BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 1353/99

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1; BVerfGG § 93 b; BVerfGG § 93 a; BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe a; BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b; BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3;

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des Persönlichkeitsschutzes eines Kindes gegenüber der Wortberichterstattung der Presse. Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein minderjähriger Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen sind mit dem Urteil des Ersten Senats des - geklärt worden. Es ist Aufgabe der Fachgerichte, diese Grundsätze bei der Entscheidung konkreter Streitfälle anzuwenden.

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Das ist der Fall, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

In den angegriffenen Entscheidungen haben die Zivilgerichte die Pressefreiheit, die sie bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften ebenso berücksichtigen müssen wie den grundrechtlichen Persönlichkeitsschutz, weder verkannt noch im Verhältnis zu diesem fehlerhaft gewichtet. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dessen Ausstrahlungswirkung das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht verstärken kann, vermittelt entgegen einigen Ausführungen der angegriffenen Entscheidungen zwar kein allgemeines und umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. das Urteil des Ersten Senats des -, Umdruck S. 28 f.). Er schützt jedoch unter anderem die Privatsphäre. Dieser Schutz erfasst zum einen in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst. Er erstreckt sich zum anderen auf einen räumlich bestimmten Bereich, in dem der Einzelne die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, und in dem er zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann.

Dabei bedürfen Kinder hinsichtlich der Gefahren, die von einer Berichterstattung der Medien über Kinder ausgehen, eines besonderen Schutzes. Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann durch die Berichterstattung in Medien empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen, so dass der Bereich, in dem sie sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, umfassender geschützt sein muss (vgl. das Urteil des Ersten Senats des -, Umdruck S. 35 f.). Dieser Schutz verwirklicht sich nicht nur über das elterliche Erziehungsrecht des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern folgt auch aus dem eigenen Recht des Kindes auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 24, 119 <144>; 45, 400 <417>; 72, 122 <137>). Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit - auf "Person werden" - umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind.

Unter Berücksichtigung dieser grundrechtlichen Maßstäbe legen die angegriffenen Entscheidungen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zugrunde, dass die Äußerung, der Kläger habe noch keine Freundin, in den Bereich der Privatsphäre falle. Hinsichtlich der Beurteilung der Äußerung, der Kläger liebe Fußball, mag die Zuordnung zur Privatsphäre zwar zweifelhaft sein, soweit sich seine Vorliebe in dem Besuch öffentlicher Sportveranstaltungen oder der Teilnahme an öffentlichen Fußballspielen auswirkt. Die Gerichte berücksichtigen dabei sowie bei der Zuordnung der Aussage, der Kläger treibe viel Sport, zur Sozialsphäre jedoch entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu Recht, dass der Kläger sich auf Grund seines Alters in einer besonders schutzwürdigen Phase seiner Persönlichkeitsentwicklung befindet. Verfassungsrechtlich ist die durch solche Erwägungen geprägte Ausgestaltung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts ebenso wenig zu beanstanden wie die im Rahmen der weiteren Tatbestandsmerkmale des Unterlassungsanspruchs erfolgte Bewertung und Gewichtung des durch die Pressefreiheit geschützten Berichterstattungs- und Unterhaltungsinteresses. Auch wenn die bloße Unterhaltung ebenfalls in den Grundrechtsschutz einbezogen ist und sie in mehr oder weniger weit reichendem Umfang meinungsbildende Funktion haben kann, darf im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden (vgl. das Urteil des Ersten Senats des -, Umdruck S. 41 ff.).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
YAAAB-85329