Oberfinanzdirektion Koblenz - S 2351 A - St 31 2/St 32 2/St 34 1/St 35 2

Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007);

Aussetzung der Vollziehung in der ESt-Veranlagung 2007, im LSt-Ermäßigungsverfahren und bei Festsetzungen von Vorauszahlungen
Kurzinfo 2007K038 – S 2351 A – St 32 2 vom mit Aktualisierungen

Ergänzend zu der Kurzinfo 2007K038 – S 2351 A – St 32 2 vom (mit Aktualisierungen) sind ab sofort Folgende Regelungen zu beachten:

1. Aussetzung der Vollziehung

Im Hinblick auf den Vollziehungsaussetzungsbeschluss des hat der entschieden, es sei ernstlich zweifelhaft, dass die durch das Steueränderungsgesetz 2007 getroffene Neuregelung zur Entfernungspauschale (Übergang zum „Werkstorprinzip”) verfassungsgemäß ist. Der BFH-Beschluss ist zur Veröffentlichung vorgesehen. Daher wurde das (BStBl 2007 I S. 472) durch aufgehoben. Hinsichtlich der ESt-Veranlagung ab VZ 2007, der Anträge auf LSt-Ermäßigung ab VZ 2007 und der Festsetzungen von Vorauszahlungen für VZ ab 2007 ist – basierend auf bundeseinheitlichen Absprachen – ab sofort wie nachfolgend beschrieben zu verfahren.

2. ESt-Veranlagungen ab VZ 2007, Einspruchsbearbeitung

Einkommensteuerbescheide ab 2007 ergehen hinsichtlich der Entfernungspauschale vorläufig; ein entsprechendes BMF-Schreiben hierzu wird folgen.

Für einen Einspruch gegen einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid ist – abweichend von dem in Nr. 6 des AEAO zu § 350 wiedergegebenen Grundsatz – das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, wenn mit dem Einspruch die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung eröffnet werden soll. Wird Einspruch eingelegt, ist im Einspruchsverfahren auf Antrag durch schriftlichen Bescheid Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Entfernungspauschale zu gewähren. Die Aussetzung der Vollziehung kann dazu führen, dass entrichtete Vorauszahlungen und/oder anzurechnende Steuerabzugsbeträge „vorläufig” erstattet werden.

Der Bescheid über die Aussetzung der Vollziehung ist mit einer Teileinspruchsentscheidung zu verbinden (§ 367 Abs. 2a AO), die den noch „offen bleibenden” Teil des Einspruchs auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Entfernungspauschale (und ggf. auf weitere, im Einzelfall relevante Fragen) beschränkt. Zu gegebener Zeit werden hierzu entsprechende Vorlagen zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich der Entfernungspauschale ruht dann das Einspruchsverfahren kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

Der Bescheid über die Aussetzung der Vollziehung mit Teileinspruchsentscheidung ist regelmäßig durch den zuständigen Bezirk, zeitnah nach Einspruchs- und Antragseingang zu erlassen. Die Rechtsbehelfsstelle ist in diesem Verfahrensstadium nur ausnahmsweise einzubinden, z.B. wenn über alle weiteren Punkte der Einspruchsbegründung bereits entschieden werden kann.

Wird die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Entfernungspauschale vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, erfolgt die Erledigung des offen bleibenden Teils des Einspruchs hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Entfernungspauschale durch eine Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder.

Die Aussetzung der Vollziehung wird bis zum Ablauf eines Monats nach Erlass einer Allgemeinverfügung gem. § 367 Abs. 2b AO befristet. Wird die durch das Steueränderungsgesetz 2007 getroffene Neuregelung zur Entfernungspauschale durch das BVerfG als verfassungsgemäß angesehen, sind Aussetzungszinsen nach § 237 AO festzusetzen.

Die Einsprüche gegen die Jahresveranlagungen ab VZ 2007 sind in der Datei RBL aufzunehmen und zu überwachen. Dabei ist mittels des Merkers VERMMV festzuhalten, dass es sich um einen Massenrechtsbehelf handelt und in einem Vermerkfeld das Schlagwort „Pendlerpausch.” abzulegen, um die Fälle nach Ergehen der Allgemeinverfügung leicht aufrufen zu können.

3. LSt-Ermäßigungsverfahren ab VZ 2007

Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren fallen nach einem erfolglosen Rechtsbehelf keine Aussetzungszinsen an, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 237 AO (insbesondere Absatz 1 Satz 1 und Satz 2) nicht erfüllt sind. Entscheidungen über die Eintragung von Freibeträgen auf den Lohnsteuerkarten sind mit Abschluss des Lohnsteuerabzugs erledigt.

