BFH Beschluss v. - V B 160/07

Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG bei Abriss eines Altbaus und Errichtung eines Neubaus; Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Gesetze: UStG § 27 Abs. 2, UStG § 9 Abs. 2, UStG § 4 Nr. 12, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist die Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 in der ab dem geltenden Fassung.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nach ihrem Gesellschaftsvertrag beabsichtigte, ein Grundstück in G mit einem Verbrauchermarkt zu bebauen und zu vermieten.

Das Bauvorhaben wurde zunächst von einer KG betreut und abgewickelt. Die KG schloss im Jahr 1993 mit der Stadt G einen —den Bebauungsplan ersetzenden— „Vorhabens- und Erschließungsplan”, der Grundlage für den Abbruch des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes und den anschließenden Neubau geworden ist. Der Antrag auf einen Bauvorbescheid für den Neubau eines Verbrauchermarktes vom und die Abbruchgenehmigung vom sind an die KG gerichtet, die in beiden Bescheiden als „Bauherr” bezeichnet wird. Gleiches gilt für die endgültige Baugenehmigung vom . Ein Hinweis auf die Klägerin als Vertretene (Begünstigte, usw.) ist den Bescheiden nicht zu entnehmen.

Die Abbrucharbeiten sind nach Darstellung der Klägerin bereits im Oktober 1993 durchgeführt worden. Bebaut wurde das Grundstück ab März 1994.

Nachdem die Eigentumsverhältnisse geklärt werden konnten, erwarb die Klägerin im März 1995 das Grundstück.

Nach Fertigstellung vermietete die Klägerin das Grundstück ab Juli 1995 an die KG als Generalmieter. Diese vermietete Teile des Objekts an eine Sparkasse und zwei Arztpraxen.

Die Klägerin verzichtete gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1994 bis 1996 (Streitjahre) Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes geltend.

Sie berief sich dabei auf die bis zum gültige Fassung des § 9 Abs. 2 UStG, wonach der Verzicht auf die Steuerbefreiung möglich war, soweit —wie im Streitfall— das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken diente. Die zum in Kraft getretene Einschränkung des § 9 Abs. 2 UStG, wonach der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei der Vermietung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) nur zulässig ist, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, sei nicht anwendbar, weil die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG eingreife. Denn mit der Errichtung des Grundstücks sei vor dem begonnen worden. Hierfür sei auch die Durchführung von Abbrucharbeiten ausreichend, wenn diese in unmittelbarem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit nachfolgenden Bauarbeiten ständen, wie sich aus Abschn. 148a Abs. 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) ergebe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1994 bis 1996 vom ab. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf die Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG i.V.m. Abschn. 148a Abs. 5 UStR berufen, „weil sie die Entscheidung zu bauen, in 1993 nicht nach außen kenntlich gemacht hat”. Im streitentscheidenden Zeitraum (bis ) sei allein die KG Ansprechpartner für Behörden, Kommunen etc. gewesen. Sie, die Klägerin, sei erst zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. Auftrag über die Rohbauarbeiten im Februar 1994, Grundstückskaufvertag in 1995) Dritten gegenüber in Erscheinung getreten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie beantragt, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet.

1. Soweit die Klägerin Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen Abweichung der Vorentscheidung von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) begehrt, liegt diese Abweichung nicht vor.

a) Die von der Klägerin hierzu genannten (BFHE 203, 200, BStBl II 2004, 28), vom V R 46/02, BFH/NV 2005, 1882) und vom V R 74/03 (BFH/NV 2006, 1164) betreffen andere Sachverhalte, nämlich den Umbau eines Altbaus. Nach diesen Urteilen sind beim Umbau eines vermieteten (oder zur Vermietung bestimmten) Altbaus folgende Fälle zu unterscheiden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1882, unter 4.):

- Für vermietete Altbauten, die vor dem errichtet worden sind, ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze nach § 9 Abs. 2 UStG a.F. ohne jede zeitliche Beschränkung möglich. Dies gilt auch, wenn der Vermieter den Altbau nach dem erworben hat.

- Hat der Vermieter nach dem Erhaltungsaufwendungen für den Altbau getätigt, ändert dies nichts daran, dass mit der Errichtung des Gebäudes vor dem begonnen worden ist.

- Hat der Vermieter nach dem Aufwendungen für den Altbau getätigt, die zu Herstellungskosten des Gebäudes führen, ist zu unterscheiden, ob es sich um nachträgliche Herstellungskosten handelt, weil sie zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung des Gebäudes führen, oder ob sie zur Herstellung eines neuen Gebäudes (Neubaus) führen. Nur im zuletzt genannten Fall ist mit der Errichtung des Gebäudes nach dem begonnen worden.

Dass die vorstehende Rechtsprechung sich allein auf Fälle des Umbaus eines Altbaus beschränkt, ergibt sich auch aus dem Urteil in BFH/NV 2006, 1164, in dem es u.a. heißt (unter II. b bb): „Anhaltspunkte dafür, dass die Renovierung zu einem Neubau geführt hat, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.”

b) Im vorliegenden Streitfall geht es dagegen nicht um den Umbau eines Altbaus, sondern um den Abriss eines Altbaus und die Errichtung eines Neubaus. Eine Divergenz ist aber nicht gegeben, wenn dem angeblich divergierenden Urteil kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 15/06, BFH/NV 2006, 1654, unter 3.; vom III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844, unter 2.).

2. Die Revision kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit zugelassen werden.

a) Zwar ist die Revision auch dann zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer „greifbar gesetzwidrigen” Entscheidung geführt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597; vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632; vom II B 65/05, BFH/NV 2006, 813).

Voraussetzung ist, dass die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 113). Diese Voraussetzung kann z.B. vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (vgl. BFH in BFH/NV 2003, 1597) oder wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. , BFH/NV 2006, 1116). Unterhalb dieser Grenze liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. , BFH/NV 2005, 2031).

b) Die Klägerin meint, ein solcher schwerwiegender Rechtsfehler sei im Streitfall in zweifacher Hinsicht gegeben. Zum einen habe das FG „entgegen der Rechtsprechung des BFH die objektbezogen zum maßgeblichen Stichtag vorliegende Investitionsabsicht subjektbezogen für die Klägerin eingefordert"; zum anderen habe das FG „die von ihm angewendeten Rechtsgrundlagen in so eklatanter Weise objektiv willkürlich angewendet, dass die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist”.

c) Mit diesen Ausführungen hat die Klägerin keine greifbare Gesetzwidrigkeit der Vorentscheidung dargelegt.

Zum einen liegt —wie unter II. 1. ausgeführt— die von der Klägerin angenommene Divergenz des FG-Urteils zur Rechtsprechung des BFH nicht vor.

Zum anderen hat das FG nicht —wie die Klägerin meint— Abschn. 148a Abs. 5 Satz 5 UStR „Gesetzesrang beigemessen” und „den Richtlinieninhalt in sein Gegenteil verkehrt”. Vielmehr hat das FG die —zumindest rechtlich vertretbare— Auffassung vertreten, auf die Übergangsregelung in § 27 Abs. 2 UStG könne sich nur berufen, wer vor dem nach außen kenntlich gemacht habe, dass er (selbst) ein Gebäude errichten wolle.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1544 Nr. 9
VAAAC-83999