BVerwG Urteil v. - 2 C 30.07

Leitsatz

Bei der Umbildung und Neuorganisation einer Körperschaft können deren Beamte verlangen, dass ihnen ein ihrem Statusamt entsprechender Aufgabenbereich übertragen wird.

Gesetze: GG Art. 33 Abs. 5; GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 n.F.; GG Art. 125a Abs. 1 n.F.; BRRG § 18; BRRG § 23; BRRG § 123a Abs. 3; BRRG §§ 128 ff.; VwGO § 173; ZPO § 560; BayBG Art. 37; BayGO Art. 89 Abs. 1; BayGO Art. 90 Abs. 5

Instanzenzug: VG Augsburg VG Au 2 K 00.665 vom VGH München VGH 3 BV 03.1375 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

I

Der Kläger ist Leitender Verwaltungsdirektor (BesGr A 16) bei dem Beklagten. Er war bis Ende 1999 als dessen stellvertretender Geschäftsleiter eingesetzt. Mit Wirkung zum Jahresbeginn 2000 wandelte der Beklagte seinen damaligen Regiebetrieb "Zentralklinikum A. und Krankenhaus H." in ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts um, die Beigeladene. Mit dem damit verbundenen Übergang der Dienstgeschäfte vom Beklagten auf die Beigeladene wurde der Kläger dieser zur Dienstleistung zugewiesen, verlor jedoch die Funktion des stellvertretenden Geschäftsführers. Der Beklagte selbst unterhält seit der Umorganisation nur noch eine Verbandsgeschäftsstelle, die mit den laufenden Verwaltungsangelegenheiten betraut ist und von einem nebenamtlichen Geschäftsführer geführt wird.

Die zunächst gegen den Zuweisungsbescheid des Beklagten gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Klage auf den Antrag beschränkt, den Beklagten zu verurteilen sicherzustellen, dass er bei dem Kommunalunternehmen seinem statusrechtlichen Amt entsprechend amtsangemessen beschäftigt werde. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beklagte habe seine Pflicht als Dienstherr, den Kläger amtsangemessen zu verwenden, nicht verletzt. Zwar sei der dem Kläger bei der Beigeladenen übertragene Aufgabenbereich nach dem Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands vom wegen des Wegfalls von Leitungsfunktionen einer Stelle der Besoldungsgruppe A 15 zuzuordnen, doch müsse der Kläger dies hinnehmen. Ein Beamter könne zwar grundsätzlich beanspruchen, amtsangemessen beschäftigt zu werden. Dieses Recht dürfe aber nicht dazu führen, dass ein aus einem Regiebetrieb entstandenes Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts an einer grundlegenden strukturellen Neugliederung gehindert werde, weil es gezwungen sei, die vorgefundenen Personalverhältnisse zu übernehmen. Deshalb müsse der Anspruch eines Beamten auf amtsangemessene Aufgabenzuweisung in dem Rahmen zurückstehen, in dem die ebenfalls mit hohem rechtlichem Gewicht ausgestattete Organisationshoheit des Kommunalunternehmens in Frage stehe. Dies folge aus dem Grundsatz der praktischen Konkordanz.

Mit der Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt,

und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten sicherzustellen, dass der Kläger bei der Beigeladenen dem statusrechtlichen Amt eines Leitenden Verwaltungsdirektors (BesGr A 16) entsprechend beschäftigt wird.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist begründet. Der Kläger kann von dem Beklagten verlangen, dass ihm bei der Beigeladenen auf Dauer ein Dienstposten übertragen wird, der dem Statusamt eines Leitenden Verwaltungsdirektors (BesGr A 16) entspricht.

Der dem Kläger bei der Beigeladenen übertragene Dienstposten ist nicht amtsangemessen. Der ihm zugewiesene Aufgabenbereich entspricht nicht dem Statusamt eines Leitenden Verwaltungsdirektors (BesGr A 16), sondern dem Statusamt eines Verwaltungsdirektors (BesGr A 15). Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes vom . An diese rechtliche Bewertung ist der Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO wie an tatsächliche Feststellungen des Tatsachengerichts gebunden (stRspr, vgl. u.a. - NJW 1993, 935 <937>). Denn der Verwaltungsgerichtshof hat sich der Bewertung dieses Gutachtens angeschlossen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen nicht umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat. Seine Würdigung ist vollständig und rechtlich möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze (stRspr, vgl. u.a. IVb ZR 23/86 - NJW 1987, 1557 <1558>).

Der Rechtssatz des Berufungsgerichts, der Anspruch des Klägers auf Übertragung einer amtsangemessenen Aufgabe trete in Anlehnung an die §§ 128 ff. BRRG nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz gegenüber dem Organisationsrecht der Beigeladenen zurück, verletzt revisibles Recht.

Diese Vorschriften sind weder unmittelbar noch analog anwendbar. Sie regeln die Rechtsstellung der Beamten und Versorgungsempfänger bei der Umbildung von Körperschaften. Nach § 130 Abs. 1 BRRG ist einem Beamten, der in den Dienst einer anderen Körperschaft kraft Gesetzes übergetreten ist oder von ihr übernommen werden soll, ein seinem bisherigen Amt nach Bedeutung und Inhalt ohne Rücksicht auf Dienststellung und Dienstalter gleich zu bewertendes Amt zu übertragen. Wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich ist, finden § 18 Abs. 2 Satz 2 und § 23 Abs. 3 Nr. 3 BRRG entsprechende Anwendung. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 BRRG kann bei der Auflösung oder einer wesentlichen Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Behörde oder der Verschmelzung von Behörden ein Beamter, dessen Aufgabengebiet davon berührt wird, auch ohne seine Zustimmung in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt im Bereich desselben Dienstherrn versetzt werden, wenn eine seinem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich ist. Dabei muss das Endgrundgehalt mindestens demjenigen des Amtes entsprechen, das der Beamte vor dem bisherigen Amt innehatte.

Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften würde voraussetzen, dass die Umwandlung des Regiebetriebes in ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts den Verlust oder die Veränderung des Statusamtes des Klägers zur Folge hat. Das ist nicht der Fall. Das Statusamt des Klägers blieb unverändert; verändert wurde lediglich sein Funktionsamt. Voraussetzung einer analogen Anwendung der §§ 128 ff. BRRG wäre die Annahme einer planwidrigen Lücke der gesetzlichen Regelung. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Gesetzgeber übersehen hat, die rechtlichen Auswirkungen der Umbildung von Körperschaften auch auf das Funktionsamt zu regeln. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass er eine den §§ 128 ff. BRRG vergleichbare Regelung geschaffen hätte, wenn er dies beabsichtigt hätte.

Der Anspruch des Klägers auf Übertragung einer amtsangemessenen Aufgabe ergibt sich aus Art. 90 Abs. 5 Satz 3 GO und Art. 37 BayBG i.V.m. § 123a BRRG.

Art. 90 GO enthält Regelungen über die Organe und das Personal des Kommunalunternehmens. Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt die Vorschrift hinsichtlich ihrer dienstrechtlichen Regelungen (vgl. § 127 Nr. 2 BRRG; BVerwG 2 C 19.97 - BVerwGE 106, 324 <327>). Hierzu gehört Art. 90 Abs. 5 Satz 1 GO. Danach kann Beamten in einem Regie- oder Eigenbetrieb, der nach Art. 89 Abs. 1 Satz 1 GO ganz oder teilweise in ein Kommunalunternehmen umgewandelt wird, im dienstlichen oder öffentlichen Interesse mit ihrer Zustimmung eine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit bei dem Kommunalunternehmen zugewiesen werden. Nach dem ebenfalls revisiblen Art. 90 Abs. 5 Satz 3 GO bleibt die Rechtsstellung des Beamten unberührt. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus Art. 37 BayBG i.V.m. § 123a Abs. 3 BRRG. Diese rahmenrechtliche Vorschrift gilt gemäß Art. 125a Abs. 1 GG i.d.F. des Gesetzes vom (BGBl I S. 2034) als Bundesrecht fort. Denn sie gehört hinsichtlich der die Rechtsstellung zugewiesener Beamter betreffenden Regelungen zum Statusrecht, für das der Bund weiterhin die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit besitzt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG i.d.F. des Gesetzes vom , a.a.O.). Art. 90 Abs. 5 Satz 3 GO, § 123 Abs. 3 BRRG stellen klar, dass der Status des Beamten, d.h. das Amt im statusrechtlichen Sinne, nicht durch oder infolge einer Zuweisung beeinträchtigt werden darf. Daraus folgt:

