BFH Beschluss v. - VIII B 154/06

Verletzung des Rechts auf Gehör durch Nichtbeachtung eines nachgereichten Schriftsatzes

Gesetze: FGO § 116, FGO § 119 Nr. 3, FGO § 126 Abs. 5

Instanzenzug:

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da das erstinstanzliche Urteil unter dem gerügten Verfahrensfehler der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs leidet.

Im Erörterungstermin vom ist dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) —zumindest durch schlüssiges Verhalten— eine beantragte Äußerungsfrist von acht Tagen eingeräumt worden. Diese Frist hat der Kläger durch eine am beim Finanzgericht (FG) per Fax eingegangene Stellungnahme gewahrt. Dies trifft selbst dann zu, wenn die Frist abweichend von der Auffassung des Klägers zu berechnen wäre, beginnend mit dem Tag nach dem Erörterungstermin. Anders als im alltäglichen Sprachgebrauch sind unter einer richterlichen Frist von acht Tagen wegen der im Prozess gebotenen Rechtsklarheit jedenfalls dann volle acht Tage zu verstehen und nicht etwa nur eine Woche, wenn die Frist bzw. der darauf bezogene Antrag mit der Ziffer 8 vom Gericht protokolliert wird, wie hier geschehen.

Die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs ist darin begründet, dass die Stellungnahme des Klägers vom Gericht —hier in der Person des Vorsitzenden Richters als Einzelrichter— nicht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung nicht in Erwägung gezogen worden ist, wofür im Übrigen objektiv auch nach Ablauf der Frist und bis zur Zustellungsabfertigung des im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteils noch Gelegenheit bestanden hätte.

Dass dem Vorsitzenden Richter bei seiner Entscheidung der Schriftsatz des Klägers trotz Zugang bei Gericht nicht vorlag, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da es bei Verfahrensfehlern i.S. von § 119 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht auf ein Verschulden ankommt (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10 b, m.w.N.). Der Umstand der unterbliebenen Kenntnisnahme ist nicht etwa aus dem Grund unbeachtlich, dass es auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Klägerschreiben vom zu keiner anderen Tatsachenfeststellung und Entscheidung hätte kommen können. Vielmehr war dem Schreiben in Kopie ein Anstellungsvertrag beigefügt, der offenkundig in einem Punkt, den das FG für entscheidungserheblich erachtet hat, von der dem Urteil zugrunde gelegten Vertragsfassung abweicht. Wegen der auch so bestehenden Offenkundigkeit bedarf es bei der Entscheidung über die Beschwerde keiner Einsichtnahme des Bundesfinanzhofs (BFH) in die dem FG im Erörterungstermin vorgelegte Vertragsfassung, die sich nicht bei den vorgelegten Akten befindet.

Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass der Vortrag des Klägers zum Beginn und zur Dauer seines Dienstverhältnisses zutrifft, gibt der Senat —ohne Bindungswirkung nach § 126 Abs. 5 FGO— zu bedenken, dass es dann für die Gewährung des Freibetrags nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes a.F. auch unter Berücksichtigung der Gründe des vom FG zitierten (BFHE 203, 420, BStBl II 2004, 106) maßgeblich auf die Frage ankommen wird, ob der Kläger selbst freiwillig die Auflösung des Dienstverhältnisses betrieben hat oder ob er diese zwangsweise hinnehmen musste.

Da jedenfalls noch eine Tatsachenfeststellung zu treffen ist, hebt der Senat das angefochtene Urteil auf und verweist den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück (§ 116 Abs. 6 FGO).

Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen, der auch für das Verfahren nach § 116 Abs. 6 FGO Anwendung findet (vgl. , BFH/NV 2001, 808).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1910 Nr. 10
OAAAC-52017