BGH Urteil v. - II ZR 118/02

Leitsatz

[1] a) des gutgläubigen Erwerbs einer Sacheinlage bei Gründung einer GmbH,

b) der Schadensersatzansprüche des Mitgründers bei unterlassener Aufklärung über das Fehlen des Eigentums durch den Sacheinleger.

Gesetze: GmbHG § 5 Abs. 4; BGB § 929; BGB § 931; BGB § 932; BGB § 934

Instanzenzug: LG Aachen

Tatbestand

Die Parteien gründeten am die B. M. mbH (künftig: GmbH) zum Zwecke der Führung eines Gastronomiebetriebes. Der Kläger leistete vereinbarungsgemäß eine Bareinlage von 250.000,00 DM, der Beklagte hatte eine Sacheinlage im Wert von 250.000,00 DM zu erbringen. Diese bestand aus Einrichtungsgegenständen, die in einer als Anlage zu dem Gesellschaftsvertrag genommenen Liste aufgeführt waren und aus dem Inventar der "R. GmbH" (künftig: R.) stammten, deren Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Beklagte war. Sie befanden sich aufgrund eines mit dem Gastwirt S. abgeschlossenen Pachtvertrages in dessen unmittelbarem Besitz. Den Pachtvertrag hatte die R. im Hinblick auf Zahlungsrückstände von Herrn S. gekündigt. Nachdem sich Herr S. im November 1998 zur Räumung des Pachtobjektes verpflichtet hatte, übernahm der Kläger für die GmbH den unmittelbaren Besitz an den Inventargegenständen und nutzte sie für die Zwecke der Gesellschaft.

Über das Vermögen der in das Handelsregister eingetragenen GmbH ist am das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter gab das Inventar an die Sparkasse A. heraus, der es mit Vertrag vom von der R. zur Sicherung eines Darlehens übereignet worden war. Der Beklagte hatte den Kläger, der zum Geschäftsführer der GmbH bestellt worden war, über diese Sicherungsübereignung nicht unterrichtet.

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz in Höhe seiner Einlageleistung. Ferner begehrt er die Freistellung von den Forderungen, die gegen ihn von der Brauerei V. GmbH & Co. aufgrund eines mit der GmbH geschlossenen Darlehens- und Bierlieferungsvertrages vom geltend gemacht werden, der durch Sicherungsübereignung der Inventargegenstände und die Übernahme von Bürgschaften durch die Parteien abgesichert worden ist. Er hat vorgetragen, diese Verpflichtungen wäre er niemals eingegangen, wenn der Beklagte bei der Gründung der GmbH offengelegt hätte, daß das Inventar der Sparkasse A. sicherungsweise übereignet worden war.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatz- und Befreiungsanspruch gegen den Beklagten nicht zu.

1. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe eines Betrages von 250.000,00 DM, den er anläßlich der Gründung der GmbH als Einlage geleistet hat. Diesem Begehren kann nicht entsprochen werden.

a) Der Kläger macht einen Schaden geltend, der unmittelbar bei der GmbH eingetreten ist, soweit das bei der GmbH noch vorhandene Vermögen die Kapitalziffer nicht mehr deckt. Der Kläger hat dadurch lediglich mittelbar einen Schaden erlitten, weil seine Beteiligung an der GmbH nicht mehr werthaltig ist. Mit Rücksicht auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens hat die Beseitigung des Schadens dadurch zu erfolgen, daß der Schadenbetrag an die GmbH geleistet wird (vgl. BGHZ 129, 136, 165 m.w.N. [AG]; sowie , ZIP 2001, 1005 [GmbH]).

Das gilt auch für das Insolvenzverfahren, weil hier die Vermögensbindung zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung für die Dauer des Verfahrens fortbesteht (§ 1 Abs. 1 InsO). Sie endet spätestens mit der anteiligen Auskehrung des die Forderungen der Insolvenzgläubiger übersteigenden Überschusses an die Gesellschafter (§ 199 InsO).