Einem Beamten wird neben dem Amt im statusrechtlichen Sinne auch ein Amt im abstrakt- und konkret-funktionellen Sinne übertragen. Das statusrechtliche Amt wird grundsätzlich durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, durch das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und durch die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung gekennzeichnet. In abstrakter Weise wird dadurch seine Wertigkeit in Relation zu anderen Ämtern zum Ausdruck gebracht ( BVerwG 2 C 41.80 - BVerwGE 65, 270 <272>, vom - BVerwG 2 C 16.88 - BVerwGE 87, 310 <313>, vom - BVerwG 2 C 11.04 - BVerwGE 123, 107 <110> m.w.N. und vom - BVerwG 2 C 26.05 - BVerwGE 126, 182 <183 f.>; stRspr). Das Amt im funktionellen Sinne bezieht sich auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten. Das konkret-funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragene Funktion, seinen Aufgabenbereich. Das abstrakt-funktionelle Amt knüpft ebenfalls an die Beschäftigung des Beamten an, jedoch im abstrakt verstandenen Sinne. Gemeint ist der einem statusrechtlichen Amt entsprechende Aufgabenkreis, der einem Inhaber dieses Statusamtes bei einer bestimmten Behörde auf Dauer zugewiesen ist ( - BVerfGE 70, 251 <266 ff.>; BVerwG 2 C 13.71 - BVerwGE 40, 104 <107> und vom - BVerwG 2 C 41.80 - a.a.O. S. 272 f.). Wie der Beamte grundsätzlich in Ausübung seines Amtes nur solche Tätigkeiten zu verrichten braucht, die seinem Status entsprechen (vgl. z.B. BVerwG 2 C 11.04 - a.a.O. S. 110 f.), so ist umgekehrt regelmäßig mit der Übertragung des Amtes im abstrakt-funktionellen Sinne die Verleihung des diesen Funktionen zugeordneten Amtes im statusrechtlichen Sinne verknüpft ( - a.a.O.).

Im Rahmen dieser Vorgaben liegt es im Ermessen des Dienstherrn, den Inhalt des abstrakt- und des konkret-funktionellen Amtes festzulegen ( BVerwG 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53 <56>). Das bedeutet aber auch, dass der Dienstherr gehalten ist, dem Beamten solche Funktionsämter zu übertragen, die in ihrer Wertigkeit dem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechen ( BVerwG 6 C 44.72 - BVerwGE 49, 64 <67 f.>, vom - BVerwG 2 C 41.89 - BVerwGE 89, 199 <200> und vom - BVerwG 2 C 11.04 - a.a.O. S. 109; stRspr). Damit wird dem Beamten zwar kein Recht auf unveränderte oder ungeschmälerte Ausübung eines bestimmten Amtes im funktionellen Sinne gewährt. Er muss vielmehr Änderungen seines abstrakten und konkreten Aufgabenbereiches nach Maßgabe seines statusrechtlichen Amtes hinnehmen ( - BVerfGE 43, 242 <283>; - BVerfGE 52, 303 <354 f.>; BVerwG 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <150>, vom - BVerwG 2 C 41.89 - a.a.O. S. 201 und vom - BVerwG 2 C 27.03 - a.a.O. S. 56). Bei jeder sachlich begründbaren Änderung der dem Beamten übertragenen Funktion muss ihm jedoch stets ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich verbleiben ( BVerwG 2 C 30.78 - a.a.O. S. 150 f., vom - BVerwG 2 C 41.89 - a.a.O. und vom - BVerwG 2 C 20.94 - BVerwGE 98, 334 <338>). Ohne seine Zustimmung darf dem Beamten diese Beschäftigung weder entzogen, noch darf er auf Dauer unterwertig beschäftigt werden ( - a.a.O.; BVerwG 2 C 16.88 - a.a.O. S. 315).

Die statussichernden Bestimmungen gemäß Art. 90 Abs. 5 Satz 3 GO und § 123 Abs. 3 BRRG tragen der verfassungsrechtlichen Lage Rechnung. Denn der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gewährleistet (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 74/60 - BVerfGE 12, 81 <87>, vom - 2 BvR 129/63 - BVerfGE 15, 298 <302>, vom - 2 BvR 570, 571, 629, 630, 189, 218, 331, 617, 621, 627, 536, 574, 631/76 - BVerfGE 56, 146 <162> sowie Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 1327/87, 2 BvR 420/90, 2 BvR 1544/90 - NVwZ 1994, 473 und vom - 2 BvR 136/96 - NJW 1996, 2149; BVerwG 2 C 26.05 - a.a.O. S. 183 f.; stRspr). Daraus folgt, dass der Beamte unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG vom Dienstherrn verlangen kann, amtsangemessen beschäftigt zu werden ( - BVerfGE 70, 251 <266>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

vom

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Fundstelle(n):
OAAAC-68756