BGH Beschluss v. - V ZB 236/10

Wohnungseigentumsverfahren: Bemessung des Interesses an der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters

Leitsatz

Das Interesse an der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters bestimmt sich nach den möglichen Ansprüchen gegen diesen und nach dem Wert, den die mit der Entlastung verbundene Bekräftigung der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung der Gemeinschaft hat. Deren Wert ist, wenn besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert fehlen, regelmäßig mit 1.000 € anzusetzen .

Gesetze: § 3 ZPO, § 49a Abs 1 S 2 GKG

Instanzenzug: Az: 29 S 61/10 Beschlussvorgehend AG Bergisch Gladbach Az: 70 C 73/09

Gründe

I.

1Der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage, in der dem Kläger neun Wohnungen gehören, rechnete im Geschäftsjahr 2007 von ihm erbrachte Bauüberwachungsleistungen im Umfang von 10.660,50 € ab und wurde für das Geschäftsjahr 2007 entlastet. Im Geschäftsjahr 2008 erklärte er sich zu einer Herabsetzung des Honorars auf 9.241,82 € bereit und erstattete der Wohnungseigentümergemeinschaft den Differenzbetrag von 1.418,68 € durch Verrechnung mit anderen unstreitigen Forderungen. Er wurde auch für das Geschäftsjahr 2008 entlastet. Einen Antrag des Klägers, gegen ihn wegen der Abrechnung rechtliche Schritte einzuleiten, lehnte die Mehrheit der Wohnungseigentümer ab. Der Kläger meint, eine Mehrheit sei wegen Vertretungshindernissen nicht zustande gekommen, und hat deshalb beide Beschlüsse angefochten. Nachdem die Wohnungseigentümer den zuletzt genannten Beschluss in einer weiteren Versammlung aufgehoben und den Antrag des Klägers erneut abgelehnt hatten, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klage gegen den Entlastungsbeschluss hat das Amtsgericht abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.500 € festgesetzt. Das Berufungsgericht hat nach einem Hinweis den Berufungsstreitwert auf 500 € festgesetzt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

II.

2Das Berufungsgericht meint, die Beschwer des Klägers liege unter 600 €. Maßgeblich sei nicht der von dem Amtsgericht festgesetzte Wert von 1.500 €. Vielmehr sei die Beschwer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise danach zu bemessen, in welcher Höhe der Kläger nach seinen Miteigentumsanteilen belastet sei. Ob sich der Wert der Verweigerung der Entlastung des Verwalters für das Geschäftsjahr 2008 überhaupt nach dem Erfolg der Rückforderung des Honorars bemessen lasse, könne offen bleiben. Auch dann liege der Wert der Beschwer des Klägers unter 600 €. Der Kläger könne nur einen seinem Anteil am Gemeinschaftseigentum entsprechenden Vorteil erwarten. Der sich danach ergebende Betrag von 814 € sei aber um die Hälfte zu kürzen, weil die Durchsetzung des Anspruchs unsicher sei und die Gemeinschaft bestandskräftig beschlossen habe, wegen der Abrechnung keine Ansprüche gegenüber dem Verwalter geltend zu machen. Der Wert der ebenfalls angegriffenen Kostenentscheidung für den erledigten Teil des Rechtsstreits sei nicht anzusetzen.

III.

3Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

41. Sie ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil das Berufungsgericht dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert hat (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschluss vom - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Eine solche Erschwerung liegt zwar nicht schon in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer und auch nicht in jeder Überschreitung des dabei gegebenen Ermessens (Senat, Beschluss vom - V ZB 193/10, juris). Bei der Bemessung der Beschwer des Klägers hat das Berufungsgericht aber nicht nur die Grenzen seines Ermessens überschritten. Seine Entscheidung ist nicht mehr nachvollziehbar.

52. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Berufung durfte nicht als unzulässig verworfen werden, weil die Beschwer des Klägers den Betrag von 600 € übersteigt.

6a) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass der von dem Berufungsgericht angesetzte Wert der Beschwer von 407 € um den Wert der Prozesskosten für den erledigten Teil des Rechtsstreits zu erhöhen wäre.

7aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erhöhen die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung (den Streitwert und) den Wert der Beschwer nicht, solange auch nur der geringste Teil der Hauptsache - wie im vorliegenden Fall - noch im Streit ist (BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 2/62, NJW 1962, 2252, 2253; vom - IX ZB 9/90, BGHR ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1 Streitwert 1; vom - IX ZR 171/91, BGHR ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1 Streitwert 2; vom - XII ZB 29/95, NJW-RR 1995, 1089, 1090). Es geht dann um den prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Dieser wird als Nebenforderung geltend gemacht und ist nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO bei der Berechnung der Beschwer nicht anzusetzen (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 92).

8bb) Diese Rechtsprechung steht, anders als der Kläger meint, auch nicht im Widerspruch zur Behandlung des Anspruchs auf Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten. Dieser erhöht zwar als Nebenforderung den Streitwert und die Beschwer nicht, solange er neben dem Hauptanspruch geltend gemacht wird, für dessen Verfolgung die Rechtsanwaltskosten angefallen sind. Der Anspruch wird aber zu einer den Streitwert und den Wert der Beschwer bestimmenden Hauptforderung, sobald und soweit die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa weil eine auf die Hauptforderung oder einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung erklärt worden ist (, VersR 2008, 557 f.). Diese Überlegung lässt sich auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht übertragen. Über die Kosten des laufenden Prozesses ist auch nach einer übereinstimmenden Teilerledigungserklärung nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht isoliert, sondern einheitlich zu entscheiden, solange noch ein Teil der Hauptsache im Streit ist. Das führt dazu, dass im Rahmen der Entscheidung über den noch streitigen Teil des Rechtsstreits von Amts wegen auch über die für den erledigten Teil anfallenden Kosten entschieden wird (, VersR 2008, 557, 558). Der Kostenerstattungsanspruch für den erledigten Teil des Rechtsstreits bleibt damit Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

9b) Der Wert des noch anhängigen Teils der Anfechtungsklage übersteigt aber für sich genommen den Betrag von 600 €.

10aa) Er entspricht, wovon das Berufungsgericht noch zutreffend ausgeht, dem Interesse des Klägers an der Aufhebung der Entlastung des Verwalters. Bei der Bemessung dieses Interesses ist der Wert von Forderungen gegen den Verwalter zu berücksichtigen, wenn die Entlastung wegen solcher Forderungen verweigert wird oder verweigert werden soll. Denn in der Entlastung liegt dann ein negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 Abs. 2 BGB (Senat, Beschluss vom - V ZB 11/03, BGHZ 156, 20, 25 f.). Zu berücksichtigen ist bei der Bemessung des Interesses aber auch der Zweck, den die Entlastung des Verwalters neben der Verzichtswirkung hat. Sie dient nämlich dazu, die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen (Senat, aaO S. 27 f.).

11bb) Der Wert der Entlastung kann hier nicht nach dem Wert der Rückforderung des Honorars bemessen werden. Dafür muss nicht entschieden werden, ob die Abrechnung des Honorars überhaupt Gegenstand der Entlastung für das Geschäftsjahr 2008 ist. Die Gemeinschaft hat nämlich schon während des Verfahrens erster Instanz bestandskräftig beschlossen, wegen dieser Abrechnung keine Ansprüche gegen den Verwalter geltend zu machen. Andere Ersatzansprüche, nach denen der Wert der Entlastung bemessen werden könnte, sind nicht erkennbar. Das hat zur Folge, dass der Wert der Beschwer des Klägers nicht nach der Verzichtswirkung der Entlastung bestimmt werden kann. Es kann deshalb offen bleiben, ob, was zweifelhaft ist, die Beschwer des Klägers mit Rücksicht auf die Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung der von ihm behaupteten Ansprüche zu kürzen wäre.

12cc) Die Beschwer des Klägers bestimmt sich dann aber nach dem Wert, den die neben etwaigen Forderungen zu berücksichtigende vertrauensvolle Zusammenarbeit hat. Dieser wird sich nicht ohne weiteres in einem Prozentsatz der Gesamtabrechnung für das Wirtschaftsjahr bemessen lassen (so aber offenbar OLG Köln, NZM 2003, 125; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., § 49a GKG Rn. 12 - Verwalterentlastung). Er hängt im Regelfall nicht von dem Volumen der Abrechnung ab und ist deshalb dann nach billigem Ermessen zu bestimmen. Fehlen, wie hier, besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert, erscheint ein Wert von 1.000 € sachgerecht (so: LG Dessau-Roßlau, ZMR 2009, 794; wohl auch: Jennißen/Suilmann, WEG, 2. Aufl., § 49a GKG Rn. 20). Das Interesse der Wohnungseigentümer an der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Gemeinschaft ist nicht teilbar und bei allen Wohnungseigentümern dasselbe.

133. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG dem Wert des Interesses des Klägers, mithin 1.000 €.

Krüger                                    Schmidt-Räntsch                                    Roth

                    Brückner                                                Weinland

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 6 Nr. 22
NJW-RR 2011 S. 1026 Nr. 15
NAAAD-82564