BGH Beschluss v. - VIII ZR 330/06

Leitsatz

[1] Gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Sprungrevision ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann möglich, wenn die schriftliche Einwilligungserklärung des Antragsgegners nicht innerhalb der Sprungrevisionsfrist beim Revisionsgericht eingereicht worden ist.

Gesetze: ZPO § 233 BZPO § 566

Instanzenzug: LG Berlin 4 O 722/05 vom

Gründe

1. Der Klägerin ist gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Sprungrevision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO).

Die Klägerin, der das Urteil des Landgerichts am zugestellt worden ist, hat die bis zum laufende Frist zur Einlegung der Sprungrevision (§ 566 Abs. 2 Satz 2, § 548 ZPO) versäumt. Die am eingegangene Zulassungsschrift vom 20. Dezember 2006 genügte den Anforderungen des § 566 Abs. 2 Satz 4, § 566 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht, weil diesem Schriftsatz nicht die schriftliche Erklärung der Einwilligung des Antragsgegners in die Übergehung der Berufungsinstanz beigefügt war. Dem Schriftsatz lag lediglich eine von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren gefertigte Kopie der Einwilligungserklärung des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners des ersten Rechtszuges an. Die Einwilligungserklärung kann zwar nach § 566 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 Alt. 1 ZPO auch von dem Prozessbevollmächtigten des ersten Rechtszuges abgegeben werden. Sofern die Einwilligung - wie hier - nicht telegrafisch, per Telefax, Computerfax oder elektronisch erklärt wird (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPO, 2. Aufl., § 566 Rdnr. 5), muss die handschriftlich unterzeichnete Einwilligungserklärung jedoch im Original eingereicht werden; eine vom Anwalt des Antragstellers gefertigte - auch beglaubigte - Fotokopie der Einwilligungserklärung genügt nicht (BGHZ 92, 76, 77 ff.).

Der Antragstellerin ist jedoch auf ihren Antrag, der fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach dem telefonischen Hinweis des Senatsvorsitzenden vom auf das Fehlen des Originals der Einwilligungserklärung am bei Gericht eingegangen ist (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO) und dem das handschriftlich unterzeichnete Original der Einwilligungserklärung beigefügt war (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Sprungrevision zu gewähren, da sie ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung dieser Notfrist gehindert war (§ 233 ZPO).

a) Gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Sprungrevision kann auch dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn die schriftliche Einwilligungserklärung des Antragsgegners nicht innerhalb der Sprungrevisionsfrist beim Revisionsgericht eingereicht worden ist (MünchKomm/Wenzel, aaO, Rdnr. 7; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 566, Rdnr. 3; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 566a ZPO, Rdnr. 4; Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 566, Rdnr. 6; differenzierend Bepler NJW 1989, 686, 689 f.). Die Zustimmungserklärung ist zwar eine selbständige - weil vom Prozessgegner abzugebende - Erklärung; gleichwohl ist sie Bestandteil einer wirksamen Revisionseinlegung und damit Teil einer Prozesshandlung, die innerhalb einer gesetzlichen Verfahrensfrist vorzunehmen ist und gegen deren Versäumung - auch soweit sie nur die Zustimmungserklärung betrifft - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (, USK 94180 unter Aufgabe von , USK 78188; vgl. auch , juris, unter II 2 a).

b) Die Antragstellerin war ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Sprungrevision gehindert (§ 233 ZPO).

Allerdings gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass eine Rechtsmittelschrift rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Der Prozessbevollmächtigte darf jedoch auch Aufgaben, die für den Zugang eines fristwahrenden Schriftsatzes von wesentlicher Bedeutung sind, auf zuverlässige Bürokräfte zur selbständigen Erledigung übertragen, wenn es sich dabei lediglich um büromäßige Aufgaben ohne Bezug zu Rechtsfragen handelt (, NJW 1995, 2105). Hat der Prozessbevollmächtigte ausreichende organisatorische Vorkehrungen für die zuverlässige Erledigung dieser Aufgaben getroffen, sind Fehler, die seinen Bürokräften bei der Aufgabenerledigung unterlaufen, nicht ihm und damit auch nicht der von ihm vertretenen Partei zuzurechnen. Denn einer Partei ist nur ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. - NJW-RR 2003, 935, m.w.N.).

So darf der Rechtsanwalt sein zuverlässiges Büropersonal allgemein anweisen, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen; ist eine bei Gericht fristgerecht eingereichte Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelbegründungsschrift dennoch nicht unterzeichnet, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil vom - VIII ZR 12/95, WM 1996, 538, unter II 2 b, m.w.N.). In gleicher Weise darf der Prozessbevollmächtigte einer zuverlässigen Bürokraft die Überprüfung überlassen, ob dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision das Original der Einwilligungserklärung des Antragsgegners beigefügt ist. Denn auch dabei handelt es sich lediglich um eine büromäßige Aufgabe ohne Bezug zu Rechtsfragen. Ist dem fristgerecht eingereichten Antrag auf Zulassung der Revision dessen ungeachtet nicht die Einwilligung des Antragsgegners in die Übergehung der Berufungsinstanz beigefügt, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. So verhält es sich hier.

Die Antragstellerin hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten sowie von dessen Rechtsanwaltsfachangestellten glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Rechtsanwaltsfachangestellte bereits bei dem Diktat des "Rahmens" der Sprungrevisionsschrift angewiesen hat, den Hinweis im Schriftsatz auf die Einwilligungserklärung zu markieren, weil das - bereits vorliegende - Original der Erklärung beigefügt werden müsse, andernfalls die Rechtsmitteleinlegung unwirksam sei. Nach Fertigstellung des Schriftsatzes und Entfernung der Markierung habe er seine - bis dahin stets zuverlässige - Rechtsanwaltsfachangestellte nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelschrift das angefochtene Urteil und das Original der Einwilligungserklärung beigefügt werden müssten. Er habe seine Mitarbeiterinnen ferner darüber unterrichtet - und diese hätten sich bis dahin stets daran gehalten -, dass eine mit einem Schriftsatz vorzulegende Erklärung dem für das Gericht bestimmten Schriftsatz im Original, wie sie in der Kanzlei eingegangen sei, und nicht in Kopie beigefügt werde, das Original also nicht in der Handakte verbleibe.

Durch diese allgemeinen Anweisungen an seine Mitarbeiterinnen und die besondere Anweisung an die mit der Fertigung der Zulassungsschrift betraute Rechtsanwaltsfachangestellte hatte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin organisatorisch ausreichend gewährleistet, dass das Original der Einwilligungserklärung der Zulassungsschrift beigefügt wird und nicht etwa - wie geschehen - in der Handakte verbleibt. Wenn im konkreten Fall dennoch ein Fehler unterlaufen ist, beruht dies auf einem nicht vorhersehbaren Fehlverhalten der Rechtsanwaltsfachangestellten, das dem Wiedereinsetzungsbegehren der Antragstellerin nicht entgegensteht.

2. Die Sprungrevision der Klägerin ist zuzulassen (§ 566 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Von einer Begründung wird entsprechend § 544 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 2 ZPO abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1075 Nr. 15
UAAAC-42214

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja