BGH Beschluss v. - III ZB 120/05

Leitsatz

[1] a) Zur Abgrenzung eines Auftrags für "sonstige Einzeltätigkeiten" nach Nr. 3403 VV von einem umfassenden Verfahrensauftrag für ein Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem Bundesgerichtshof.

b) Betraut im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Rechtsmittelgegner einen nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt mit einer Einzeltätigkeit, die auf eine Rücknahme der Beschwerde zielt, und sieht er von der Beauftragung eines postulationsfähigen Rechtsanwalts ab, sind die Kosten des beauftragten Rechtsanwalts nach Maßgabe des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstatten.

Gesetze: RVG VV Nr. 3403; RVG VV Nr. 3506; RVG VV Nr. 3508; ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: LG München I 28 O 2416/02 vom OLG München 11 W 666/05 vom

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob und in welcher Höhe die Klägerin dem Beklagten zu 2 Kosten zu erstatten hat, die ihm durch die Tätigkeit seines Rechtsanwalts in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Senat entstanden sind. Der Anwalt hatte den Beklagten zu 2 in der ersten Instanz und in der Berufungsinstanz vertreten und ist beim Bundesgerichtshof nicht zugelassen.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Das Landgericht wies durch Urteil vom die gegen drei Beklagte gerichtete Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf, soweit es die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Klage betraf, und verwies den Rechtsstreit insoweit - dem Antrag der Klägerin folgend - an das Landgericht zurück; die gegen die Beklagte zu 3 gerichtete Berufung wurde zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil legten die Beklagte zu 1 am und die Klägerin, die im Rubrum ihrer Beschwerdeschrift alle Beklagten aufführte und als Beschwerdegegner bezeichnete, am Beschwerde ein. Der Beklagte zu 2, der das Berufungsurteil hinnehmen wollte und zunächst davon ausging, auch die Klägerin habe das Urteil nicht angefochten, war an einer baldigen Fortführung des gegen ihn gerichteten Verfahrens vor dem Landgericht interessiert. Sein Prozessbevollmächtigter beantragte daher mit Schriftsatz vom beim Landgericht mit Rücksicht auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 die abgetrennte Verhandlung der gegen ihn erhobenen Ansprüche. Da das Landgericht diesem Antrag wegen der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde nicht nachkam, regte der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom beim Senat die Abtrennung des gegen seinen Mandanten gerichteten Verfahrens an. Der Senatsvorsitzende wies ihn mit Schreiben vom darauf hin, im Hinblick auf die auch von der Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde sei der gesamte Rechtsstreit beim Bundesgerichtshof angefallen, woran auch eine Trennung nach § 145 ZPO nichts ändern könne. Mit Schreiben vom forderte der Bevollmächtigte des Beklagten zu 2 daraufhin die zweitinstanzlichen Bevollmächtigten der Klägerin auf, die Beschwerde bis zum zurückzunehmen, andernfalls er gehalten sei, einen am Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt zu beauftragen, die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde zu beantragen. Hierauf stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch Schriftsatz vom klar, dass sich das Rechtsmittel nur gegen die Beklagte zu 3 richte. Nach Einwänden des Bevollmächtigten des Beklagten zu 2 im Schriftsatz vom teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom in Bezug auf die prozessrechtliche Behandlung der "Klarstellung" mit, sie sei dahingehend zu verstehen, dass damit vorsorglich die gegen die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen werden sollte. Höchstvorsorglich erklärte er insoweit die Zurücknahme. Der Senat erklärte die Klägerin durch Beschluss vom des eingelegten Rechtsmittels für verlustig und erlegte ihr die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 auf. Nachdem dem Senat die Instanzakten nach Einsichtnahme durch die BGH-Anwälte erstmals am zur Bearbeitung zur Verfügung standen, setzte er den Wert der hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 zurückgenommenen Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin durch Beschluss vom auf 31.291.065,45 € fest.

Auf Antrag des Beklagten zu 2 (im Folgenden Beklagter) hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die von der Klägerin aufgrund des Senatsbeschlusses vom zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom auf 169.849,14 € nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat sie neben Auslagen eine 1,6-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3506 des Vergütungsverzeichnisses (VV) des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) angesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht die zu erstattenden Kosten auf 84.940,85 € herabgesetzt und im Übrigen die Beschwerde zurückgewiesen. Mit den zugelassenen Rechtsbeschwerden begehren die Klägerin die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags und der Beklagte - primär auf der Grundlage der Nr. 3508, beschränkt allerdings auf das 1,6-fache, hilfsweise nach Nr. 3506 - die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Festsetzung.

II.

Die zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hält es aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Beklagtenvertreters (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) für glaubhaft gemacht, dass ihm der Beklagte vor seinem Schreiben vom in einem Gespräch den Auftrag erteilt hat, "alles zu tun, um die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde sofort zu erreichen". Die Rüge der Rechtsbeschwerde der Klägerin, das Beschwerdegericht habe die Beweismittel nicht kritisch gewürdigt und nicht die wesentlichen Gründe für seine Überzeugungsbildung angegeben, ist unbegründet. Zwar mag der Umstand, der Beklagte habe von Anfang an ein solches Gespräch behauptet, gegenüber dem Bestreiten durch die Klägerin nur eine schwache Indizwirkung haben. Ein entsprechender Auftrag wird jedoch entscheidend durch die vom Bevollmächtigten des Beklagten entfaltete Tätigkeit, gegenüber der Klägerin auf eine Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde zu drängen, und die Interessenlage des Beklagten gestützt, die nach den zutreffenden Feststellungen des Beschwerdegerichts dahin ging, angesichts einer die Existenz bedrohenden Klageforderung zu einer schnellen Fortsetzung des Verfahrens vor dem Landgericht zu gelangen. Dass der Beklagte während des Beschwerdeverfahrens einen weitergehenden Auftrag zu einem späteren Zeitpunkt behauptet hat, den das Beschwerdegericht (gleichfalls) nicht als umfassenden Verfahrensauftrag angesehen hat, musste es nicht als Hinweis bewerten, der behauptete Auftrag vor dem sei nicht erteilt worden.

2. Das Beschwerdegericht sieht in dem Auftrag "alles zu tun, um die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde sofort zu erreichen" einen Einzeltätigkeitsauftrag im Sinn der Nr. 3403 VV und nicht einen umfassenden Verfahrensauftrag, der eine Verfahrensgebühr nach der Nr. 3506 VV auslösen könnte. Das ist richtig.

a) Im Abschnitt 4 des dritten Teils des Vergütungsverzeichnisses wird die Vergütung für Einzeltätigkeiten geregelt, etwa in Nr. 3400 diejenige des Verkehrsanwalts und in den Nummern 3401, 3402 diejenige des Terminvertreters. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV entsteht für sonstige Tätigkeiten in einem gerichtlichen Verfahren, wenn der Rechtsanwalt nicht zum Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten bestellt ist. Demgegenüber betreffen die Nr. 3506 VV die Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und die Nr. 3508 VV, die der Beklagte prinzipiell für einschlägig hält, die Verfahrensgebühr für ein entsprechendes Verfahren vor dem Bundesgerichtshof, bei dem sich die Parteien nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können. Nach der systematischen Gliederung des Vergütungsverzeichnisses handelt es sich bei diesen Verfahrensgebühren ebenso wie bei den in den Abschnitten 1 bis 3 geregelten um solche, mit denen die Tätigkeit des für das jeweilige Verfahren mit einem umfassenden Verfahrensauftrag ausgestatteten Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten entgolten wird. Fehlt es an einem solchen umfassenden Verfahrensauftrag, ist die Vergütung für Einzeltätigkeiten des Anwalts in den in Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses aufgeführten gerichtlichen Verfahren dem Abschnitt 4 zu entnehmen (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl. 2004, VV 3403 Rn. 5; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Abschnitt 4 Rn. 47 f; Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG, 2. Aufl. 2006, VV 3403 Rn. 1, 4; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, VV 3403 Rn. 1, 4; Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl. 2004, VV 3403-3404 Rn. 18, abweichend aber für das Beschwerdeverfahren nach Nr. 3500 VV in Rn. 8).

b) Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3508, die der Beklagte im Hinblick auf den nicht veröffentlichten - als erfüllt ansieht - dort war der Beschwerdegegner allerdings durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt vertreten -, scheitert schon daran, dass sein Bevollmächtigter nicht beim Bundesgerichtshof zugelassen ist. Ein entsprechender Anwaltszwang besteht für Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren vor den anderen Revisionsgerichten nicht, so dass dort prinzipiell jeder Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt werden kann und nach den Nummern 3506 bzw. 3206 VV vergütet wird. Ob auch ein beim Bundesgerichtshof nicht zugelassener Anwalt in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof Prozessbevollmächtigter sein kann, dessen Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 entgolten wird, was das Berufungsgericht für nicht ausgeschlossen hält (so auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3200 Rn. 71, 73; für eine Gebühr nach Nr. 3508 auch für den nicht postulationsfähigen Anwalt Gebauer/Schneider, VV 3506-3509 Rn. 5) und der Beklagte hilfsweise begehrt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Beschwerdegericht sieht in dem Auftrag des Beklagten an seinen Rechtsanwalt, alles zu tun, um die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde sofort zu erreichen, zu Recht keinen umfassenden Verfahrensauftrag. Dass auch der Rechtsanwalt des Beklagten dies zunächst so gesehen hat, erhellt aus der Ankündigung im Schreiben vom , einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt zu beauftragen, wenn es nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu einer Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde komme. Ein diesbezüglicher, umfassender Verfahrensauftrag war daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht erteilt.

Dies ist nicht etwa deshalb anders zu beurteilen, weil dem Rechtsanwalt des Beklagten mehrere Möglichkeit offen gestanden haben mögen, wie er die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde fördern konnte. Dass der Auftrag ein Ziel formulierte, das mit der Beendigung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auch Ziel eines umfassenden Verfahrensauftrags sein konnte, spricht ebenfalls nicht gegen die Annahme einer Einzeltätigkeit. Umgekehrt ergibt sich aus einem allgemeinen - die Rechtszüge übergreifenden - Auftrag des Beklagten an seinen Anwalt, die gegen ihn erhobenen Ansprüche abzuwehren, nicht notwendigerweise ein umfassender Verfahrensauftrag für eine Instanz, in der ihm eine Vertretung seines Mandanten vor Gericht mangels Postulationsfähigkeit verschlossen ist.

c) Dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts des Beklagten nicht auf die Aufforderung an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beschränkte, die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde zu veranlassen, führt nicht zur Annahme mehrerer Einzeltätigkeiten. Bereits zum früher geltenden Recht hat der Große Senat für Zivilsachen unter Bezugnahme auf Stimmen in der Literatur entschieden, die Gebühr des § 56 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO gelte alle Schriftsätze ab, die in demselben Rechtszug gefertigt würden (vgl. BGHZ 93, 12, 16). Daran ist auch für das neue Recht festzuhalten (ebenso Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3403 R. 54; Riedel/Sußbauer/Keller, VV Teil 3 Abschnitt 4 Rn. 49; Hartmann, VV 3403 Rn. 16; a.A. möglicherweise Gebauer/Schneider, VV 3403-3404 Rn. 56), zumal die Gebührenvorschrift der Nr. 3403 VV im Gegensatz zum früheren Recht von einer Aufzählung in Betracht kommender sonstiger Einzeltätigkeiten absieht. Auch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 218) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die in Nr. 3403 VV bestimmte Verfahrensgebühr nur eine jeweils ganz bestimmte Einzeltätigkeit abgelten soll, wie der Beklagte meint. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht das Telefongespräch des Rechtsanwalts mit dem Senatsvorsitzenden oder seinem Vertreter im Anschluss an den "klarstellenden" Schriftsatz der Klägerin vom und seinen nachfolgenden Schriftsatz vom als durch den ursprünglichen Auftrag gedeckt und durch die bereits angefallene Gebühr nach Nr. 3403 VV als abgegolten angesehen hat.

d) Der Klägerin kann nicht darin beigetreten werden, der Rechtsanwalt des Beklagten habe die von ihm wahrgenommene Tätigkeit aufgrund seines Mandats für die zweite Instanz ohne besondere weitere Vergütung geschuldet und dem Beklagten sei von Anfang an klar gewesen, dass ihn das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren im Prinzip nichts anginge. Richtig ist, dass die Klägerin, deren Anträgen das Berufungsgericht in Bezug auf die Beklagten zu 1 und 2 gefolgt war, keinen Anlass hatte, in Richtung auf die insoweit betroffenen Ansprüche Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Ihr Schreiben vom an den Bevollmächtigten des Beklagten, in dem die Freigabe einer hinterlegten Sicherheit angesprochen wurde, belegt die Auffassung der Klägerin, dass das Berufungsurteil im Verhältnis zum Beklagten rechtskräftig geworden sei. Ungeachtet dessen war - möglicherweise versehentlich - bereits am Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden, die der Senatsvorsitzende in seinem Schreiben vom und der Senat in seinem Beschluss vom auch auf die Beklagten zu 1 und 2 bezogen haben. Das ist für das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Bestand hiernach im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zwischen den Parteien ein Prozessrechtsverhältnis, war der Beklagte befugt, einen Anwalt zu beauftragen und sich von ihm über das weitere Vorgehen beraten zu lassen (vgl. - NJW 2003, 756, 757). Nahm er hierfür den Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz in Anspruch, gehörte dessen Tätigkeit nicht mehr zum Berufungsrechtszug. Seine Tätigkeit lässt sich auch nicht, wie die Klägerin dies für richtig hält, wie ein Antrag auf Erteilung eines Notfristzeugnisses nach § 706 Abs. 2 ZPO (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG) behandeln oder als Vorbereitungshandlung für das wiedereröffnete Verfahren vor dem Landgericht (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 RVG) qualifizieren, weil auch das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gebührenrechtlich eine eigene Angelegenheit ist (§ 17 Nr. 9 RVG).