  1. Steuerpflichtigen, die wegen der Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte im Finanzamt vorsprechen, wird ermöglicht, ihren Einspruch gegen den Bescheid auf Ablehnung der Eintragung und ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu Protokoll zu erklären. Zur Abwicklung dieser Verfahrensschritte dient die Vorlage Einspruch_Entfernungspauschale_Niederschrift (siehe Anlage 1), die den Finanzämtern in geänderter Version über die Vorlagenauswahl in der Registerkarte LSt zur Verfügung gestellt wird. Anschließend ist sogleich im Wege der Aussetzung der Vollziehung der begehrte Freibetrag ab dem ersten Entfernungskilometer auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Mittels der Vorlage wird der Steuerpflichtige auch darauf hingewiesen, dass die Eintragung des Freibetrags ab dem ersten Entfernungskilometer nur im Wege der Aussetzung der Vollziehung vorgenommen wurde und nicht dahingehend zu verstehen ist, dass dem Einspruch stattgegeben wurde. Der Steuerpflichtige wird zusätzlich darüber informiert, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und dass es ggf. im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer zu einer Steuernachzahlung kommen kann.

  2. Übermittelt der Steuerpflichtige seinen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung durch die Post und macht er in seinem Ermäßigungsantrag Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend, wird davon ausgegangen, dass begehrt wird, Fahrtkosten ab dem ersten Entfernungskilometer steuermindernd zu berücksichtigen. Diesen Antrag muss das Finanzamt ablehnen, da das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Entfernungspauschale in § 9 Abs. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 noch nicht entschieden hat. Da dem Antrag des Steuerpflichtigen damit nicht entsprochen wurde, darf im Wege einer unbürokratischen Lösung unterstellt werden, dass vom Steuerpflichtigen Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wird. Aufgrund bundeseinheitlicher Abstimmungen ist davon auszugehen, dass das Finanzamt – und damit der Bearbeiter/die Bearbeiterin – zur Vornahme dieser Verfahrenshandlungen vom Steuerpflichtigen konkludent bevollmächtigt ist. Der Einspruch gegen den Antrag auf Eintragung des Freibetrags und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sind mit einem Aktenvermerk (Einspruch_Entfernungspauschale_Aktenvermerk; siehe Anlage 2) zu Protokoll zu nehmen. Von dieser Vorgehensweise ist aber nur Gebrauch zu machen, wenn dem Antrag in vollem Umfang entsprochen wird, somit beispielsweise nicht, wenn vom Finanzamt eine geringere Entfernungskilometerzahl anerkannt wird. Der Steuerpflichtige ist mittels eines Merkblatts (Einspruch_Entfernungspauschale_Merkblatt; siehe Anlage 3) darauf hinzuweisen, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und dass es ggf. im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer zu einer Steuernachzahlung kommen kann. Mit der Rücksendung der Lohnsteuerkarte ist das Merkblatt beizufügen; dies ist aktenkundig zu machen.

Die vorstehend aufgeführten neuen Vorlagen werden den Finanzämtern schnellstmöglich in der Vorlagenauswahl unter Registerkarte LSt zur Verfügung gestellt.

Von einer Aufnahme der Einsprüche aus dem LSt-Ermäßigungsverfahren in die Datei RBL ist abzusehen. Insoweit verweist die OFD auf die Erledigung der Entscheidung über die Eintragung des Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte nach Abschluss des Lohnsteuerabzugs und die Möglichkeit der Einspruchseinlegung gegen die später ergehenden vorläufigen Einkommensteuerbescheide (siehe zu 2.)

4. Festsetzung von Vorauszahlungen ab VZ 2007

Sofern im Hinblick auf die o.a. Entscheidung des oder aufgrund der anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht Einspruch gegen die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen eingelegt wird, ruhen diese Rechtsbehelfe gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Aussetzung der Vollziehung (Gewährung der Entfernungspauschale ab dem ersten Entfernungskilometer) ist auf Antrag des Steuerpflichtigen zu gewähren, sofern Einspruch gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eingelegt wurde.

Es ist darauf zu achten, dass im Verfahren über die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen nach einem erfolglosen Rechtsbehelf Aussetzungszinsen nach § 237 AO festzusetzen sind. Hier sind im Gegensatz zum LSt-Ermäßigungsverfahren die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen gegeben.

Beantragt der Steuerpflichtige – nachdem die Rechtsbehelfsfrist der ursprünglichen Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen abgelaufen ist – deren Herabsetzung zur Berücksichtigung der Entfernungspauschale ab dem ersten Entfernungskilometer, ist der Antrag wie auch in den anderen o.g. Verfahren abzulehnen.

In Rechtsbehelfsverfahren gegen die Ablehnung der Herabsetzung unanfechtbar festgesetzter Einkommensteuer-Vorauszahlungen ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass eine Aussetzung der Vollziehung hier ausscheidet, da der Ablehnungsbescheid keinen vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 361 AO darstellt ( BStBl 1991 II S. 643; AEAO zu § 361 Tz 2.3.2 Aufzählungsstrich 3).

Anlage 1


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Finanzamt Musterhausen
Finanzamt Musterhausen, 23456 Musterberg
Musteringsweg 2
23456 Musterberg
1.
 
Herr
Klaus Muster
Mustergasse 1
12345 Musteringen
Aktenzeichen:
12/345/6789/0 – I/1
(Bei Antwortschreiben bitte angeben)
Bearbeiterin:
Herr Bearbeiter
Zimmer:
123
Telefon:
(0123) 4567
 
 
Datum:

Bescheid über die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 2007

Ihr Antrag vom

Sehr geehrter Herr Muster,
Ihrem vorbezeichneten Antrag kann aus folgenden Gründen nicht entsprochen werden:

  • Entfernungspauschale

    Sie haben die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 200_ für die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab dem ersten Entfernungskilometer (Pendlerpauschale) beantragt.

    Die geltend gemachte Entfernungspauschale konnte jedoch nicht/nicht in voller Höhe berücksichtigt werden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2007 sind Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2007) erst ab dem 21. Entfernungskilometer zu berücksichtigen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Sie können gegen diesen Bescheid Einspruch einlegen. Der Einspruch ist beim oben bezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.

Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen dieser Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zusendung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung durch Zustellungsurkunde oder durch Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung.

Anlage 2


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Finanzamt:
 
Aktenzeichen: (Bei Antwortschreiben bitte angeben)
Bearbeiterin:
Durchwahl:
Zimmer:
Datum:

1. Einspruch und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegen die Ablehnung von Lohnsteuerermäßigungsanträgen (Pendlerpauschale)

Der/Die Steuerpflichtige(n) ____________________

reichte(n) per Post einen Lohnsteuerermäßigungsantrag ein und begehrte(n) die Eintragung der Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab dem ersten Entfernungskilometer (Pendlerpauschale) auf der Lohnsteuerkarte 200_.

Der Antrag wurde vom Finanzamt abgelehnt.

Der Unterzeichner legte als „Bevollmächtigter” des o.g. Steuerpflichtigen gegen die Ablehnung des o.g. Antrags Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Vollmacht gilt mit Übersendung des Lohnsteuerermäßigungsantrags als konkludent erteilt. Sie bedarf keiner besonderen Form, da der Steuerpflichtige nur einen rechtlichen Vorteil erhält.

Der Einspruch wird mit dem begründet, in dem ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kürzung der Pendlerpauschale zum Ausdruck gebracht wurden.

Im Wege der Aussetzung der Vollziehung wurde der begehrte Freibetrag vom Unterzeichner antragsgemäß ab dem ersten Entfernungskilometer auf der Lohnsteuerkarte eingetragen, die dem Steuerpflichtigen zurück gesandt wurde.

Der Steuerpflichtige wurde auf die Eintragung im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung und die sich daraus ergebenden Folgen in einem Merkblatt hingewiesen.

_______________________________

Datum, Unterschrift des Bearbeiters

Anlage 3

Finanzamt____________

Steuernummer: ____________

Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte wegen Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale)

Ihr Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung für 200_vom ____________

Sehr geehrte Steuerzahlerin, sehr geehrter Steuerzahler,

mit , hat der Bundesfinanzhof ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der ab 2007 geltenden Fassung des § 9 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geäußert, nach der Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich erst ab dem 21. Entfernungskilometer berücksichtigt werden. Da die Finanzverwaltung an diese gesetzlichen Vorgaben gebunden ist, war ihr Antrag auf Eintragung des Freibetrags ab dem ersten Entfernungskilometer abzulehnen. Um weiteren aufwändigen Schriftverkehr zu vermeiden, wurde zur Wahrung Ihrer Interessen unterstellt, dass von Ihnen Einspruch gegen die Ablehnung eingelegt und gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde. Dadurch konnte Ihnen auf der Lohnsteuerkarte zunächst ein vorläufiger Freibetrag ab dem ersten Entfernungskilometer eingetragen werden.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Eintragung des Freibetrags ab dem ersten Entfernungskilometer nur im Wege einer Aussetzung der Vollziehung (Aussetzungszinsen fallen nicht an) vorgenommen wurde und nicht dahingehend zu verstehen ist, dass dem Einspruch stattgegeben wurde.

Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der o.g. Regelung im Hauptsacheverfahren bestätigt, wird die auf Grund der Eintragung des Freibetrags zu niedrig erhobene Lohnsteuer von Ihnen nachgefordert.

Des Weiteren sind Sie auf Grund der Eintragung des Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung für das betreffende Kalenderjahr abzugeben (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG).

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Finanzamt

Oberfinanzdirektion Koblenz v. - S 2351 A - St 31 2/St 32 2/St 34 1/St 35 2

Fundstelle(n):
VAAAC-62906