Der GmbH stünde - ein vom Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) geltend zu machender - Anspruch auf Leistung einer Bareinlage in Höhe von 250.000,00 DM gegen den Beklagten zu, wenn sie an den in ihren Besitz übergegangenen Inventargegenständen kein Eigentum erworben hätte. Denn dann hätte der Beklagte seine Sacheinlageverpflichtung nicht erfüllt. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die GmbH an den Gegenständen gutgläubig Eigentum erworben hat.

Die Revision verkennt zwar nicht, daß nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RG HRR 1930, Nr. 1214; RG JW 1930, 3740; vgl. auch KG HRR 1928, Nr. 1144) und dem überwiegenden Schrifttum (Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 5 Rdn. 37; Scholz/Winter, GmbHG 9. Aufl. § 5 Rdn. 55; Roth/Altmeppen, GmbHG 3. Aufl. § 5 Rdn. 38; MünchHdb. GesR III/Heinrich 1996, § 9 Rdn. 18; Staudinger/Gursky, BGB 13. Aufl. § 892 Rdn. 89 m.w.N. aus dem Schrifttum) eine Kapitalgesellschaft an Gegenständen gutgläubig Eigentum erwerben kann, die ihr von einem Mitgesellschafter übertragen werden. Sie hält ein solches Ergebnis jedoch deswegen für bedenklich, weil im Anschluß an den Erwerb die Gesellschaft aufgelöst und liquidiert werden und der bösgläubige Gesellschafter sich alsdann das Eigentum an der Sache übertragen lassen könne. Bei dem Erwerb durch eine Vorgesellschaft bestehe zudem zwischen der Vor-GmbH und den Gesellschaftern eine derart große Nähe, daß man von einer wirtschaftlichen Identität beider im Sinne des Gutglaubensschutzes ausgehen müsse. Dieser Ansicht der Revision vermag der Senat nicht zu folgen.

Es ist allgemein anerkannt, daß der Nichteigentümer, der als Nichtberechtigter über einen Gegenstand verfügt hat, von demjenigen, der aufgrund dieser Verfügung gutgläubig Eigentum daran erworben hat, das Eigentum an dem Verfügungsgegenstand zu erwerben in der Lage ist. Er ist dem früheren Eigentümer jedoch - sei es aufgrund Schadensersatzverpflichtung aus positiver Vertragsverletzung oder nach § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 BGB, sei es nach §§ 812 ff. BGB - zur Übereignung verpflichtet (allg. M., vgl. Palandt/Bassenge, BGB 61. Aufl. § 932 Rdn. 17 m.w.N.). Es gibt keinen Grund, das für den vorliegenden Fall anders zu sehen.

Auch der Umstand, daß die Inventargegenstände noch von der Vor-GmbH erworben worden sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ist die Vorgesellschaft nicht wie die in das Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft rechtsfähig. Sie hat aber ebenso wie die Personengesellschaft die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Insoweit kommt ihr gegenüber ihren Gesellschaftern rechtlich Eigenständigkeit zu. Aufgrund dessen ist sie auch in der Lage, nach den dafür maßgebenden rechtlichen Vorschriften Eigentum an beweglichen Sachen zu erwerben. Dazu gehört auch der gutgläubige Eigentumserwerb im Sinne der §§ 929/932 bzw. 931/934 BGB.

