BAG Urteil v. - 3 AZR 529/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrAVG § 1; BetrAVG § 1b Abs. 5 S. 1; BetrAVG § 30f Abs. 1 S. 1 Hs. 2; BGB § 952; BGB § 985; ZPO § 50

Instanzenzug: LAG Baden-Württemberg, 20 Sa 106/06 vom ArbG Ulm, 9 Ca 242/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hat und von der Beklagten die Abtretung der Rechte aus einer Direktversicherung verlangen kann.

Die am geborene Klägerin war vom bis einschließlich bei der Beklagten, einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, beschäftigt. Für die Klägerin wurde "als betriebliche Altersversorgung" eine Direktversicherung abgeschlossen. In der "Urkunde über eine betriebliche Altersversorgung" vom vereinbarten die Parteien die Geltung der "auf der Rückseite genannten Richtlinien". Diese enthielten folgende Bestimmungen:

"2. Bezugsrecht

Aus dieser Versicherung sind Sie sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall unter den folgenden Vorbehalten unwiderruflich bezugsberechtigt.

Uns bleibt das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für uns in Anspruch zu nehmen,

- wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalls endet und Sie zu diesem Zeitpunkt noch keine unverfallbare Anwartschaft nach § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung haben.

Unverfallbar ist Ihre Anwartschaft dann, wenn Sie zum Zeitpunkt Ihres Ausscheidens das 35. Lebensjahr vollendet haben und die Versicherung 10 Jahre bestanden hat

oder

wenn Sie zum Zeitpunkt Ihres Ausscheidens das 35. Lebensjahr vollendet, das Arbeitsverhältnis 12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre bestanden haben.

- wenn Sie Handlungen begehen, die uns das Recht geben, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen.

...

5. Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Endet Ihr Arbeitsverhältnis, ohne daß die Ansprüche aus der Versicherung uns zustehen, so erklären wir sowohl Ihnen als auch der Sparkassen-Versicherung Lebensversicherung AG, daß Ihre Versorgungsansprüche auf die Leistungen begrenzt sind, die aufgrund unserer Beitragszahlung aus dem Versicherungsvertrag fällig werden (§ 2 (2) Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung).

Wir werden dann innerhalb von 3 Monaten eine eventuelle Beleihung rückgängig machen, etwaige Beitragsrückstände ausgleichen und die Versicherung auf Sie übertragen. Sie können diese als Einzelversicherung nach dem dann geltenden Tarif gegen laufende Beitragszahlung bei der SparkassenVersicherung Lebensversicherung AG fortführen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist eine Abtretung, Beleihung oder ein Rückkauf insoweit unzulässig, als die Versicherung auf unseren Beiträgen beruht.

..."

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete durch ordentliche, auf wirtschaftliche Gründe gestützte Kündigung der Beklagten vom mit Ablauf des . Die Versicherungsgesellschaft teilte der Klägerin mit Schreiben vom mit, dass "der Versicherungsvertrag mit einem Policendarlehen belastet" sei.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt. Zum einen sei die gesetzliche Unverfallbarkeitsfrist (Versorgungsdauer von 5 Jahren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses) erreicht gewesen. Dies ergebe sich aus § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG iVm. § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Halbs. 2 BGB. Im Übrigen komme es auf die Dauer der Versorgungszusage nicht an. Denn es liege eine Entgeltumwandlung vor. Durch die Direktversicherung hätten die zahlreichen von der Klägerin geleisteten Überstunden ausgeglichen werden sollen.

Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Rechte aus der bei der Sparkassen-Versicherung Lebensversicherungs AG, Löwentorstraße 65, 70376 Stuttgart, unter der Vertragsnummer 22339 1153 abgeschlossenen KapitalLebensversicherung im Wert der bis zum angesparten Versicherungssumme an die Klägerin abzutreten, den auf sie lautenden Versicherungsschein mit der Nummer 22339 1153 an die Klägerin herauszugeben und der Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf die Klägerin gegenüber der SparkassenVersicherung Lebensversicherungs AG zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nicht zu der geforderten Übertragung der Direktversicherung verpflichtet zu sein. Die Versorgungsanwartschaft der Klägerin wäre nach der Übergangsregelung des § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Halbs. 1 BGB erst am unverfallbar geworden. Das Arbeitsverhältnis habe jedoch bereits mit Ablauf des geendet. Die Voraussetzungen für eine vertragliche Unverfallbarkeit seien nicht erfüllt. Eine Entgeltumwandlung sei nicht vereinbart worden.

Das Arbeitsgericht hat der noch anhängigen Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem noch anhängigen Klageantrag zu Recht stattgegeben.

A. Die Klage ist zulässig. Die Beklagte ist als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aktiv und passiv parteifähig (ständige Rechtsprechung des BGH seit dem - BGHZ 146, 341). Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben sich das - 1 BvR 1103/02 - NJW 2002, 3533 = ZIP 2002, 2214), der - IX R 83/00 - BFHE 206, 162), das - B 3 KR 12/03 R - SozR 4-5425 § 24 Nr. 5) und das - 5 AZR 597/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 113, 50; bestätigt ua. durch - 9 AZR 819/06 - Rn. 14, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17) angeschlossen. Daran hält der Senat fest. Neue, bisher nicht geprüfte Argumente sind nicht vorgebracht worden.

