BGH Beschluss v. - 1 StR 93/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 823 Abs. 2; StGB § 263 Abs. 1; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5; StPO § 265

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten K. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie wegen versuchter Nötigung unter Einbeziehung einer Verurteilung aus einem anderen Verfahren zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt.

Mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß beide Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe statt wegen versuchter Nötigung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung hätten verurteilt werden müssen und daß - insoweit wird die Revision vom Generalbundesanwalt vertreten - der Angeklagte K. im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Die Rechtsmittel führen hinsichtlich des Angeklagten K. zur teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen sind sie unbegründet.

1. Nach den Feststellungen wurden beide Angeklagte, die sich vor der Tatbegehung nicht kannten, bei einem Drogengeschäft am von dem Geschädigten Kl. in der Weise "gelinkt", daß dieser dem Angeklagten J. den restlichen Kaufpreis und dem Angeklagten K. restliches Kokain schuldig blieb. Zu Fall II. 3. stellt das Landgericht fest: Die Angeklagten suchten den Kl. gemeinsam auf, um - notfalls gewaltsam - ihre Restforderungen durchzusetzen. Mehr als das, was ihnen nach ihrer Beurteilung zustand, strebten sie dabei nicht an. Der Angeklagte K. drohte dem Kl. Schläge an, während der Angeklagte J. , um die Forderungen zu unterstreichen, ihm mit der Faust in das Gesicht schlug. Sodann zerschlug der Angeklagte J. eine Schnapsflasche und drückte, den Flaschenhals in der Hand haltend, die restliche Flasche mit dem scharfen Glasteil mit aller Kraft gegen die untere linke Gesichtshälfte des Kl. , so daß das Glas die Wange durchdrang und im Bereich des Jochbeins wieder austrat. Kl. blutete stark und versuchte zu fliehen. Die Angeklagten holten ihn wieder ein und schlugen beide auf ihn ein. Der Angeklagte K. zog dazu einen Ledergürtel aus seiner Hose und schlug auch damit mehrmals zu. Als Kl. weiter zu flüchten versuchte, verfolgten sie ihn erneut. Nachdem eine Frau aus dem Fenster gerufen hatte, sie werde die Polizei alarmieren, gaben die beiden Angeklagten ihre Tat auf und flohen.

2. Das Landgericht hat in dem Verhalten beider Angeklagter zu Recht mangels Absicht der unrechtmäßigen Bereicherung keine versuchte schwere räuberische Erpressung gesehen. Zwar stand den Angeklagten wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) ein Anspruch weder auf den restlichen Kaufpreis noch auf das restliche Kokain zu. Ob sie berechtigt waren, von Kl. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB Schadensersatz wegen Betrugs zu verlangen, wie der 3. Strafsenat des - (NStZ-RR 2002, 214) entschieden hat, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zufolge, an die der Senat gebunden ist, sind sie jedenfalls für die von ihnen erstrebte Bereicherung vom Bestehen solcher Ansprüche ausgegangen, so daß sie - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - zumindest in einem Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 Satz 2 StGB) handelten. Damit fehlte ihnen die Absicht einer unrechtmäßigen Bereicherung (vgl. ; BGH NStZ-RR 1999, 6).

3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. habe sich nur der versuchten Nötigung, nicht aber tateinheitlich auch als Mittäter der von dem Angeklagten J. begangenen gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht, hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die von dem Landgericht zugrundegelegten Feststellungen ergeben, daß der Angeklagte diesen Straftatbestand bereits in der Form der gemeinschaftlichen Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) erfüllt hat (vgl. UA S. 13: "Beide Angeklagten schlugen dort ..."). Der Senat sieht sich allerdings an einer eigenen entsprechenden Ergänzung des Schuldspruchs gehindert, weil dieser erweiterte Schuldvorwurf von der Anklage nicht erfaßt war und der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht keinen entsprechenden Hinweis nach § 265 StPO erhalten hat, so daß er nicht rechtzeitig Gelegenheit hatte, sich in dieser weitergehenden Richtung zu verteidigen.

b) Nach den getroffenen Feststellungen ist zudem nicht erkennbar, warum dem Angeklagten K. der Einsatz der zersplitterten Glasflasche als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB nicht zuzurechnen ist. Jeder Mittäter haftet zwar für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht; ein Exzeß der anderen fällt ihm nicht zur Last (vgl. BGHSt 36, 231, 234; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 25 Rdn. 8a). Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muß, vom Willen des Mittäters umfaßt, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat; ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist (BGH NJW 1973, 377; BGH GA 1985, 270). Der gemeinsame, die Anwendung erforderlicher Gewalt einschließende Plan und dessen konsequente und koordinierte Durchführung, bei der sich der Angeklagte K. aktiv - und zwar insbesondere noch nach dem Einsatz der zerbrochenen Flasche - an den Verletzungshandlungen beteiligte, legen nahe, daß der Angeklagte sich mit der konkreten Vorgehensweise des Mitangeklagten J. einverstanden erklärt hat oder sie ihm zumindest gleichgültig war.

c) Das Landgericht geht schließlich angesichts der Tatsache, daß der Angeklagte K. selbst mit einem Ledergürtel auf den Zeugen Kl. eingeschlagen hat, nicht auf die für den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB unentbehrliche Frage ein, ob hier "ein Werkzeug nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung zu einem gefährlichen gemacht" worden ist. Je nach den Umständen - etwa bei Schlägen gegen besonders verletzliche oder empfindliche Organe und Körperteile - kann ein solcher Gürtel ein "gefährliches" Werkzeug sein. Zur Klärung dieser Frage bedurfte es hier daher näherer Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen des Tatgeschehens. Diese hat das Landgericht nicht getroffen.

d) Zu II. 3. der Urteilsgründe sind daher erneute tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen geboten. Das bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
PAAAC-10701

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