Da die GmbH an dem Inventar somit gutgläubig Eigentum erwerben konnte und unter Zugrundelegung der Feststellungen des Berufungsgerichtes auch erworben hat, hat der Beklagte seine Einlagepflicht erfüllt.

b) Selbst wenn man dem vom Berufungsgericht gewählten Ansatz folgen würde, daß dem Kläger aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten ein unmittelbarer Schaden entstanden ist, käme eine Schadensersatzpflicht des Beklagten nicht in Betracht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Beklagten im Zuge der Gründung der GmbH eine Pflicht, den Kläger auf die Sicherungsübereignung des als Sacheinlage einzubringenden Inventars an die Sparkasse A. hinzuweisen, aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) traf, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, oder ob sie aus dem Schutzzweck des § 5 GmbHG unter Beachtung der Schutzgesetzfunktion des § 82 GmbHG herzuleiten ist, wie die Revision meint (zur Schutzgesetzfunktion des § 82 GmbHG vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schaal, GmbHG 4. Aufl. § 82 Rdn. 1; Scholz/Tiedemann, GmbHG 9. Aufl. § 82 Rdn. 11 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG 3. Aufl. § 82 Rdn. 3; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 82 Rdn. 9; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 82 Rdn. 27; Hachenburg/Kohlmann, GmbHG 8. Aufl. § 82 Rdn. 11). Das Berufungsgericht hat zu Recht die Zurechenbarkeit des vom Kläger dargelegten Schadens verneint.

In der Rechtsprechung (vgl. BGHZ 27, 140; 50, 200, 85, 113) und im Schrifttum (Erman/Kuckuk, BGB 10. Aufl. vor § 240 Rdn. 36 f.; Staudinger/Schiemann, BGB 13. Aufl. § 249 Rdn. 27 ff.; MünchKomm. BGB/Oetker, 4. Aufl. § 249 Rdn. 114 f.; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. Vorbemerkung vor § 229 Rdn. 62 ff.; Soergel/Mertens, BGB 12. Aufl. vor § 249 Rdn. 146 ff.) ist anerkannt, daß nur solche Schäden ersetzt werden müssen, die in den Schutzbereich der verletzten Pflicht bzw. Gesetzesnorm fallen.

Die Offenbarungspflicht des Beklagten bezog sich allein darauf, daß er zur Übertragung des Eigentums an den Inventargegenständen auf die GmbH nicht in der Lage war, weil daran Sicherungseigentum der Sparkasse A. bestand. Zweck dieser Offenlegungspflicht ist es lediglich, die Aufbringung des Stammkapitals sicherzustellen, um Ausfälle und eine dadurch eintretende Schädigung künftiger Gesellschafter oder gegenwärtiger oder künftiger Gläubiger zu verhindern. Ihr Ziel ist es aber nicht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Mitgründern Risiken und Nachteile abzunehmen, die mit Fragen der Kapitalaufbringung keinen Zusammenhang aufweisen.

2. Der Kläger begehrt ferner die Freistellung von Forderungen aus dem von der GmbH mit der Brauerei V. GmbH & Co. abgeschlossenen Darlehens- und Bierlieferungsvertrag und der von ihm zu deren Sicherung übernommenen Bürgschaft. Das Berufungsgericht hat auch insoweit die Klage zu Recht abgewiesen.

In diesem Zusammenhang kommen die zum Schadensersatzanspruch dargelegten Einzelheiten über den Reflexschaden nicht zum Tragen. Allerdings haben sich hier Risiken verwirklicht, die mit der Kapitalaufbringung - wie bereits zum Schadensersatzanspruch dargelegt - in keinem Zusammenhang stehen. Zwar könnte dem Kläger ein dem Beklagten zurechenbarer Schaden in einer bestimmten Höhe dadurch entstanden sein, daß die Brauerei V. GmbH & Co. bislang aus der Verwertung der Inventargegenstände keine Befriedigung erlangt hat, weil sie vom Insolvenzverwalter der Sparkasse A. übergeben worden sind und dem Kläger deswegen eine höhere Inanspruchnahme aus der Bürgschaft drohen könnte. Die Revision hat jedoch keinen entsprechenden Vortrag des Klägers aufgezeigt.

3. Die Revision des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben.

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 14 Nr. 1
DB 2002 S. 2704 Nr. 51
DStR 2003 S. 44 Nr. 1
CAAAB-97706

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja