BFH Urteil v. - IX R 28/10 BStBl 2011 II S. 814

Keine Anwendung des Halbabzugsverbots im Rahmen von § 17 EStG bei dem Anrechnungsverfahren unterliegenden Einnahmen

Leitsatz

Bei der Ermittlung eines Auflösungsverlusts i.S. von § 17 Abs. 1, 4 EStG ist der Erwerbsaufwand nicht gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt abziehbar, wenn der Steuerpflichtige lediglich solche durch seine Beteiligung an der GmbH vermittelten Einnahmen erzielt hat, für die noch das Anrechnungsverfahren galt.

Gesetze: EStG § 3 Nr. 40 Buchst. cEStG § 3c Abs. 2EStG § 17 Abs. 1, 4EStG § 52 Abs. 4bKStG i.d.F. des StSenkG § 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war an der G-GmbH (GmbH) mit einer Stammeinlage von 13.500 €, entsprechend 50 % des Stammkapitals, beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Mit Verträgen vom und gewährte der Kläger der GmbH Darlehen in Höhe von 23.000 DM bzw. 20.000 DM. Einnahmen aus dieser Beteiligung sind dem Kläger einmalig als Gewinnausschüttungen im Jahr 2001 für das Jahr 2000 zugeflossen.

2Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde mit Beschluss des zuständigen mangels Masse abgewiesen. Die Auflösung der Gesellschaft wurde in das Handelsregister eingetragen.

3Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (2006) setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lediglich einen Verlust in Höhe von 6.750 € (statt der ursprünglich geltend gemachten 105.803 €) an.

4Die hiergegen gerichtete Klage hatte z.T. Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1588 veröffentlichten Urteil, die Klage sei in Höhe eines Teilbetrags in Höhe von 6.750 € begründet, da der Ausfall mit dem Stammkapital nicht lediglich zur Hälfte zu berücksichtigen sei. Im Übrigen stehe nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger weitere Anschaffungskosten im Zusammenhang mit der GmbH entstanden seien.

5Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung von § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) rügt. Das Halbabzugsverbot greife nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt habe, es sei aber immer dann anzuwenden, wenn eine GmbH Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter vorgenommen habe, egal wann.

6Dass im Streitfall die Ausschüttung in einem Jahr stattgefunden habe, in dem die Neuregelung des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG noch nicht gegolten habe, sei im Rahmen der vom Gesetzgeber in zulässiger Weise gewählten Typisierung unbeachtlich. Es komme nicht darauf an, dass der § 3 Nr. 40 EStG für die gewährte Ausschüttung noch nicht anwendbar gewesen sei (vgl. , EFG 2010, 318).

7Das Halbeinkünfteverfahren ziele ebenso wie das Anrechnungsverfahren auf einen Ausgleich der Körperschaftsteuer-Vorbelastung. Durch die frühere Körperschaftsteuer-Anrechnung seien also faktisch die früheren Ausschüttungen teilweise steuerfrei geblieben, weil die Körperschaftsteuer keine Steuervorauszahlung des Anteilseigners sei und die Anrechnung beim Anteilseigner somit nicht zwingend gewesen sei.

8Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2006 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Einkommensteuer 35.594 € beträgt.

9Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

II.

10Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Zutreffend hat das FG im Streitfall das Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) nicht angewandt.

111. Der Abzug von Erwerbsaufwand, insbesondere von Anschaffungskosten, ist im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus § 17 Abs. 1 und 4 EStG dann nicht gemäß § 3c Abs. 2 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt hat. Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser Aufwand steht nicht —wie dies § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlangt— in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, kommt § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht zur Anwendung; mithin ist der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar. Dies entspricht dem Gesetzeszweck des Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen (, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; , BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).

122. Setzt die begrenzte Abziehbarkeit von Erwerbsaufwand gemäß § 3c Abs. 2 EStG danach dessen wirtschaftlichen Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen voraus, so ist der Aufwand in vollem Umfang anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige lediglich solche durch seine Beteiligung an der GmbH vermittelten Einnahmen erzielt hat, für die noch das Anrechnungsverfahren galt.

13Soweit —ungeachtet des eindeutigen Gesetzeswortlauts des § 3c Abs. 2 EStG— das FA darauf verweist, das Anrechnungsverfahren habe faktisch eine ähnliche Steuerbefreiung bewirkt wie das Halbeinkünfteverfahren, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn bei Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot handelt es sich um eine gegenüber dem Anrechnungsverfahren grundlegend neue und andere Systementscheidung des Steuergesetzgebers (vgl. dazu , BFHE 231, 171, BStBl II 2011, 409). Eine Kombination beider durch Koppelung von Gewinnausschüttungen, die noch dem Anrechnungsverfahren unterfielen, mit Erwerbsaufwand, der unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstand, kommt nicht in Betracht.

143. Nach diesen Maßstäben hat das FG die Anschaffungskosten zutreffend in voller Höhe abgezogen. Denn der Kläger erzielte nicht nur zur Hälfte anzusetzende Einnahmen; die Ausschüttung, die der Kläger im Jahr 2001 erhielt, unterfiel noch nicht § 3 Nr. 40 EStG (§ 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2002, 4621).

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 814
BB 2011 S. 2134 Nr. 35
BFH/NV 2011 S. 1753 Nr. 10
BFH/PR 2011 S. 405 Nr. 11
BStBl II 2011 S. 814 Nr. 17
DB 2011 S. 2011 Nr. 36
DStR 2011 S. 1606 Nr. 34
DStRE 2011 S. 1163 Nr. 18
DStZ 2011 S. 732 Nr. 20
FR 2011 S. 1105 Nr. 23
GmbH-StB 2011 S. 292 Nr. 10
GmbHR 2011 S. 1048 Nr. 10
HFR 2011 S. 1090 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2011 S. 2922
StB 2011 S. 337 Nr. 10
StBW 2011 S. 866 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2011 S. 680
UAAAD-89821