BGH Urteil v. - I ZR 277/00

Leitsatz

[1] Das für eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse entfällt auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts auch unter Geltung des zum neu geregelten Verjährungsrechts regelmäßig nicht deshalb, weil der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen könnte.

Gesetze: ZPO § 254; ZPO § 256 Abs. 1

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts an dem Computerprogramm "M. ". Sie schloß mit der Beklagten zu 1, einer GmbH, im Jahre 1994 einen Software-Vermarktungsvertrag über die Version "M. 3.4" und im Jahre 1997 einen weiteren Vertrag über die Version "M. 4.5" des Programms.

Der Beklagte zu 2 ist seit Geschäftsführer der Beklagten zu 1, deren Vertriebsleiterin seit 1995 die Beklagte zu 3 ist.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte zu 1 habe unerlaubt Vervielfältigungsstücke des Computerprogramms erstellt und diese ohne Abrechnung weiterveräußert.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

a) der Klägerin Auskunft über die von ihnen vorgenommenen Vervielfältigungen des Computerprogramms mit der Bezeichnung "M. " in den Versionen 3.4 OEM und 4.5 OEM sowie den Vertrieb der Vervielfältigungsstücke dieses Programms zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen und nicht gewerblichen Abnehmer, sowie unter Angabe der Mengen der kopierten und ausgelieferten Vervielfältigungsstücke,

b) der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu 1 a) beschriebenen Handlungen Rechnung zu legen und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe der einzelnen Lieferungen unter Nennung

- der Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise und Namen und Anschriften der Abnehmer;

- der Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren;

- sowie des erzielten Gewinns;

2. festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend zu 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit bezogen auf den Auskunftsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung zur Rechnungslegung bestätigt, wobei es hinsichtlich des Beklagten zu 2 den und in bezug auf die Beklagte zu 3 das Jahr 1995 als Beginn bestimmt hat; die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung hat es dagegen aufgehoben und insoweit die Klage abgewiesen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin hätte ihren Schadensersatzanspruch sogleich mit einer - noch unbezifferten - Leistungsklage im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO verfolgen können. Die Bezifferung des Schadens hänge allein von der Auskunft und Rechnungslegung der Beklagten ab. In einem solchen Fall müsse der Weg der Leistungsklage beschritten werden.

II. Die hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Erledigterklärungen des Auskunftsbegehrens zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

1. Allerdings fehlt regelmäßig das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wenn der Kläger eine entsprechende Leistungsklage erheben kann. Dabei steht der Zulässigkeit einer Feststellungsklage grundsätzlich ebenfalls die Möglichkeit entgegen, eine Stufenklage i.S. des § 254 ZPO zu erheben, es sei denn, die Schadensentwicklung ist im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen (, NJW 1996, 2097, 2098; Urt. v. - I ZR 189/99, GRUR 2001, 1177 f. = WRP 2001, 1164 - Feststellungsinteresse II).

Im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht erfährt dieser Grundsatz jedoch Einschränkungen. Das rechtliche Interesse für eine Feststellungsklage entfällt in der Regel nicht bereits dadurch, daß der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen kann, weil die Feststellungsklage trotz an sich möglicher Leistungsklage meist durch prozeßökonomische Erwägungen geboten ist. Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und im Urheberrecht bereitet die Begründung des Schadensersatzanspruchs häufig auch nach erteilter Auskunft Schwierigkeiten und erfordert eine eingehende sachliche Prüfung zur Berechnungsmethode des Schadens. Das Feststellungsurteil schützt den Verletzten zudem vor einer Verjährung im Umfang des gesamten Schadens. Der Senat hat daher bereits zur Rechtslage vor der Neuregelung des Verjährungsrechts zum , die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht maßgeblich war, darauf abgestellt, daß sich in der Praxis die Erhebung der Stufenklage im Wettbewerbsrecht wegen der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 21 UWG), aber auch im sonstigen gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist als besonders nachteilig erwies (vgl. BGH GRUR 2001, 1177, 1178 - Feststellungsinteresse II). Der Verletzte mußte, wenn die zugesprochene Auskunft erteilt war, den Prozeß fortsetzen. Ansonsten begann nach § 211 Abs. 2 BGB a.F. die Verjährungsfrist erneut zu laufen. Für den Verletzten brachte dies zusätzliche Schwierigkeiten mit sich, wenn es zum Streit darüber kam, ob die Auskunft vollständig erteilt war. Diese Erwägungen gelten nach der Neuregelung des Verjährungsrechts zum in noch stärkerem Maße, nachdem die Erhebung der Klage nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur eine Hemmung der Verjährung zur Folge hat, die binnen sechs Monaten nach einem Stillstand des Verfahrens endet (§ 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB).

Darüber hinaus entspricht es prozessualer Erfahrung, daß die Parteien solcher Verfahren nach erfolgter Auskunft und Rechnungslegung in den meisten Fällen auf Grund des Feststellungsurteils zu einer Regulierung des Schadens finden, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es besteht deshalb kein Anlaß, dem Geschädigten aus prozessualen Gründen zu gebieten, das Gericht nach erfolgter Rechnungslegung mit einem Streit über die Höhe des Schadensbetrags zu befassen.

Aufgrund dieser im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht bestehenden Besonderheiten entspricht es für diesen Bereich einhelliger Meinung, daß das für eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse grundsätzlich auch dann besteht, wenn der Kläger im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) auf Leistung klagen kann (vgl. BGH GRUR 2001, 1177, 1178 - Feststellungsinteresse II, m.w.N.).

2. Die Feststellungsklage ist begründet. Es ist außer Streit, daß auf Grund der vom Berufungsgericht festgestellten Verletzungshandlungen - entsprechend dem für erledigt erklärten Klageantrag I 1 a) in Verbindung mit den zeitlichen Beschränkungen (Haftung des Beklagten zu 2 ab und der Beklagten zu 3 ab 1995) - der Klägerin ein Schaden entstanden ist und möglicherweise noch entstehen wird. Für diesen haben die drei Beklagten, soweit sie in zeitlicher Hinsicht übereinstimmend haften, gesamtschuldnerisch einzustehen. Deren Verantwortlichkeit ist vom Berufungsgericht im Rahmen der Verurteilung zur Rechnungslegung festgestellt. Rechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.

Fundstelle(n):
FAAAB-97115

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja