BGH Urteil v. - X ZR 16/05

Leitsatz

[1] Regeln die Beförderungsbedingungen eines Verkehrsverbundes, dass ein Fahrausweis nur in Verbindung mit einer Urkunde zur Beförderung berechtigt und der Fahrausweis ungültig ist und eingezogen werden kann, wenn die Urkunde auf Verlangen nicht vorgezeigt wird, so sind folgende Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam:

1. Fahrgeld für eingezogene Fahrausweise wird nicht erstattet.

2. Ein Anspruch auf Erstattung besteht nicht bei als ungültig eingezogenen Fahrausweisen.

Gesetze: BGB § 307 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 Bg; BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 Cl

Instanzenzug: LG Karlsruhe 10 O 252/02 vom OLG Karlsruhe 15 U 13/03 vom

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der Verbraucherinteressen verfolgt. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Klauseln in ihren Beförderungsbedingungen in Anspruch. Die Beklagte betreibt den K. Verkehrsverbund. Sie bietet Beförderungsleistungen nach Maßgabe eines Gemeinschaftstarifs an, der besondere Beförderungsbedingungen und Tarifbestimmungen enthält und in dessen Vorwort ausgeführt ist, dass er von dem Verkehrsministerium B. , dem Regierungspräsidium K. und der Bezirksregierung R. genehmigt wurde.

Das Landgericht hat der Beklagten - teilweise nach Anerkenntnis - die Verwendung bestimmter Beförderungsbedingungen untersagt und die gegen weitere Beförderungsbedingungen gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger sein Klagebegehren noch hinsichtlich der nachfolgend wiedergegebenen Beförderungsbedingungen weiterverfolgt:

§ 4 Abs. 6: "Bei Verunreinigung von Fahrzeugen, Betriebsanlagen oder -einrichtungen werden die von den einzelnen Verkehrsunternehmen festgesetzten Reinigungskosten erhoben, weitergehende Ansprüche bleiben unberührt."

§ 8 Abs. 1: "Fahrausweise, die entgegen den Vorschriften der Beförderungsbedingungen oder des Tarifs benutzt werden, sind ungültig und können eingezogen werden; dies gilt insbesondere für Fahrausweise, die

...

9. nur in Verbindung mit einer Zeitkarte gelten, wenn diese nicht vorgezeigt werden kann."

§ 8 Abs. 2: "Ein Fahrausweis, der nur in Verbindung mit einer Bescheinigung oder einem in den Tarifbestimmungen vorgesehenen Personalausweis zur Beförderung berechtigt, ist ungültig und kann eingezogen werden, wenn die Bescheinigung oder der Personalausweis auf Verlangen nicht vorgezeigt wird."

§ 8 Abs. 3 Satz 2: "Fahrgeld für eingezogene Fahrausweise wird nicht erstattet."

§ 8 Abs. 3 Satz 3: "Ersatzansprüche, insbesondere für Zeitverluste oder Verdienstausfälle, sind ausgeschlossen."

§ 10 Abs. 4: "Ein Anspruch auf Erstattung besteht nicht

...

2. bei gemäß § 8 als ungültig eingezogenen Fahrausweisen."

Das Berufungsgericht hat die Berufung gegen das insoweit klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, der die Beklagte entgegentritt.

Gründe

Die zulässige Revision ist teilweise, nämlich soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung bezogen auf § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 10 Abs. 4 Nr. 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten wendet, begründet. Im Übrigen hat das Berufungsurteil im Ergebnis Bestand.

I. Das Berufungsgericht hat den Kläger als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG für berechtigt gehalten, im Wege der Verbandsklage gegen die Verwendung der angegriffenen Klauseln vorzugehen. Dies lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

II. Zutreffend hat das Berufungsgericht des Weiteren die Beförderungsbedingungen der Beklagten als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB bewertet. Wie sich aus § 305a Abs. 1 Nr. 1 BGB ergibt, steht dem nicht entgegen, dass es sich um nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigte (besondere) Beförderungsbedingungen handelt. Sie unterliegen auch uneingeschränkt der revisionsrechtlichen Überprüfung. Der Senat ist nicht an das tatrichterliche Verständnis des Berufungsgerichts gebunden, sondern kann die Beförderungsbedingungen selbst auslegen, da im Geltungsbereich der Bedingungen eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte denkbar ist (vgl. BGHZ 163, 321).

III. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug noch in Streit stehenden Beförderungsbedingungen der Beklagten sämtlich einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 - 309 BGB entzogen seien. Bei den Bedingungen handele es sich um Klauseln, die nicht von Rechtsvorschriften abwichen, so dass die Ausschlussregel des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eingreife.

Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

1. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen vom 27. Februar 1970 (VOABB) als Gesetz im materiellen Sinne Rechtsvorschriften gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB enthält. Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet ist ferner die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Formulierungsunterschiede des § 4 Abs. 6 der Beförderungsbedingungen zu § 4 Abs. 6 VOABB ("Betriebsanlagen oder -einrichtungen" statt "Betriebsanlagen" sowie "von den einzelnen Verkehrsunternehmern" statt "vom Unternehmer") keine inhaltlichen Abweichungen im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB begründen, sondern lediglich den Wortlaut unerheblich modifizieren.

Die Revision macht allerdings geltend, § 4 Abs. 6 VOABB sei - konform zur Richtlinie 93/13/EWG - dahingehend einschränkend auszulegen, dass Reinigungskosten nur bei schuldhaftem Verhalten des Verursachers einer Verunreinigung ersetzt verlangt werden könnten und dem Verursacher die Möglichkeit offen stehen müsse, einen geringeren Schaden als den festgesetzten Reinigungsbetrag nachzuweisen. Da § 4 Abs. 6 der angegriffenen Beförderungsbedingungen diese Einschränkungen nicht enthalte, sei die Klausel der Inhaltskontrolle unterworfen, welche zu ihrer Unwirksamkeit führe.

Die Rüge bleibt ohne Erfolg.

§ 4 Abs. 6 der Beförderungsbedingungen nimmt - wie dargelegt - ohne inhaltliche Änderungen auf § 4 Abs. 6 VOABB und damit auf eine Vorschrift des materiellen Rechts Bezug. In einem solchen Fall ist für die Bestimmung des Klauselinhalts nicht anders als für die Vorschrift des materiellen Rechts die allgemeine Gesetzesauslegung maßgeblich (, NJW 2003, 2607, 2608; Urt. v. - VIII ZR 10/92, NJW 1993, 1061, 1063; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdn. 23). Derjenige, der lediglich den Inhalt einer Rechtsvorschrift wiedergibt, die im Falle des Wegfalls der Klausel ohnehin zur Anwendung käme, übernimmt keine besondere Formulierungsverantwortung, die es rechtfertigen würde, Unklarheiten der (einschränkenden) Interpretation der Vorschrift zu seinen Lasten gehen zu lassen (vgl. Lindacher in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 5 Rdn. 27). Dasselbe folgt auch aus dem Grundsatz der objektiven Auslegung, wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (vgl. nur , NJW 2001, 2165, 2166; BGHZ 102, 384, 389 f. jeweils m.w.N.). Denn verständige und redliche Vertragsparteien werden die Bezugnahme oder inhaltliche Wiedergabe einer Rechtsnorm in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig so verstehen, dass eine Divergenz zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung nicht gewollt ist. Eine Auslegungsunklarheit, die zu Lasten des Verwenders gehen würde (§ 305c Abs. 2 BGB), besteht nicht. Im Entscheidungsfall bedarf es deswegen keiner Klärung, ob und inwieweit in § 4 Abs. 6 VOABB einschränkende Voraussetzungen für die Tragung von Reinigungskosten hineinzulesen sind. Insbesondere stellt sich nicht die von der Revision aufgeworfene Frage, ob eine Verpflichtung besteht, die Regelungen der VOABB an der Richtlinie 93/13/EWG zu messen und gegebenenfalls konform zu dieser (einschränkend) auszulegen. Der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung ist für das deutsche Recht unmittelbar verbindlich und damit Bestandteil der allgemeinen Gesetzesauslegung. Dass § 4 Abs. 6 der Beförderungsbedingungen ebenso wie die inhaltsgleiche Vorschrift der VOABB die von der Revision befürworteten Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nicht erkennen lässt, rechtfertigt in diesem Zusammenhang keine abweichende Betrachtung (vgl. , NJW 1993, 1061, 1063 für das § 545 Abs. 2 BGB a.F. nicht unmittelbar zu entnehmende Verschuldenserfordernis).

2. § 8 Abs. 1 1. Halbs. der Beförderungsbedingungen bestimmt, dass entgegen den Vorschriften der Beförderungsbedingungen benutzte Fahrausweise von der Beklagten eingezogen werden können. Im Gegensatz dazu sieht § 8 Abs. 1 1. Halbs. der VOABB vor, dass bedingungswidrig benutzte Fahrausweise eingezogen werden. Nach Ansicht des Berufungsgerichts führt diese Abweichung nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, da die Regelung in den Beförderungsbedingungen der Beklagten für den Fahrgast günstiger als die VOABB sei.

Die Revision meint demgegenüber, das im ersten Halbsatz von § 8 Abs. 1 der Beförderungsbedingungen eingeräumte Ermessen stelle eine wesentliche Abweichung von der Regelung in der VOABB dar. Da die Kriterien für die Ermessensausübung nicht formuliert seien, handele es sich um ein ungebundenes Ermessen, welches den Kunden unangemessen benachteilige. Darüber hinaus sei § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. VOABB - konform zur Richtlinie 93/13/EWG - dahingehend einzuschränken, dass den Fahrgast, der den Fahrausweis entgegen den Vorschriften der Beförderungsbedingungen oder des Beförderungstarifs benutzt, ein Verschulden treffen müsse. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der ein entsprechendes Verschuldenskorrektiv nicht aufweisenden Klausel der Beklagten.

Diese Rügen greifen im Ergebnis nicht durch.

a) Das in § 8 Abs. 1 1. Halbs. der Beförderungsbedingungen abweichend vom Wortlaut der VOABB vorgesehene Ermessen bei der Einziehung ungültiger Fahrausweise eröffnet nicht die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle, die zur Unwirksamkeit der Klausel führen kann.

Für den Tatbestand einer gegen die Beförderungsbedingungen oder den Beförderungstarif verstoßenden Benutzung von Fahrausweisen enthält die angegriffene Klausel zwei Rechtsfolgen. Die Beklagte kann das ihr eingeräumte Ermessen dahingehend ausüben, den missbräuchlich verwendeten Fahrausweis entschädigungslos einzuziehen. Sie kann von der Einziehung aber auch absehen mit der Konsequenz, dass der Karteninhaber seinen Fahrausweis weiter verwenden kann. Hinsichtlich der ersten Alternative stimmt die Regelung inhaltlich mit § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. VOABB überein und ist daher der Inhaltskontrolle entzogen. Bei der zweiten Alternative bleibt der Verstoß für den Fahrgast folgenlos. Eine Benachteiligung, die zur Unwirksamkeit der Klausel führen könnte, liegt dementsprechend nicht vor. Kann somit jede Alternative für sich - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - nicht zur Unwirksamkeit der Klausel führen, kann allein die Tatsache, dass die Beklagte zwischen beiden Alternativen wählen kann, ebenfalls nicht die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge haben. Soweit die Revision etwas anderes aus dem Fehlen von Leitlinien für die Ausübung des Ermessens herleiten will, kann dem schon deshalb nicht beigetreten werden, weil sich die Rechtsstellung des Fahrgastes mit der Unwirksamkeit der Klausel nicht verbessern könnte. Bei Geltung der subsidiär (§ 306 Abs. 2 BGB, früher § 6 AGBG) eingreifenden Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. VOABB, welche ein entsprechendes ermessensgebundenes Wahlrecht nicht vorsieht, würde sich die Rechtsposition des Fahrgastes im Gegenteil verschlechtern. Ein solches Ergebnis (zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders) wäre mit Sinn und Zweck der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unvereinbar.

b) Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich auch nicht im Wege einer einschränkenden Auslegung der VOABB eine inhaltliche Divergenz zwischen § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. VOABB und der entsprechenden Regelung in den Beförderungsbedingungen der Beklagten begründen. Selbst wenn zugunsten der Revision unterstellt wird, dass § 8 Abs. 1 1. Halbs. VOABB im Wege richtlinienkonformer Auslegung einschränkend um ein Verschuldenserfordernis zu ergänzen oder auf andere Weise in seinem Anwendungsbereich zu begrenzen ist, gilt hier (nicht anders als für die oben abgehandelte Vorschrift des § 4 Abs. 6 VOABB), dass für den Klauselinhalt keine andere Auslegung zu gelten hat als für die Regelung der VOABB und dass sich bereits deshalb keine Abweichung im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB feststellen lässt. Die angegriffene Klausel nimmt erkennbar auf § 8 Abs. 1 1. Halbs. VOABB Bezug, soweit an einen Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen und den Beförderungstarif die Rechtsfolge der Einziehung des Fahrausweises geknüpft wird. Von dieser Rechtsfolge absehen zu können, stellt keinen Eingriff in die Rechte des Fahrgastes dar, sondern kann seine Rechtsposition nur verbessern. Ist dem aber so, lässt es sich nicht rechtfertigen, dem Verwender allein mit Blick auf das Rechtsfolgenwahlrecht die Formulierungsverantwortung für die tatbestandlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung aufzubürden. Auch besteht für redliche und vernünftige Vertragsparteien kein Anhaltspunkt, aus dem Rechtsfolgenwahlrecht eine Divergenz zwischen den tatbestandlichen Voraussetzungen der angegriffenen Klausel und der Regelung in der VOABB herzuleiten. Allein diese Sichtweise steht zudem in Einklang mit dem Zweck des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (früher § 8 AGBG), eine mit der Bindung des Richters an das Gesetz unvereinbare Modifikation gesetzlicher Regelungen infolge gerichtlicher Kontrolle zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 22). Da das eingeräumte Wahlrecht als solches eine Verschlechterung der Rechtsposition des Fahrgastes nicht herbeiführen kann, würde sich das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung allein mit dem Gehalt der Klausel begründen lassen, der mit der gesetzlichen Regelung identisch ist.

3. § 8 Abs. 1 2. Halbs. Nr. 9 der Beförderungsbedingungen räumt der Beklagten die Möglichkeit zur Einziehung von Fahrausweisen ein, die nur in Verbindung mit einer Zeitkarte gelten, sofern die Zeitkarte vom Fahrgast nicht vorgezeigt werden kann. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass diese Regelung - genauso wie § 8 Abs. 1 1. Halbs. der Beförderungsbedingungen - die Privilegierung des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB genießt, weil sie keinen Gehalt aufweise, der über den ersten Halbsatz von § 8 Abs. 1 der Beförderungsbedingungen hinausgehe. Dies folge daraus, dass die Benutzung eines Zusatzfahrausweises ohne gleichzeitige Mitführung der entsprechenden Zeitkarte gemäß § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 der Bedingungen gegen die Beförderungsbedingungen verstoße.

Die Revision rügt, der zweite Halbsatz ("insbesondere-Zusatz") von § 8 Abs. 1 i.V.m. Nr. 9 der Beförderungsbedingungen sei mangels Entsprechung in der VOABB der Inhaltskontrolle unterworfen. Er gebe keine Leitlinie für die Ausübung des im ersten Halbsatz eingeräumten Ermessens und benachteilige den Kunden unangemessen. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung dahingehend, dass den Fahrgast, dessen Fahrausweis eingezogen werden solle, ein Verschulden treffen müsse, gelte vor allem in den von Nr. 9 der Beförderungsbedingungen geregelten Fällen. Da ein Fahrgast, der zusätzlich zu seiner Zusatzfahrkarte versehentlich nicht die erforderliche Zeitkarte mit sich führe, den vollen Fahrpreis bezahlt habe, dürfe er nicht so behandelt werden, als sei er zur Inanspruchnahme der Beförderungsleistung nicht berechtigt. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der ein entsprechendes Verschuldenskorrektiv nicht aufweisenden Klausel der Beklagten.

Die Rüge ist unberechtigt.

§ 8 Abs. 1 2. Halbs. Nr. 9 der Beförderungsbedingungen, wonach insbesondere Fahrausweise ungültig sind und eingezogen werden können, die nur in Verbindung mit einer Zeitkarte gelten, wenn diese nicht vorgezeigt werden kann, unterliegt - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - keiner anderen Beurteilung als die oben unter 2. abgehandelte Regelung des § 8 Abs. 1 1. Halbs. der Beförderungsbedingungen und ist daher gleichfalls nicht unwirksam. Sie hat gegenüber dieser keinen eigenständigen Regelungsgehalt, da das angeführte Beispiel - denkt man den "insbesondere"-Zusatz nach Nr. 9 hinweg - unter den ersten Halbsatz fällt. Gilt ein Fahrausweis gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten nur in Verbindung mit einer Zeitkarte, sind Zeitkarte und Zusatzfahrausweis gemeinsam "der" über den örtlichen Geltungsbereich der Zeitkarte zur Weiterfahrt berechtigende Fahrausweis. Wie § 6 Abs. 2 der Beförderungsbedingungen zu entnehmen ist, muss der Fahrausweis während der Fahrt mitgeführt werden. Kann die Zeitkarte nicht vorgezeigt werden, liegt demnach ein Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen im Sinne des ersten Halbsatzes von § 8 Abs. 1 vor.

4. Zutreffend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass § 8 Abs. 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten inhaltlich mit § 8 Abs. 2 VOABB identisch und daher gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen ist. Soweit in den Bedingungen der Beklagten anstelle des Wortes "Antrag" das Wort "Bescheinigung" verwendet wird, führt dies entgegen der Ansicht der Revision zu keiner inhaltlichen Abweichung. Entscheidend für die Anwendung beider Regelungen ist, dass der Fahrausweis nicht allein, sondern nur in Verbindung mit einer in den Beförderungsbedingungen oder dem Beförderungstarif vorgesehenen Urkunde zur Beförderung berechtigt. Ob diese Urkunde als Antrag oder als Bescheinigung bezeichnet wird, ist ohne Belang. Da die Klausel der Beklagten erkennbar auf eine inhaltsgleiche Rechtsvorschrift Bezug nimmt, ist für die Bestimmung des Klauselinhalts nicht anders als für die Rechtsvorschrift die allgemeine Gesetzesauslegung maßgeblich (s.o.). Danach verbietet es sich auch hier bereits im Ansatz, aus einer einschränkenden (richtlinienkonformen) Auslegung der Rechtsvorschrift eine inhaltliche Abweichung zum Gegenstand der deklaratorischen Klausel herzuleiten. Die von der Revision aufgeworfene Frage einer im Wege richtlinienkonformer Auslegung vorzunehmenden Ergänzung von § 8 Abs. 2 VOABB um ein (ungeschriebenes) Verschuldenserfordernis stellt sich demgemäß nicht.

5. § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 10 Abs. 4 Nr. 2 der Beförderungsbedingungen regeln, dass für Fahrausweise, die eingezogen werden, das Fahrgeld nicht erstattet wird bzw. ein Anspruch auf Erstattung des Beförderungsentgelts nicht besteht. Das Berufungsgericht hat ohne nähere Begründung angenommen, dass die Regelungen mit § 8 Abs. 1 Satz 2 VOABB inhaltlich identisch und deshalb nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen seien.

Dies hält den Revisionsangriffen des Klägers nicht stand. Die Klauseln sind der Inhaltskontrolle unterworfen und erweisen sich als unwirksam.

a) Der in den Beförderungsbedingungen der Beklagten geregelte Ausschluss einer Fahrgelderstattung schließt den in § 8 Abs. 2 geregelten Fall der Einziehung eines Fahrausweises wegen Nichtvorzeigens der Bescheinigung oder des Personalausweises, in Verbindung mit denen der Fahrausweis zur Beförderung berechtigt, ein. Mit diesem Inhalt geht die Klausel über die Regelungen der VOABB hinaus. Der in § 8 Abs. 1 Satz 2 VOABB vorgesehene Ausschluss einer Fahrgelderstattung bezieht sich nach der systematischen Stellung der Regelung nämlich nicht auf den Tatbestand des § 8 Abs. 2 VOABB. Da Absatz 2 einen Sondertatbestand mit gegenüber Absatz 1 modifizierter Rechtsfolgenbestimmung ("gilt als ungültig und kann eingezogen werden") schaffen will, scheidet auch eine entsprechende Anwendung der gerade nicht übernommenen oder in Bezug genommenen Folge des § 8 Abs. 1 Satz 2 VOABB aus.

b) § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 10 Abs. 4 Nr. 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten sind unwirksam. Die Erstreckung des Ausschlusses einer Fahrgelderstattung auf die Fälle des Nichtvorzeigens der Bescheinigung oder des Personalausweises, die mit dem Fahrausweis gemeinsam zur Beförderung berechtigen, benachteiligt den Fahrgast im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

aa) Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt (BGHZ 115, 38, 42 m.w.N.). Dass in § 8 Abs. 2 VOABB ein Ausschluss der Fahrpreiserstattung nicht vorgesehen ist, hat keine Zweckmäßigkeitsgründe, sondern steht in Übereinstimmung mit dem bei gegenseitigen Verträgen wesentlichen Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, an dessen Verletzung der Bundesgerichtshof bereits mehrfach die Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen geknüpft hat (vgl. BGHZ 96, 103, 109; 124, 351, 353 f.; , NJW-RR 1997, 304, 305). Die § 8 Abs. 2 VOABB entsprechende Klausel der Beklagten erlaubt unter ihren Voraussetzungen grundsätzlich auch die Einziehung von Zeitfahrkarten, etwa Ausbildungsmonatskarten, die nur in Verbindung mit der Kundenkarte (4.7.1 des Tarifs) sowie einer Bestätigung der Ausbildungsstätte oder einem Schülerausweis gelten (4.7.2.3 des Tarifs). Wird eine solche Karte eingezogen, führt dies insbesondere dann, wenn die Einziehung zu Beginn ihrer Geltungsdauer erfolgt, zu einem mit dem Äquivalenzprinzip unvereinbaren Ungleichgewicht der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten. Denn der Ausschluss der Fahrpreiserstattung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 10 Abs. 4 Nr. 2 der angegriffenen Beförderungsbedingungen hat hier zur Folge, dass der Personenbeförderer die Vergütung vollständig einbehalten kann, ohne dass dem Karteninhaber im Gegenzug die Möglichkeit eingeräumt wird, Beförderungsleistungen innerhalb der gegebenenfalls ganz erheblichen Restgeltungsdauer der Fahrkarte noch in Anspruch nehmen zu können. Dass ein solcher Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip grundsätzlich eine unangemessene Benachteiligung beinhaltet, zeigt auch die Parallele zum Klauselverbot des § 308 Nr. 7 BGB. Unter Wertungsgesichtspunkten macht es keinen Unterschied, ob der Verwender für den Fall einer Kündigung oder eines Rücktritts vom Vertrag eine unangemessen hohe Vergütung für bis dahin erbrachte Leistungen verlangt oder ob er - wie im Entscheidungsfall - eine bereits geleistete Vergütung einbehält, ohne seinerseits eine weitere Leistung zu erbringen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt umso mehr vor, als für den Personenbeförderer die Möglichkeit zum Einbehalt der vollständigen Vergütung nur deshalb besteht, weil er den Fahrgast mit dem Fahrkartenerwerb in Abweichung von der Grundregel des § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Vorausleistung zwingt.

bb) Auch bei Abwägung der wechselseitigen Interessen bestätigt sich die aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgende Vermutung, dass die angegriffenen Klauseln den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Benachteiligung des Vertragspartners wird nicht durch höherrangige Interessen des Verwenders gerechtfertigt (vgl. BGHZ 114, 238, 242). Da die Parteien zur Interessenlage vorgetragen haben und weitere tatsächliche Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die Würdigung selbst vornehmen (vgl. BGHZ 122, 308, 316).

§ 8 Abs. 2 VOABB soll sicherstellen, dass personengebundene Fahrausweise nur vom berechtigten Inhaber benutzt werden, die Beförderungsleistung also nicht von Dritten unberechtigt in Anspruch genommen wird. Wird die die Berechtigung ausweisende Urkunde (Bescheinigung oder Personalausweis) nicht gemeinsam mit dem Fahrausweis benutzt, kann bei einer Fahrkartenkontrolle die Berechtigung des Benutzers in der Regel nicht positiv festgestellt werden. Dieses Verhalten wird dadurch sanktioniert, dass die Ungültigkeit des Fahrausweises für die Fahrt fingiert wird ("gilt als ungültig"), was die zusätzliche Verpflichtung zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts auslöst (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 der Beförderungsbedingungen), und dass dem Personenbeförderer das fakultative Recht zur Einziehung des Fahrausweises zusteht. Die genannten Maßnahmen sind geeignete Mittel, um den Karteninhaber zum Mitführen der für die Benutzung des Fahrausweises erforderlichen Berechtigungsurkunde anzuhalten. Durch einen generellen Ausschluss der Fahrgelderstattung ein entsprechendes Fehlverhalten des berechtigten Karteninhabers zusätzlich zu sanktionieren, lässt sich nicht rechtfertigen. Ein berechtigtes Interesse am (vollständigen) Einbehalten des Beförderungsentgelts lässt sich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, für den Personenbeförderer bestehe aufgrund der fehlerhaften Fahrkartenverwendung die Gefahr, die Beförderungsleistung in einem Umfang erbracht zu haben, der über den geschuldeten Umfang hinausgeht. Im Fall des § 8 Abs. 2 VOABB lässt sich eine derartige Gefahr nur daraus herleiten, dass die Beförderungsleistung von einer anderen als der berechtigten Person in Anspruch genommen worden ist. Weist der Karteninhaber seine Berechtigung zur Inanspruchnahme der Beförderungsleistung nachträglich nach, steht jedoch fest, dass sich diese Gefahr nicht realisiert hat und das Einbehalten der Vergütung sich nicht als kompensatorische Maßnahme rechtfertigen lässt. Der mit dem nachträglichen Nachweis der Berechtigung und Rückerstattung des (restlichen) Fahrgeldes verbundene Verwaltungsaufwand begründet schließlich ebenfalls kein hinreichendes Interesse am Einbehalten der Vergütung, da sich der Personenbeförderer insoweit durch Erhebung einer kostendeckenden Gebühr beim Fahrgast schadlos halten kann.

Auch wenn es für sich betrachtet dem Fahrgast zumutbar ist, die Bescheinigung oder den Personalausweis, mit dem der Fahrausweis zur Beförderung berechtigt, mit sich zu führen, ist nach alledem das Interesse des Fahrgastes, zusätzlich zum Fahrausweis nicht auch noch seinen Anspruch auf (teilweise) Rückerstattung des Fahrgeldes allein deshalb zu verlieren, weil er die seine Berechtigung ausweisende Urkunde nicht vorzeigen kann, höher zu bewerten als das Interesse des Personenbeförderers. Da die Klauseln nicht teilbar sind und eine geltungserhaltende Reduktion unzulässig ist, sind die Klauseln insgesamt unwirksam.

c) Gemäß § 563 Abs. 3 ZPO kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und gemäß § 1 UKlaG die Beklagte entsprechend dem Klageantrag in der Berufungsinstanz zur Unterlassung der Verwendung der unwirksamen Klauseln verurteilen, da das Berufungsgericht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat und neuer Tatsachenvortrag nicht zu erwarten ist.

6. Zu § 8 Abs. 3 Satz 3 der Beförderungsbedingungen, der Ersatzansprüche des Fahrgastes - insbesondere für Zeitverluste und Verdienstausfälle - ausschließt, hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Regelung betreffe nur die Folgen der berechtigten Einziehung eines Fahrausweises und beinhalte lediglich eine rechtliche Selbstverständlichkeit, da in diesem Fall vertragliche Ersatzansprüche oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung mangels Pflichtverletzung von vornherein ausgeschlossen seien.

Die Revision rügt, die Klausel benachteilige den Fahrgast unangemessen und verstoße gegen das in § 309 Nr. 7b BGB geregelte Klauselverbot, weil die Bedingung einen Haftungsausschluss auch für grob fahrlässiges und vorsätzliches Verhalten der Beklagten beinhalte. Dies gelte etwa, wenn auf Seiten der Beklagten die Gültigkeit des Fahrausweises positiv bekannt sei oder hätte bekannt sein müssen und der Entzug dennoch unberechtigterweise erfolge.

Die Rüge bleibt ohne Erfolg.

§ 8 Abs. 3 der Beförderungsbedingungen regelt Rechtsfolgen, die eine auf Grundlage der Absätze 1 und 2 erfolgte Einziehung eines Fahrausweises nach sich zieht. Für verständige und redliche Vertragsparteien steht unter Berücksichtigung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise mangels abweichender Anhaltspunkte außer Zweifel, dass § 8 Abs. 3 Satz 3 außerhalb des Anwendungsbereichs der Absätze 1 und 2 nicht zur Anwendung kommt. Ergibt sich in diesem Anwendungsbereich die in Abs. 3 Satz 3 genannte Rechtsfolge bereits von Gesetzes wegen, handelt es sich im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB um eine deklaratorische Klausel, die der Inhaltskontrolle entzogen ist. Dies ist zu bejahen. Um Ersatzansprüche aus dem Beförderungsvertrag oder unerlaubter Handlung begründen zu können, müsste eine Pflichtverletzung bzw. ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten vorliegen. Sind die Bedingungen zur Ungültigkeit und Einziehung von Fahrausweisen jedoch wirksam - wie oben für § 8 Abs. 1 1. Halbs. und 2. Halbs. i.V.m. Nr. 9 und Abs. 2 festgestellt - und in den Vertrag einbezogen (vgl. § 305a Nr. 1 BGB), liegt ein pflicht- oder rechtswidriges Verhalten nicht vor, soweit die Beklagte von ihrem vertragsmäßigen Recht zur Einziehung ungültiger Fahrausweise Gebrauch macht. Überschreitet die Beklagte ihre gemäß den Beförderungsbedingungen eingeräumte Einziehungsbefugnis - etwa weil ein Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen nicht vorliegt oder die Beklagte das ihr eingeräumte Einzugsermessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben pflichtwidrig ausgeübt hat -, bewegt sie sich außerhalb des Anwendungsbereichs der Beförderungsbedingungen mit der Konsequenz, dass die Rechtsfolge des auf die Tatbestände des § 8 Abs. 1 und 2 bezogenen Haftungsausschlusses nach Absatz 3 Satz 3 nicht eingreift.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1124 Nr. 16
ZAAAC-32485

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein