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infoCenter (Stand: November 2021)

Untersuchungs- und Rügepflichten beim Handelskauf

Dr. Hansjörg Haack, LL.M.

Dieses Dokument wird nicht mehr aktualisiert und entspricht möglicherweise nicht dem aktuellen Rechtsstand.

I. Definition der Untersuchungs- und Rügepflichten

Der Kaufvertrag ist im BGB geregelt. Ist der Kaufvertrag ein sog. Handelsgeschäft, d. h. der Vertrag gehört zum Betrieb des Handelsgewerbes eines Kaufmannes, so finden auf den Vertrag zusätzlich handelsrechtliche Vorschriften Anwendung. Die speziellen handelsrechtlichen Vorschriften für Kaufverträge betreffen u. a. den Annahmeverzug sowie bestimmte Arten des Kaufes, wie den Bestimmungs- oder Fixhandelskauf. Von besonderer Bedeutung in der Praxis sind die besonderen Untersuchungs- und Rügepflichten des Käufers beim Handelskauf. Eine Verletzung der Untersuchungs- und Rügepflicht hat erhebliche Auswirkungen auf die Gewährleistungsansprüche. Die Untersuchungs- und Rügepflicht beim Kauf ist auch in aller Regel Gegenstand von Allgemeinen Einkaufs- oder Verkaufsbedingungen (AGB).

II. Untersuchungspflicht

Die handelsrechtlichen Untersuchungs- und Rügepflichten setzen zunächst voraus, dass es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt. Erforderlich ist somit, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer Kaufleute sind und der Kaufvertrag zu ihrem Handelsgewerbe gehört.

Beispiel:

Die Untersuchungs- und Rügepflicht gilt somit nicht für Kleingewerbetreibende, die nicht im Handelsregister eingetragen sind.

Die Untersuchung durch den Käufer hat unverzüglich nach Ablieferung der Ware durch den Verkäufer zu erfolgen. Zeigt sich bei der Untersuchung ein Mangel, ist dieser dem Verkäufer wiederum unverzüglich anzuzeigen.

Die Ablieferung der Ware ist erfolgt, wenn die Sache dem Empfänger oder dem von ihm Beauftragten (beispielsweise: Spediteur oder Frachtführer) in der Art zugänglich gemacht wird, dass er sie auf ihre Beschaffenheit prüfen kann.

Wichtig:

Entscheidend ist die tatsächliche Verfügungs- und damit Untersuchungsmöglichkeit des Käufers. Ob die Untersuchung schwierig oder langwierig ist, spielt keine Rolle. Es muss allerdings eine vollständige Lieferung vorliegen. Erbringt der Verkäufer unzulässiger Weise nur eine Teillieferung, ist der Käufer nicht zur unverzüglichen Untersuchung verpflichtet.

Beispiel:

Beim Kauf einer aus Hard- und Software bestehenden Computeranlage fehlt es nach der Rechtsprechung an der Ablieferung, solange die zur Hauptleistungspflicht des Verkäufers gehörende Lieferung der Hard- und Softwarehandbücher nicht erfolgt ist. Solange diese Handbücher nicht geliefert sind, besteht auch keine Untersuchungspflicht für den Käufer.

Bei dem in der Praxis häufig vorkommenden Versendungskauf ist für den Beginn der Untersuchungspflicht danach zu differenzieren, wer den die Kaufsache transportierenden Spediteur oder Frachtführer auswählt: Wird der Transport der Kaufsache durch den Verkäufer organisiert, liegt die Ablieferung in dem Moment vor, in dem die Kaufsache dem Käufer ausgehändigt wird. In diesem Moment beginnt die Untersuchungspflicht. Wird der Transport hingegen vom Käufer organisiert, so beginnt die Untersuchungspflicht in dem Zeitpunkt, in dem die Kaufsache dem Spediteur oder Frachtführer des Käufers ausgehändigt wird. Dieses Ergebnis wird damit begründet, dass mit der Übergabe an die Transportperson der Verkäufer seine Verfügungsmacht über die Kaufsache verliert.

Die Untersuchungspflicht erstreckt sich auf Sach- und Rechtsmängel im Sinne des Zivilrechts. Maßgeblich ist somit der zivilrechtliche Mangelbegriff. Damit wird auch die sog. Falschlieferung erfasst, d.h. es wird eine andere als die tatsächlich geschuldete Ware geliefert. Auch die Lieferung einer Mindermenge (Zuweniglieferung, Mankolieferung) stellt einen Sachmangel dar.

Die Art und Weise der Untersuchung hängt davon ab, was im Einzelfall tunlich ist.

Beispiel:

Bei Lebensmitteln genügt in der Regel eine einfache Untersuchung nach Aussehen, Geruch und Geschmack . Maschinen sind in Gang zu setzen, unter Umständen sind auch längere Probeläufe durchzuführen. Bei größeren Warenmengen genügen auch aussagekräftige Stichproben.

Soweit dem Käufer die notwendige Sachkunde fehlt, muss er nötigenfalls sogar einen Sachkundigen hinzuziehen.

Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit trifft den Käufer nach der Rechtsprechung auch dann, wenn der Verkäufer die Kaufsache auf Anweisung des Käufers an einen Dritten geliefert hat. Zwar kann der Käufer die Untersuchung des Kaufobjektes seinem Abnehmer überlassen. Der Käufer hat dann aber auch dafür zu sorgen, dass der Abnehmer ihn so weit wie möglich von Mängeln unterrichtet. Bei einer vermeidbaren Verzögerung der Mängelanzeige muss sich der Käufer den hieraus entstehenden Rechtsnachteil von seinem Verkäufer entgegenhalten lassen.

Exkurs: Verdeckte Mängel

Verdeckte Mängel sind solche, die bei der Untersuchung nicht erkennbar waren. Verdeckte Mängel können sinnvoller Weise erst gerügt werden, wenn sie sich später zeigen. In diesem Fall müssen sie dann aber auch unverzüglich gerügt werden, sonst gelten sie als genehmigt. Beim verdeckten Mangel ist somit stets die Frage entscheidend, ob der Mangel bei der ersten Untersuchung auffallen musste oder nicht.

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