3. Dem Beklagten ist nicht darin zu folgen, dass eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV entstanden ist, weil ihm sein Rechtsanwalt vor dem Schriftsatz vom vorgeschlagen habe, er wolle nunmehr gegenüber dem Bundesgerichtshof in dem anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren selbst tätig werden, um die Kosten eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalts zu sparen. Zunächst gilt auch insoweit, dass der Anwalt des Beklagten mangels Postulationsfähigkeit nicht umfassend für den Beklagten tätig werden konnte. Das ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil hier auch die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels in Frage stand. Auch wenn es sich hierbei um eine Fragestellung handelt, die nicht allein im Revisionsverfahren eine Rolle spielen kann, ändert dies - anders als der Beklagte meint - nichts an dem Umstand, dass bei der Frage Zurückhaltung angebracht ist, ob einem nicht postulationsfähigen Anwalt ein umfassender Verfahrensauftrag erteilt worden ist. Zu Recht stellt das Beschwerdegericht bei der Würdigung dieser behaupteten Erweiterung des Auftrags auf den gesamten Zusammenhang, auch auf die bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Entwicklung, ab. Wenn der Anwalt des Beklagten vor seinem Schriftsatz vom seinem Mandanten die Empfehlung gab, auf die Einschaltung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalts zu verzichten, war dies ersichtlich vor dem Hintergrund zu erklären, dass die Klägerin mit ihrer Klarstellung vom , das eingelegte Rechtsmittel richte sich nur gegen die Beklagte zu 3, im praktischen Ergebnis die Waffen gestreckt hatte. Wie bereits ausgeführt, war die mit Schriftsatz vom erhobene Beanstandung, es sei eine förmliche Rücknahmeerklärung erforderlich, bereits hinreichend durch den ursprünglichen Auftrag, auf eine baldige Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde hinzuwirken, abgedeckt und durch die bis dahin entfaltete Tätigkeit gebührenrechtlich abgegolten. Daraus folgt zwar nicht, dass der Schriftsatz vom überflüssig gewesen sei. Denn es war sinnvoll, einer möglichen Absicht der Klägerin entgegenzutreten, mit Hilfe einer Klarstellung die im Raum stehenden Kostenfolgen einer förmlichen Rechtsmittelrücknahme zu vermeiden. Dazu bedurfte es jedoch einer Ausweitung auf einen umfassenden Verfahrensauftrag nicht, wie auch die weitere Korrespondenz des Rechtsanwalts des Beklagten sich auf Anregungen in Bezug auf die von der Klägerin erklärte Rücknahme beschränkte. Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Beschwerdegerichts, unter Einbeziehung des eigenen Kosteninteresses des Beklagten einen umfassenden Verfahrensauftrag zu verneinen, nicht zu beanstanden.

4. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Klägerin nach § 565, § 516 Abs. 3 i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für verpflichtet gehalten, dem Beklagten die entstandenen Kosten seines Rechtsanwalts zu erstatten. Die Auffassung der Klägerin, zu den gesetzlichen Gebühren und Auslagen der obsiegenden Partei im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechneten nur die Kosten des postulationsfähigen und mit der Vertretung vor dem Prozessgericht beauftragten Rechtsanwalts, ist zu eng. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, die genannte Bestimmung erfasse lediglich die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, also des Hauptbevollmächtigten, nicht dagegen Gebühren von Verkehrsanwälten oder Unterbevollmächtigten, deren Erstattungsfähigkeit sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet (Beschlüsse vom - VIII ZB 30/02 - NJW 2003, 898, 899; vom - XI ZB 21/02 - NJW 2003, 1532). In dem Beschluss vom (aaO), der den Fall betraf, dass sich die obsiegende Partei aus den alten Bundesländern vor einem Gericht in den neuen Bundesländern durch einen Anwalt aus den alten Bundesländern vertreten ließ (zu einer solche Fallgestaltung s. auch - juris Rn. 6), wird zur Anwendbarkeit des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO ausgeführt, die Bestimmung stelle nicht darauf ab, ob der Rechtsanwalt beim Prozessgericht zugelassen und in dessen Bezirk ansässig sei, sondern sie sei ihrem Wortlaut nach unterschiedslos auf alle Rechtsanwälte anwendbar. Eine Einschränkung bestehe nur dahingehend, dass lediglich die Gebühren eines Rechtsanwalts, also des Hauptbevollmächtigten, erfasst würden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die in der genannten Entscheidung angesprochene Zulassung beim Prozessgericht, die mit der Fähigkeit, dort aufzutreten, nicht im Zusammenhang steht, nicht ohne weiteres mit der Zulassung des Rechtsanwalts zum Bundesgerichtshof zu vergleichen ist, weil hieran auch die alleinige Befugnis geknüpft ist, vor diesem Gericht aufzutreten. Es bleibt jedoch wesentlich, dass es nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO nicht auf die Zulassung ankommt, sondern auf den Umstand, dass nach dem Zweck der Vorschrift "die Anwaltskosten von rechtswegen als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung und Rechtsvertheidigung gelten" (vgl. Motive bei Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, in: Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 2. Aufl. 1881, Bd. 2, S. 198). Dass insoweit die Postulationsfähigkeit nicht angesprochen wird, hat der Bundesgerichtshof auch zu § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der bis zum geltenden Fassung ausgesprochen (vgl. aaO S. 900). Besteht der Zweck der Regelung in § 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO daher im Wesentlichen darin, die nach Absatz 1 Satz 1 gebotene Prüfung der Notwendigkeit am Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung auszurichten, wenn der obsiegende Gegner mehrere Anwälte beauftragt hat, bestehen keine durchgreifenden Bedenken, die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO in Fällen anzuwenden, in denen die Partei nur einen Rechtsanwalt beauftragt hat, mag ihm auch kein umfassender Verfahrensauftrag erteilt sein, der ihn als Verfahrens- und Prozessbevollmächtigten ausweist (so zu § 56 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO OLG München MDR 1984, 950 und AnwBl 1994, 249; im Ergebnis ähnlich OLG Hamburg MDR 1980, 66 und JurBüro 1988, 1343; vgl. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3403 Rn. 60 f.; Hartung/Römermann/Schons, VV 3403 Rn. 12; Gebauer/Schneider, VV 3403-3404 Rn. 66-68). Denn dass eine Partei, gegen die ein Rechtsmittel geführt wird, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen darf, folgt gerade aus § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. - NJW 2003, 756 f).

Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch im Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO - in Frage standen jeweils die gesetzlichen Gebühren des Prozessbevollmächtigten - geprüft, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten durfte (vgl. Beschlüsse vom - X ZB 27/02 - NJW 2003, 1324, 1325; vom - VIII ZB 19/03 - NJW 2003, 2992, 2993; vom - VII ZB 17/03 - NJW 2004, 73; jeweils unter Bezugnahme auf die Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehen jedoch keine Bedenken dagegen, dass die vom Bevollmächtigten des Beklagten entfaltete Tätigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich war. Die Klägerin geht selbst davon aus, dass sie - unter der Annahme einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags - dem Beklagten eine Verfahrensgebühr von 1,8 (Nr. 3509 VV) hätte erstatten müssen, wenn er alsbald nach Zustellung der Nichtzulassungsbeschwerde einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Sie kann letztlich auch nicht einwenden, die Einschaltung des Bevollmächtigten des Beklagten habe zu keiner nennenswerten Beschleunigung des Verfahrens geführt. Zwar ist es richtig, dass im Hinblick auf die eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden die Akten der Vorinstanzen nach Eingang beim Senat am den Prozessbevollmächtigten bis zum zur Einsichtnahme vorlagen. Das war für den Beklagten jedoch nicht vorauszusehen und musste ihn nicht daran hindern, gegen die Nichtzulassungsbeschwerde vorzugehen. Wäre die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen nicht gegen den Beklagten erhoben worden, wäre es - wie auch später - möglich gewesen, durch Herstellung von Doppel-Akten die alsbaldige Fortsetzung des Verfahrens gegen den Beklagten vor dem Landgericht zu fördern.

Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2266 Nr. 31
HAAAB-98228

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja