BGH Beschluss v. - IV ZR 140/04

Leitsatz

[1] Zur Bedeutung einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung bei der Erbunwürdigkeit gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB.

Gesetze: BGB § 2339 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug: LG Landshut

Gründe

Die Beschwerde hat nicht aufzuzeigen vermocht, daß das Berufungsurteil auf den von ihr geltend gemachten Zulassungsgründen beruht.

1. Zu Recht rügt sie allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei bereits wegen der bindenden Wirkung seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung für erbunwürdig zu erklären. Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozeßrecht beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. § 14 EGZPO Rdn. 3). Aus diesem Grund setzt § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO anderslautende landesrechtliche Prozeßvorschriften außer Kraft. Der Zivilrichter muß sich seine Überzeugung grundsätzlich selbst bilden und ist regelmäßig auch nicht an einzelne Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils gebunden. Allerdings darf er bei engem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang von Zivil- und Strafverfahren rechtskräftige Strafurteile nicht völlig unberücksichtigt lassen, er ist vielmehr gehalten, sich mit den Feststellungen auseinanderzusetzen, die für seine eigene Beweiswürdigung relevant sind ( - BGHR EGZPO § 14 Abs. 2 Nr. 1 Strafurteil 1; - NJW 1999, 82 unter II 2 b). Die freie Tatsachenprüfung findet ihre Grenze nur, soweit Existenz und Inhalt eines Strafurteils Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs bilden (vgl. IVb ZR 576/80 - NJW 1983, 230 unter 2 zu § 581 ZPO; siehe ferner etwa §§ 8, 9 StrEntschG).

Letzteres ist bei strafgerichtlichen Verurteilungen wegen der als Gründe für eine Erbunwürdigkeit in § 2339 Abs. 1 Nr. 1-4 BGB bezeichneten Handlungen nicht der Fall; nach einhelliger zutreffender Auffassung scheidet eine Bindungswirkung aus (Staudinger/Olshausen, [2004] BGB § 2339 Rdn. 28; Soergel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2339 Rdn. 2; Deutscher Erbrechtskommentar/Stiewe, BGB § 2339 Rdn. 2; Weimar, MDR 1962, 633, 634). Gründe für eine andere Beurteilung bei der Erbunwürdigkeit wegen Urkundenfälschung sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

2. Trotz dieser vom Berufungsgericht abweichend von der geltenden Rechtslage behandelten prozeßrechtlichen Frage kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich; es kann ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht bei Verneinung der Bindungswirkung und ausdrücklicher Berücksichtigung des Berufungsvorbringens anders entschieden hätte (vgl. nur - NJW 2003, 3205; Beschlüsse vom - XI ZR 153/02 - MDR 2003, 647 und vom - VII ZR 101/02 - NJW 2003, 831).

Das Landgericht hat unter gebotener Einbeziehung des Strafverfahrens (vgl. aaO) und insbesondere unter zulässiger urkundsbeweislicher Verwertung einzelner Beweisergebnisse (vgl. BAG aaO) wie der erstatteten Schriftgutachten nach entsprechenden ausführlichen Hinweisen aufgrund umfassender Beweiswürdigung rechts- und verfahrensfehlerfrei sich die Überzeugung von der Täterschaft des Beklagten verschafft. Das Berufungsgericht billigt ausweislich seines Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO vom diese Beurteilung des Landgerichts. Im Lichte dieses Beschlusses ist auch der Satz in den Gründen des Berufungsurteils zu sehen, wonach das Landgericht den Beklagten zu Recht für erbunwürdig erklärt hat. Beweisaufnahme, Beweiswürdigung und Beweisergebnis hat die Berufung nicht wirksam anzugreifen vermocht. Ihr dagegen gerichtetes Vorbringen ist - wie dies bereits im vorangegangenen Wiederaufnahmeverfahren angenommen worden ist - unerheblich. Den Beweisangeboten war nicht nachzugehen. Insbesondere geben die vorgelegten Privatgutachten S. und P. bereits in Ermangelung ausreichender Untersuchungsgrundlagen keinen Anlaß, an den überzeugend begründeten Untersuchungsergebnissen der im Strafverfahren herangezogenen Sachverständigen zu zweifeln. Deren Anhörung hat der Beklagte trotz entsprechender Hinweise des Landgerichts indes nicht beantragt. Das Berufungsvorbringen beschränkt sich im Kern auf ein schlichtes Bestreiten, die Testamente verfaßt zu haben. Das reicht aber angesichts der vom Landgericht umfassend gewürdigten Umstände und Beweisergebnisse in Verbindung mit den Einlassungen des Beklagten im Strafverfahren nicht aus. Es kann daher ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht im Ergebnis anders als geschehen entschieden hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1024 Nr. 15
WM 2005 S. 1530 Nr. 32
EAAAB-99026

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein