BAG Urteil v. - 10 AZR 200/11

(Urlaubskassenverfahren - portugiesisches Bauunternehmen - Beitragspflicht - Eingriffsnorm iSd. Art 34 EGBGB aF)

Leitsatz

1. § 2 EFZG (juris EntgFG) ist keine Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB aF.

2. § 3 EFZG ist dann als Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB aF anwendbar, wenn die betreffenden Arbeitsverhältnisse dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen.

Gesetze: Art 3 EGV 883/2004, Art 11 EGV 883/2004, Art 9 EGV 593/2008, § 7 AEntG vom , § 2 EntgFG, § 3 EntgFG, Art 34 BGBEG vom

Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 4 Ca 3844/08 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 10 Sa 109/10 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erteilung von Auskünften und auf Zahlung in Anspruch. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Beklagte nach §§ 23 EFZG verpflichtet ist, an ihre aus Portugal nach Deutschland vorübergehend entsandten Arbeitnehmer Entgelt für Zeiten zu entrichten, an denen die Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertags oder wegen unverschuldeter Erkrankung ausfällt.

2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck müssen die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zahlen. Den Beitragseinzug regelte im Anspruchszeitraum der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom in der jeweils geltenden Fassung.

3Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung portugiesischen Rechts. Sie führt arbeitszeitlich überwiegend Rohbauarbeiten aus und nimmt mit den nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern seit 1996 am Sozialkassenverfahren teil. Hinsichtlich der hier betroffenen in den Jahren 2007 und 2008 entsandten baugewerblichen Arbeitnehmer gab die Beklagte für Oktober 2007 bis Dezember 2007 sowie für April, Mai und Oktober 2008 Monatsmeldungen gegenüber dem Kläger ab. In diesen Monatsmeldungen waren die an die einzelnen Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne aufgeführt. Zugleich gab die Beklagte „Tage ohne Lohn“ an, mit denen sie die deutschen Feiertage und die Arbeitsunfähigkeitstage der Arbeitnehmer bezeichnete. Für diese „Tage ohne Lohn“ zahlte die Beklagte keine Vergütung. Im Fall der Arbeitsunfähigkeit trat die staatliche portugiesische Pflichtversicherung ein. Diese erbringt ab dem dritten Krankheitstag bzw. im Fall eines Krankenhausaufenthalts ab dem ersten Krankheitstag Leistungen an die Arbeitnehmer. Die Leistungen werden über ein Umlageverfahren finanziert, an dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligen.

4Für Oktober 2007 bis Dezember 2007 sowie für April, Mai und Oktober 2008 errechnete der Kläger für die „Tage ohne Lohn“ einen Mindestbeitrag in unstreitiger Höhe von 2.519,15 Euro.

5Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Meldungen der Beklagten entsprächen nicht den tarifvertraglichen Anforderungen. Sie seien fehlerhaft, da die Beklagte allen Arbeitnehmern, die während der Entsendung arbeitsunfähig erkrankten oder deren Arbeit wegen eines Feiertags ausfalle, Lohn nach §§ 23 EFZG schulde. Diese Vorschriften seien Eingriffsnormen im Sinne des im Streitzeitraum geltenden Art. 34 EGBGB.

Der Kläger hat beantragt,

7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, sie habe den Auskunftsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum durch die Angabe „Tage ohne Lohn“ erfüllt. Die §§ 23 EFZG seien nicht anwendbar.

Das Arbeitsgericht hat dem in erster Instanz allein gestellten Auskunftsantrag entsprochen, das Landesarbeitsgericht hat diesen ebenso abgewiesen wie den im Berufungsverfahren erstmals gestellten Zahlungsantrag. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und Verurteilung der Beklagten nach dem Zahlungsantrag.

Gründe

9Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

10I. Die Klageanträge betreffen, wie der Kläger in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, nur solche entsandten gewerblichen Arbeitnehmer, auf die im streitigen Zeitraum portugiesisches Vertragsrecht und portugiesisches Sozialversicherungsrecht anwendbar war und die im Besitz einer Bescheinigung gemäß Art. 11 der noch bis zum geltenden VO (EWG) Nr. 574/72 (Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. EG L 74 vom S. 1; in der konsolidierten Fassung der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom , ABl. EG L 28 vom S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , ABl. EU L 117 vom S. 1) waren. Soweit der Kläger Beiträge für Feiertage verlangt, bezieht sich sein Begehren, wie er ebenfalls in der Senatsverhandlung erklärt hat, ausschließlich auf etwaige Ansprüche der betreffenden Arbeitnehmer nach § 2 EFZG, nicht auf die nach portugiesischem Recht bestehenden Forderungen auf Zahlung von Feiertagslohn (vgl. Art. 259 Abs. 1 Código do Trabalho, Gesetz Nr. 99/2003 vom , jetzt Art. 269 Abs. 1 Código do Trabalho, Gesetz Nr. 7/2009 vom ).

11II. Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten die begehrten Auskünfte und Beiträge nicht verlangen. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (§§ 6, 18, 21, 22 VTV iVm. § 1 Abs. 3 AEntG in der bis zum geltenden Fassung) liegen nicht vor. Die Beklagte schuldet den betreffenden Arbeitnehmern für die maßgeblichen „Tage ohne Lohn“ kein Entgelt. Die §§ 23 EFZG finden auf die Arbeitsverhältnisse der Beklagten mit den hier betroffenen Arbeitnehmern im Anspruchszeitraum keine Anwendung.

121. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit portugiesischen Arbeitsrechts auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse vorliegen. Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit der §§ 2, 3 EFZG aufgrund einer Rechtswahl oder nach dem im Streitzeitraum geltenden Art. 30 EGBGB (vgl. jetzt Art. 8 Rom-I-VO - Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

132. Die Anwendbarkeit der §§ 23 EFZG folgt auch nicht aus Art. 34 EGBGB (vgl. jetzt Art. 9 Rom-I-Verordnung). § 2 EFZG ist keine „Eingriffsnorm“ nach Art. 34 EGBGB. Entsprechendes gilt für § 3 EFZG, soweit die Arbeitsverhältnisse von Wanderarbeitnehmern betroffen sind, auf die deutsches Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar ist.

14a) Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, der zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen (vgl.  - Rn. 31, AP GG Art. 25 Nr. 5 = EzA GVG § 20 Nr. 5; - 5 AZR 255/00 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 100, 130). Inländische Gesetze sind daher nur dann Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 EGBGB, wenn sie entweder ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den deutschen Kollisionsnormen anwendbare Recht gelten sollen. Nicht ausreichend ist, dass die betreffende Norm als Arbeitnehmerschutznorm einseitig zwingend (vgl.  - zu B II 1 der Gründe, aaO; Schlachter Anm. AP EGBGB nF Art. 30 Nr. 10; BeckOK R/G/K/U/Schönbohm VO (EG) 593/2008 Art. 9 Rn. 3) und günstiger als die nach dem an sich anwendbaren ausländischen Recht einschlägige Vorschrift ist. Art. 34 EGBGB will zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts ohne Rücksicht auf ihren Schutznormcharakter und „ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anwendbare Recht” durchsetzen (ErfK/Schlachter 12. Aufl. zu Art. 9 Rom-I-VO Rn. 21; Schlachter NZA 2000, 57; Markovska RdA 2007, 352). Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden ( - Rn. 78, BAGE 125, 24, 42; - 5 AZR 255/00 - zu B II 1 der Gründe, aaO; - 5 AZR 15/94 - zu III 1 a der Gründe, BAGE 80, 84, 92 f.; - 2 AZR 267/92 - zu IV 1 der Gründe, BAGE 71, 297, 316 f.; - 2 AZR 3/89 - zu A II 6 der Gründe, BAGE 63, 17, 30 ff.). Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwingende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwägungsgrund 37 zur Rom-I-VO ergibt, nach der der Begriff „Eingriffsnormen“ eng ausgelegt werden soll (vgl. Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski ua. Internationales Vertragsrecht 2. Aufl. Art. 9 VO (EG) 593/2008 Rn. 6).

15b) Nach diesen Maßgaben sind § 2 und § 3 EFZG nicht als Eingriffsnormen auf den Streitfall anwendbar.

16aa) Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 EFZG regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen. Sie sichert dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, die Fortzahlung der Vergütung. Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen nicht beschäftigt werden. Aus § 275 Abs. 1 BGB folgt, dass der Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen wegen Unmöglichkeit von seiner vertraglichen Leistungspflicht befreit ist. Der Arbeitgeber müsste bei Anwendung der allgemeinen schuldrechtlichen Regeln nach § 326 Abs. 1 BGB keine Arbeitsvergütung zahlen. Dem hilft § 2 Abs. 1 EFZG durch die Pflicht zur Entgeltfortzahlung ab. Die Vorschrift ist unmittelbar darauf gerichtet, dem Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch zu verschaffen, den er nach seinem Vertrag nicht hätte. Sie regelt das Austauschverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

17bb) Das im Zusammenhang mit gesetzlichen Feiertagen offenkundige öffentliche Interesse, das auch verfassungsrechtlichen Schutz genießt (, 1 BvR 2858/07 - BVerfGE 125, 39), wird nicht durch § 2 Abs. 1 EFZG, sondern durch das Feiertagsrecht geschützt. Dieses Interesse gebietet, die Erwerbsarbeit an Feiertagen grundsätzlich ruhen zu lassen. Geschützt ist damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Feiertags als eines Tags der im Grundsatz verbindlichen (vgl. § 10 ArbZG) Arbeitsruhe. Dieser Schutzzweck wird durch § 2 Abs. 1 EFZG nur mittelbar unterstützt. Wahrnehmbare Arbeitsruhe würde auch dann herrschen, wenn Arbeitnehmer - wie es für Selbstständige ohnehin weitgehend der Fall ist - an Feiertagen kein Geld verdienen könnten. § 2 Abs. 1 EFZG erleichtert den Arbeitnehmern die Einhaltung der Arbeitsruhe und weist das Vergütungsrisiko einer Vertragspartei, nämlich dem Arbeitgeber zu, ist aber nicht selbst Voraussetzung der im öffentlichen Interesse liegenden Arbeitsruhe an Feiertagen.

18cc) Die Vorschrift des § 3 EFZG ist dann als Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB anwendbar, wenn auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet und damit ein hinreichender Inlandsbezug besteht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

19dd) Auch § 3 EFZG sichert dem Arbeitnehmer, der nach allgemeinen Regeln bei Arbeitsunfähigkeit zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet ist (§ 275 Abs. 1 BGB), jedoch nach § 326 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf die Gegenleistung hätte, einen Vergütungsanspruch. Insofern dient die Vorschrift dem Ausgleich der Interessen der Parteien eines privatrechtlichen Vertrags.

20ee) Nach der Entscheidung des - 5 AZR 255/00 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 100, 130) kann es sich bei § 3 EFZG dennoch um eine Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB handeln. Das öffentliche Interesse an der in § 3 EFZG normierten Entgeltfortzahlungspflicht hat der Fünfte Senat damit begründet, dass die Pflicht des Arbeitgebers ganz wesentlich der Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen und damit mittelbar aller Beitragszahler dient. Deren Entlastung liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse und rechtfertigt es, § 3 EFZG als Eingriffsnorm einzuordnen, wenn für die betreffenden Arbeitnehmer deutsches Sozialversicherungsrecht gilt.

21ff) In Fällen, in denen die Arbeitnehmer nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, kann diese Erwägung nicht durchgreifen. Die Geltung des § 3 EFZG würde hier den Arbeitnehmern einen Anspruch verschaffen, dadurch den Arbeitgeber belasten und zu einer Entlastung allenfalls bei der ausländischen Sozialversicherung führen. § 3 EFZG hat damit in diesen Fällen keinen Bezug zum gesamtgesellschaftlichen öffentlichen Interesse in Deutschland.

22c) Auch § 7 AEntG aF (jetzt § 2 AEntG) benennt die §§ 2, 3 EFZG nicht als Eingriffsnormen. Die Vorschrift legt in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) fest, welche Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung finden. Sie ordnet die international zwingende Geltung der betreffenden deutschen Normen an. Unter den in § 2 AEntG ausdrücklich erwähnten Regelungen befinden sich auch diejenigen Vorschriften, die nach allgemeiner Auffassung als Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 EGBGB anzusehen sind, etwa die Vorschriften über Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Hygiene, Schutzmaßnahmen für Schwangere und Wöchnerinnen (vgl. § 2 Nr. 5, 6 AEntG). Hätte der Gesetzgeber auch die hier betroffenen Normen über die Entgeltfortzahlung in jedem Fall als Eingriffsnormen angesehen, so hätte es nahe gelegen, sie in den Katalog des § 2 AEntG aufzunehmen (vgl. HK-ArbR/Mayer 2. Aufl. § 2 AEntG Rn. 1).

233. Europarechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis.

24a) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 iVm. Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der VO (EG) Nr. 883/2004 (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, konkretisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ), unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, grundsätzlich allen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, die Leistungen bei Krankheit als Zweig der sozialen Sicherheit einschließlich der Verpflichtungen von Arbeitgebern betreffen. Danach würde § 3 EFZG auch für die Arbeitnehmer der Beklagten gelten. Indes besteht nach Art. 12 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 eine Ausnahme: Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst. Die Parteien haben diesen Ausnahmetatbestand dem Rechtsstreit in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmend zugrunde gelegt (siehe oben zu I); denn die entsandten Arbeitnehmer unterliegen unstreitig dem portugiesischen Sozialversicherungsrecht, sodass eine Anwendung des EFZG auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der VO (EG) Nr. 883/2004 nicht in Betracht kommt.

25b) Aus der Entscheidung des - VI ZR 105/07 - Rn. 16, BGHZ 177, 237) folgt nichts anderes. Sie besagt, dass die Anwendung der Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom , die in ihren Artikeln 4, 13 und 14 den genannten Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 weitgehend entsprechende Regelungen enthielt, regelmäßig nicht zum Verlust von Leistungsansprüchen führen darf, die nach dem nationalen Recht eines der Mitgliedstaaten ohne Rückgriff auf die Gemeinschaftsvorschriften bereits erworben worden sind. Nach deutschem Recht war ein Anspruch, dessen Verlust zu vermeiden gewesen wäre, nicht entstanden. Die nach portugiesischem Recht entstandenen Ansprüche auf Feiertagsvergütung und Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit bleiben unberührt.

26c) Die Voraussetzungen einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV liegen nicht vor. Der Streitfall betrifft schon nicht die Auslegung von Art. 12 der VO (EG) Nr. 883/2004. Vielmehr ist die genannte Ausnahmevoraussetzung dem Rechtsstreit von den Parteien in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmend zugrunde gelegt worden.

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 1920 Nr. 31
RIW 2012 S. 638 Nr. 9
TAAAE-14285