BGH Beschluss v. - 4 StR 106/13

Strafverfahren wegen Vergewaltigung: Verfahrensrüge bei Überschreitung der Höchstdauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung

Gesetze: § 229 StPO, § 337 Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 6 KLs 181 Js 23579/09

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „sexueller Nötigung - Vergewaltigung -“ in Tateinheit mit Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

21. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3Die Hauptverhandlung begann am . Nach dem 26. Hauptverhandlungstag am wurde die Hauptverhandlung „für 30 Tage unterbrochen“ und am fortgesetzt. Der 32. Hauptverhandlungstag fand am statt; danach wurde die Hauptverhandlung erneut „für 30 Tage unterbrochen“ und am fortgesetzt.

42. Dieses Verfahren beanstandet die Revision mit Recht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu Folgendes ausgeführt:

„Die zulässig erhobene Rüge der Verletzung des § 229 Abs. 2 StPO greift durch. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Hauptverhandlung, die in der Zeit vom bis zum an 26 Verhandlungstagen durchgeführt und dann bis zum einen Monat unterbrochen worden war, nach weiteren sechs Verhandlungstagen mit Beschluss vom erneut 28 Tage unterbrochen wurde (RB S. 216).

Nach § 229 Abs. 2 StPO darf eine Hauptverhandlung bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. Wird sie nicht spätestens am Tage nach Ablauf der Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen (§ 229 Abs. 4 Satz 1 StPO). Sinn dieser Bestimmung ist es, das Gericht an eine möglichst enge Aufeinanderfolge der Verhandlungstage zu binden, damit die zu erlassende Entscheidung unter dem lebendigen Eindruck des zusammenhängenden Bildes des gesamten Verhandlungsstoffs ergeht (vgl. bereits RGSt 53, 332, 334; 57, 266, 267; 62, 263, 264; BGHSt 33, 217, 218; , NJW 1996, 3019; Urteil vom - 3 StR 199/06, NJW 2006, 3077; Beschluss vom - 3 StR 254/07, NStZ 2008, 115). Sie soll gewährleisten, dass der Urteilsspruch aus dem “Inbegriff der Verhandlung” gewonnen werden kann und nicht dem Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung zuwider den Akten entnommen werden muss (vgl. , NJW 1996, 3019 mwN). Von der Unterbrechungsmöglichkeit des § 229 Abs. 2 StPO kann das Gericht grundsätzlich beliebig oft Gebrauch machen; es muss jedoch seit einer früheren Unterbrechung um einen Monat seither an weiteren zehn Tagen verhandelt worden und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgeschlossen sein.

Ungeachtet der Frage, ob das Verfahren in den Fortsetzungsterminen vom und vom in der Sache gefördert wurde (RB S. 219 f.), hat das Landgericht seit der vorangegangenen Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 StPO bis zum an allenfalls sechs Tagen verhandelt. Es hat damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unterbrechung bis zu 21 Tagen (§ 229 Abs. 1 StPO) geschaffen, eine längere Unterbrechung zu diesem Zeitpunkt schied demgegenüber aus.

Das Beruhen des Urteils im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann regelmäßig - wie auch hier - nicht ausgeschlossen werden (BGHSt 23, 224, 225; NJW 1952, 1149 f.; , NJW 1996, 3019; Beschluss vom - 3 StR 254/07, NStZ 2008, 115; Becker in LR StPO 26. Aufl. § 229 Rn. 42). Ein besonders gelagerter Ausnahmefall, in dem die Fristüberschreitung ersichtlich weder den Eindruck von der Hauptverhandlung abgeschwächt noch die Zuverlässigkeit der Erinnerung beeinträchtigt hat, liegt hier nicht vor …“

5Dem tritt der Senat bei.

63. Der Senat weist darauf hin, dass die Sache nunmehr besonderer Beschleunigung bedarf und die bisherigen Feststellungen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe nicht ausschließbar im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt (§ 21 StGB; vgl. UA 37 f.), nicht tragen.

Roggenbuck                           Cierniak                        Franke

                         Quentin                          Reiter

Fundstelle(n):
ZAAAE-39118