B. Die noch anhängigen Klageanträge sind auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche zu. Die Beklagte ist verpflichtet, die Versicherung auf die Klägerin zu übertragen, also für einen Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft zu sorgen und die dafür notwendigen Erklärungen gegenüber dem Versicherer abzugeben. Anspruchsgrundlage sind die in der "Urkunde über eine betriebliche Altersversorgung" vom iVm. Nr. 5 der Richtlinien (RL) getroffenen Vereinbarungen.

I. Die Übertragungsverpflichtung der Beklagten setzt nach Nr. 5 Abs. 1 RL eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus, ohne dass die Ansprüche aus der Versicherung der Arbeitgeberin zustehen. Die Klägerin ist vor Eintritt des Versorgungsfalles und damit "vorzeitig" im Sinne des Betriebsrentenrechts ausgeschieden. Wem die Ansprüche aus der Versicherung zustehen, hängt nach Nr. 2 RL davon ab, ob die Klägerin mit oder ohne gesetzlich unverfallbare Versorgungsanwartschaft ausschied. Davon geht auch die Beklagte aus. Sie lehnt die Übertragung der Versicherung deshalb ab, weil nach ihrer Ansicht die Klägerin keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Versorgungsanwartschaft der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzlich unverfallbar. Dies ergibt sich zwar nicht aus einer Entgeltumwandlung, auf die sich die Klägerin beruft. Es ist aber die Unverfallbarkeitsfrist des § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG erfüllt.

1. Ab erteilte, auf Entgeltumwandlungen beruhende Versorgungszusagen führen nach § 1b Abs. 5 BetrAVG zur sofortigen Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften. Diese gesetzliche Unverfallbarkeit gilt aber nicht für Versorgungszusagen, die - wie hier - vor dem erteilt wurden (§ 30f Abs. 1 Satz 2 BetrAVG).

Vor Inkrafttreten des § 1b Abs. 5 BetrAVG war zwischen gesetzlicher und vertraglicher Unverfallbarkeit zu unterscheiden. Bei einer Entgeltumwandlung war in der Regel davon auszugehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine von vornherein vertraglich unverfallbare Anwartschaft einräumen wollte (zu dieser Auslegungsregel vgl. ua. - zu 4 b der Gründe, BAGE 73, 209; - 3 AZR 622/94 - zu I 1 b aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 7). Für eine Entgeltumwandlung reichte es jedoch nicht aus, dass die Klägerin anderweitig nicht entlohnte Überstunden erbrachte. Vielmehr hätten die Parteien vereinbaren müssen, dass die Ansprüche der Klägerin auf Überstundenvergütung in eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung umgewandelt werden sollten (vgl. die an die frühere Rechtsprechung anknüpfende Definition der Entgeltumwandlung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG). Für eine derartige Vereinbarung fehlt ein ausreichend substantiierter Vortrag der Klägerin. Hierauf kommt es allerdings nicht an, weil auch eine arbeitgeberfinanzierte Versorgungsanwartschaft bereits gesetzlich unverfallbar war.

2. Nach der Übergangsregelung des § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG genügt es, wenn "die Zusage ab dem fünf Jahre bestanden hat". Dies trifft im vorliegenden Fall zu, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat.

a) Der Beginn der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist des § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG knüpft nicht an ein bestimmtes Ereignis oder einen in den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt an. Ebenso wenig ist in § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG von einem fiktiven Ereignis die Rede. Maßgeblich ist der Beginn eines Tages (). Nach § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Demgemäß endet die Frist nach § 188 Abs. 2 Halbs. 2 BGB "mit dem Ablauf desjenigen Tages ... des letzten Monats, welcher dem Tag vorhergeht, der durch ... seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht".

b) Die Unverfallbarkeitsfrist des § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG war demnach mit Ablauf des erfüllt. Es genügt, dass die Versorgungszusage beim Ausscheiden fünf Jahre "bestanden hat" und die Unverfallbarkeitsfrist gleichzeitig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abläuft. Dies steht im Einklang mit § 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Die Zusagedauer ist eine Mindestfrist, die erreicht, aber nicht überschritten sein muss. Im Gegensatz dazu muss bei der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG das Arbeitsverhältnis "länger" als sechs Monate bestanden haben. Bei diesen unterschiedlichen Formulierungen handelt es sich nicht um ein Versehen.

II. Die Beklagte ist sowohl nach § 985 BGB als auch aufgrund ihrer vertraglichen Pflichten aus dem Versorgungsverhältnis zur Herausgabe des Versicherungsscheins verpflichtet. Das Eigentum an diesem Papier steht nach § 952 Abs. 2 BGB dem Inhaber des Anspruchs auf die Versicherungsleistungen zu ( - zu B I der Gründe mwN, BAGE 92, 1). Es spielt keine Rolle, wenn die Beklagte nicht unmittelbare Besitzerin (§ 854 BGB), sondern nur mittelbare Besitzerin (§ 868 BGB) des Versicherungsscheins ist. Sie hat durch Rückgängigmachen der Beleihung dafür zu sorgen, dass die Klägerin den unmittelbaren Besitz am Versicherungsschein erlangt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 213 Nr. 5
BB 2009 S. 2702 Nr. 50
BB 2010 S. 447 Nr. 8
DB 2009 S. 2724 Nr. 50
DStR 2009 S. 330 Nr. 7
FAAAD-31511

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein