NStZ 2006, 36 f.). Soweit der Angeklagte also (lediglich) die Absicht verfolgt hat, die Zeugin durch Entführung und qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage ihre Aussage bei der Polizei zu widerrufen (UA S. 24/25), ist der Tatbestand nicht erfüllt.

5Ob der erforderliche funktionale und zeitliche Zusammenhang angenommen werden könnte, weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung - wie der Generalbundesanwalt meint - mit einer während der Bemächtigungslage abgegebenen "Verpflichtungserklärung" des Tatopfers zur Rücknahme der Strafanzeige einen Teilerfolg erreichen wollte, der mit Blick auf das erstrebte Endziel vorbereitend wirken sollte (vgl. , BGH NStZ 2006, 36, 37), lässt sich anhand der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Den Urteilsgründen lässt sich nämlich nicht entnehmen, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass er bereits während der Bemächtigungssituation, insbesondere durch seine Todesdrohungen, erreichen wollte und konnte, dass die Zeugin sich zu diesem Zeitpunkt endgültig zur Rücknahme verpflichtet und noch vor Beendigung der Zwangslage eine derartige Erklärung abgibt.

62. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs im Fall II.4; erfasst wird auch die an sich fehlerfrei erfolgte tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen mit auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende, widerspruchsfreie Prüfung des Tatgeschehens zu ermöglichen.

73. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.4 führt insoweit zum Wegfall des Strafausspruchs und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

Appl                             Schmitt                       Krehl

             Eschelbach                          Zeng

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
FAAAE-48321