BGH Beschluss v. - XII ZB 145/05

Leitsatz

[1] Ist ein Rechtsanwalt infolge vorhersehbarer Erkrankungen (hier: öfters auftretende Sehstörungen) gehindert, fristwahrende Schriftsätze zu fertigen, muss er durch Bestellung eines Vertreters für deren Erledigung sorgen oder zumindest in anderer Weise sicherstellen, dass rechtzeitig Fristverlängerung beantragt werden kann.

Gesetze: ZPO § 233 D

Instanzenzug: AG Meppen 8 C 1479/03 vom LG Osnabrück 1 S 286/04 vom

Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen das am zugestellte Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist auf Antrag ihres Prozessbevollmächtigten zuletzt bis zum verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am Montag, den , bei dem Berufungsgericht eingegangen. Am gleichen Tag hat die Klägerin ebenfalls per Fax Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter leide seit einiger Zeit unter sporadisch auftretenden, akuten Sehstörungen, die dazu führten, dass er nicht einmal mehr das Schriftbild in Akten und Büchern erkennen könne. Deshalb habe ihr Prozessbevollmächtigter sich in den letzten Monaten einer Vielzahl von medizinischen Untersuchungen unterziehen müssen und auch die zweite Fristverlängerung beantragt. Die Berufungsbegründung sei bis zum weitgehend fertig gestellt gewesen und habe nur noch einer Überarbeitung bedurft. Als ihr Prozessbevollmächtigter nach Büroschluss am Freitag, den , die Berufungsbegründung habe fertig stellen wollen, seien erneut akute Sehstörungen aufgetreten, weshalb die Berufungsbegründung am nicht habe fertig gestellt werden können, sondern erst am darauf folgenden Montag, den . Aufgrund der Sehstörungen habe ihr Prozessbevollmächtigter auch keinen weiteren Verlängerungsantrag innerhalb der Frist mehr abfassen können.

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiter verfolgt und die Aufhebung der vom Landgericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht weder auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, namentlich des Rechts auf Gewähr rechtlichen Gehörs (BGHZ 151, 221, 226 f.), noch verletzt sie den Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip, - NJW 2004, 367, 368).

Das Berufungsgericht ist aufgrund des Vortrags des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in dem Wiedereinsetzungsgesuch vom davon ausgegangen, dass dieser seit einiger Zeit unter sporadisch auftretenden akuten Sehstörungen leidet und sich deshalb in den letzten Monaten einer Vielzahl von medizinischen Untersuchungen unterziehen musste. Das Berufungsgericht hat deshalb angenommen, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei verpflichtet gewesen, durch Bestellung eines Vertreters dafür Sorge zu tragen, dass die fristgebundenen Arbeiten für den Fall einer erneut auftretenden Sehstörung ordnungsgemäß erledigt werden konnten.

Diese Annahme des Berufungsgerichts steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach schließt die Krankheit eines Prozessbevollmächtigten das Verschulden der Versäumung einer Frist nur dann aus, wenn die Erkrankung für den Prozessbevollmächtigten nicht vorhersehbar war (BGH Beschlüsse vom - II ZB 1/91 - VersR 1991, 1270 f. m.w.N.; vom - II ZB 7/95 - NJW 1996, 1540, 1541; vom - XI ZB 20/99 - Juris).

Das war hier nach dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten im Wiedereinsetzungsgesuch nicht der Fall. Auch bei Berücksichtigung seines weiteren, erst nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom erfolgten Vortrags zu den Einzelheiten seiner Erkrankung ist eine andere Beurteilung nicht angezeigt. Nachdem die massiven Sehstörungen wiederholt plötzlich aufgetreten waren, musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch dann, wenn ab Ende Mai und nach Verordnung einer Brille bis zum keine Sehstörung mehr aufgetreten war, jedenfalls noch im Juli 2004 damit rechnen, dass die plötzlichen Sehstörungen wieder auftreten können. Er war deshalb verpflichtet, durch Bestellung eines Vertreters für die Erledigung der fristgebundenen Arbeiten Sorge zu tragen oder zumindest sicherzustellen, dass rechtzeitig ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
HFR 2006 S. 1045 Nr. 10
INF 2007 S. 210 Nr. 6
NJW 2006 S. 2412 Nr. 33
SJ 2007 S. 45 Nr. 6
NAAAC-06008

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja