BAG Beschluss v. - 3 AZB 35/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO §§ 91 ff.; ZPO § 308 Abs. 2; InsO § 38; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; InsO § 87; InsO §§ 174 ff.

Instanzenzug: ArbG Offenbach 1 Ca 123/04 vom Hessisches LAG 17 /13 Ta 573/04 vom

Gründe

I. Der Beschwerdegegner und Kläger des Ausgangsverfahrens erhob gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens und spätere Insolvenzschuldnerin vor dem Arbeitsgericht Offenbach Kündigungsschutzklage sowie Klage auf Weiterbeschäftigung, rückständiges Bruttoentgelt und Urlaubsgewährung. In der Güteverhandlung erging unter dem gegen die Beklagte ein Teilversäumnisurteil, mit dem der Kläger hinsichtlich der Kündigungsschutzklage, seines Antrags auf Weiterbeschäftigung und eines Teils seiner Vergütungsrückstände eine Verurteilung erreichte. Im Übrigen wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Dieses Urteil wurde der Beklagten zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am zugestellt. Einspruch wurde nicht eingelegt.

Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der seinerzeitigen Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass es vorher zur Bestellung eines vorläufigen "starken" Verwalters gekommen wäre, auf den nach § 22 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der späteren Insolvenzschuldnerin übergegangen wäre. Diesen Beschluss reichte der Kläger beim Arbeitsgericht ein und erklärte, "die Klage" richte sich nunmehr gegen den Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beklagten. Unter dem nahm der Kläger die noch anhängige Klage zurück.

Nach Anhörung des Beschwerdegegners und des Beschwerdeführers behandelte das Arbeitsgericht den Beschwerdeführer als Beklagten und legte ihm mit Beschluss vom die mit dem Teilversäumnisurteil verbundenen Kosten des Rechtsstreits auf. Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer geltend machte, im Kostenausspruch habe berücksichtigt werden müssen, dass es sich bei den Kosten um Insolvenzforderungen handele, half das Arbeitsgericht nicht ab. Mit Beschluss vom wies das Landesarbeitsgericht die sofortige Beschwerde zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zu. In der Rechtsmittelbelehrung hieß es, die Rechtsbeschwerde sei mit einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses einzulegen und bei ihrer Einlegung oder innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses zu begründen. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt.

Nach Zustellung des Beschlusses hat die Gerichtskasse auf Erinnerung des Beschwerdeführers die Gerichtskosten in Höhe von 255,60 Euro als Insolvenzforderungen behandelt, die bereits geleisteten Kosten zurückerstattet und die Kostenforderung der Staatskasse zur Insolvenztabelle angemeldet.

Mit seiner am beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom , der am selben Tag beim Bundesarbeitsgericht einging, begründeten Rechtsbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer den Ausspruch, die mit dem Teilversäumnisurteil verbundenen Kosten schulde die Beklagte, hilfsweise den Ausspruch, dass es sich um eine Insolvenzforderung handele.

II. Die Rechtsbeschwerde hat mit dem Hilfsantrag Erfolg. Eine Sachentscheidung durch den Senat ist prozessual möglich. Die insolvenzrechtliche Einordnung von Kostenforderungen ist in der Kostengrundentscheidung zu berücksichtigen. Die mit dem Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts verbundenen Kosten sind Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten.

1. Prozessuale Gründe stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

a) Die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts ist - wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt hat - mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, die Rechtsmittel sind also beschwerderechtlich ausgestaltet. Das ergibt sich - unabhängig davon, ob das Arbeitsgericht zu Recht oder zu Unrecht seine Entscheidung durch Beschluss verlautbart hat - aus einer entsprechenden Anwendung des § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung findet gegen die Kostenentscheidung dann eine sofortige Beschwerde statt, wenn die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt ist. Sie gilt entsprechend bei einem streitigen Urteil, das auf einen Einspruch ergeht, der nur der Kosten wegen eingelegt wurde (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 99 Rn. 10b). Dem ist der hier vorliegende Fall vergleichbar, dass das Versäumnisurteil, gegen das kein Einspruch eingelegt wurde, keine Kostenentscheidung enthält, sondern diese zu einem späteren Zeitpunkt gefällt wurde.

b) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass Rechtsmittelentscheidungen gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts unabhängig davon möglich sind, dass das Arbeitsgericht - unter Außerachtlassung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung - nicht auch gleichzeitig über die durch die Klagerücknahme entstandenen Kosten entschieden hat. Die mit dem Teilversäumnisurteil verbundenen Kosten sind getrennt berechenbar und hätten deshalb auch bei einheitlicher Entscheidung Gegenstand eines gesonderten Rechtsmittels sein können.

c) Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts war der für die sofortige Beschwerde notwendige Beschwerdewert von mehr als 200,00 Euro (§ 567 Abs. 2 ZPO) noch erreicht. Das ergibt sich schon daraus, dass zu diesem Zeitpunkt die Gerichtskosten noch nicht zurückgezahlt waren. In der Rechtsbeschwerdeinstanz gilt dieser Beschwerdewert nicht ( - AP ZPO § 240 Nr. 5 = EzA ZPO 2002 § 240 Nr. 1, zu B I der Gründe).

d) Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil sie verspätet begründet wurde.

aa) Allerdings hat der Beschwerdeführer die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde nicht eingehalten. Die Begründungsfrist beträgt einen Monat beginnend mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§ 575 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO). Sie lief damit am Montag, dem aus (§ 222 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht dem § 9 Abs. 5 ArbGG nicht entgegen. Zwar ist danach eine anfechtbare Entscheidung mit einer Belehrung über das Rechtsmittel zu versehen und bei unterbliebener oder unrichtig erteilter Belehrung die Einlegung des Rechtsmittels wenigstens innerhalb eines Jahres nach der Zustellung der Entscheidung noch zulässig. Die Bestimmung gilt jedoch nur für die Einlegung, nicht für die Begründung des Rechtsmittels ( - BAGE 109, 265, zu II 1 c der Gründe mwN).

bb) Der Beschwerdeführer wurde auf die nicht eingehaltene Frist mit ihm am zugestellten Schreiben unterrichtet. Bereits vorher und damit vor der nach Behebung des Hindernisses - hier Unkenntnis der korrekten Frist - laufenden zweiwöchigen Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) ist die Rechtsbeschwerdebegründung eingegangen. Das ermöglicht es, auch ohne Antrag von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO). Das ist hier der Fall, da sich der Beschwerdeführer auf die unrichtige Rechtsmittelbelehrung verlassen durfte; der Fehler war hier nicht so offenkundig, dass nicht einmal der Anschein einer richtigen Belehrung entstehen konnte (vgl. - AP SGB II § 16 Nr. 1 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 6). Das wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufs auch die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO abgelaufen ist, ist unerheblich (vgl. - BAGE 109, 265, zu II 1 d bb der Gründe).

e) Durch die Rückzahlung der Gerichtskosten an den Beschwerdeführer ist auch das Rechtsschutzinteresse am Beschwerdeverfahren nicht verloren gegangen. Das folgt schon daraus, dass sich die Kostenentscheidung - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht nur auf die gerichtlichen, sondern auch auf die außergerichtlichen Kosten bezieht. § 12a ArbGG steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift enthält eine Einschränkung dessen, was außergerichtliche erstattbare Kosten sind (vgl. zur Systematik - NJW 2006, 717, zu II 2 b aa und bb der Gründe). Damit ist keine Regelung getroffen, dass außergerichtliche Kosten im Verfahren vor dem Arbeitsgericht nie erstattungsfähig sind.

2. Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des Hilfsantrags begründet.

Die im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 46 Abs. 2 ArbGG anwendbaren Kostenregelungen der ZPO erfordern - anders als nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ( - I R 69/00 - ZIP 2002, 2225, zu II 3 der Gründe; offen gelassen - VII E 8/03 -) das Kostenrecht der FGO -, dass die Frage, ob die Verfahrenskosten Masseforderungen oder Insolvenzforderungen sind, bereits in der Kostengrundentscheidung geklärt wird. Im vorliegenden Fall sind die mit dem Teilversäumnisurteil verbundenen Kosten Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren der Beklagten.

a) Es ist Aufgabe der Kostengrundentscheidung, nicht des Kostenfestsetzungsverfahrens, eine Aussage darüber zu treffen, ob die zu erstattenden Verfahrenskosten Insolvenz- oder Masseforderungen sind.

Nach § 308 Abs. 2 ZPO hat das Gericht - auch ohne Antrag - über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, zu erkennen. Die Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO enthalten - neben Regelungen darüber, was erstattungsfähige Kosten sind - die maßgeblichen Bestimmungen darüber, wen die Kostentragungspflicht trifft. Maßgeblich ist dabei, welche Partei im Rechtsstreit ganz oder teilweise unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Kostengrundentscheidung hat deshalb zu klären, wer "Partei" im Sinne der einschlägigen Regelungen ist. Bei einem eröffneten Insolvenzverfahren bedeutet dies, dass die Frage, ob es sich um Masseforderungen handelt oder nicht, zu klären ist. Das ergibt sich daraus, dass verfahrensrechtlich die Rechtsposition des Insolvenzverwalters von der des Insolvenzschuldners zu unterscheiden ist: Der Insolvenzverwalter ist nämlich in dieser Eigenschaft, soweit er das Verfahren führt, Partei kraft Amtes; seine Parteistellung unterscheidet sich von der Parteistellung des Insolvenzschuldners (vgl. - EzA KSchG § 4 nF Nr. 62, zu B I 2 a und b der Gründe). Soweit danach eine Parteistellung des Insolvenzverwalters vorliegt, ergibt sich daraus materiellrechtlich, dass die von ihm als Partei zu tragenden Verfahrenskosten - vom hier nicht einschlägigen Ausnahmefall des § 86 Abs. 2 InsO abgesehen - Masseforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind, da sie durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet werden. Tritt der Insolvenzverwalter hingegen nicht als Partei ein, so bleibt der Schuldner Partei. Folge davon ist, dass die Verfahrenskosten jedenfalls keine Masseforderungen sind, sondern - soweit sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet waren -Insolvenzforderungen nach § 38 InsO.

Das entspricht auch der Systematik des Kostenfestsetzungsverfahrens. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Kostenfestsetzungsverfahrens, Rechtsfragen zu klären, die außerhalb der die Höhe der erstattungsfähigen Kosten regelnden Bestimmungen liegen (vgl. - NJW 2006, 717, zu II 2 b cc der Gründe). Das gilt auch für insolvenzrechtliche Fragen. Diese sind im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann zu klären, wenn sie unabhängig von der Kostengrundentscheidung, insbesondere durch spätere Entwicklungen entstehen (vgl. beispielsweise die Fallgestaltungen - ZIP 2005, 817; - III ZR 297/03 - BB 2004, 2659).

Auch die Systematik der InsO steht dem nicht entgegen. Das Anmeldeverfahren der §§ 87, 174 ff. InsO ist nicht einschlägig, weil es nicht um die Entscheidung über konkrete Kostenforderungen geht ( - AP ZPO § 240 Nr. 5 = EzA ZPO 2002 § 240 Nr. 1, zu B IV 3 der Gründe).

Dem entsprechend hat der Senat ohne Weiteres angenommen, dass über die insolvenzrechtliche Einordnung von Kostenforderungen im Rahmen der Kostengrundentscheidung zu entscheiden ist ( - 3 AZB 65/04 - aaO). Im Übrigen entspricht es auch der Praxis des Bundesgerichtshofs, in entsprechenden Fällen eine Kostenentscheidung zu Lasten des Verwalters zu fällen, soweit die entsprechenden Kosten eine Masseverbindlichkeit darstellen (vgl. - VII ZR 137/00 -). Durch eine Formel, wonach der Insolvenzverwalter als Partei die Kosten des Verfahrens - ganz oder teilweise - zu tragen hat, wird, soweit sie keine Einschränkung enthält, ausgesprochen, dass die Kostenforderungen Masseforderungen sind, unabhängig davon, ob und wann der Verwalter in die Parteirolle des Insolvenzschuldners eingerückt ist oder ob er von vornherein Partei war.

b) Die mit dem Teilversäumnisurteil verbundenen Kosten sind - wie das Landesarbeitsgericht in einem obiter dictum zu Recht angenommen hat - Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren der Beklagten.

Der Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter war hinsichtlich der im Teilurteil ausgeurteilten Rechtspositionen nie Partei. Dieses Teilurteil ist mangels Einspruchs rechtskräftig geworden, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Soweit der Beschwerdegegner später erklärt hat, nunmehr sei der Beschwerdeführer Partei, konnte sich diese Rechtsansicht nur auf den Teil des Verfahrens beziehen, der noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Ist der Verwalter aber nie Partei geworden, konnten ihm und damit der Masse die Verfahrenskosten auch nicht auferlegt werden. Da sie bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden waren, sind sie Insolvenzforderung (§ 38 InsO) und der Hauptantrag ist nicht begründet.

III. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Der Senat hat bestimmt, dass Gerichtskosten für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erheben sind (Nr. 8613, 8621 des Kostenverzeichnisses zum GKG), da der Beschwerdeführer mit seiner Argumentation im Wesentlichen durchgedrungen ist. Eine gesetzliche Pflicht zur Tragung von Kosten der Rechtsverfolgung und der Rechtsverteidigung der von der Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren betroffenen Personen besteht nicht. Die gesetzlichen Regeln über die Kostentragungspflicht setzen voraus, dass eine Partei gegenüber der anderen ganz oder teilweise obsiegt hat. Dies ist zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner gerade nicht der Fall (vgl. - AP ZPO § 240 Nr. 5 = EzA ZPO 2002 § 240 Nr. 1, zu B V der Gründe).

Fundstelle(n):
ZIP 2007 S. 2141 Nr. 45
MAAAC-64234

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein