Online-Nachricht - Montag, 15.02.2016

AStG | Hinzurechnungsbesteuerung nach dem EuGH-Urteil "Cadbury Schweppes" (FG)

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Einkünfte einer auf Zypern ansässigen Tochtergesellschaft der inländischen Muttergesellschaft nach den Regelungen der §§ 7 bis 14 AStG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zuzurechnen und damit der inländischen Besteuerung zu unterwerfen sind (; Revision anhängig).

Hintergrund: Die §§ 7 bis 14 AStG regeln den inländischen Steuerzugriff auf Gewinne aus ausländischen Basis- oder Zwischengesellschaften ohne aktive Geschäftstätigkeit. Der EuGH hat in der Rechtssache Cadbury Schweppes, entschieden, dass es europarechtswidrig sei, in die Steuerbemessungsgrundlage Gewinne einzubeziehen, die die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen. Eine Einbeziehung sei nur dann gerechtfertigt, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen beschränke, die dazu bestimmt ist, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung ist folglich abzusehen, wenn die ausländische beherrschte Gesellschaft tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht (; „Cadbury Schweppes“).

Sachverhalt: Die Klägerin war über eine in den Niederlanden ansässige Tochtergesellschaft an einer auf Zypern ansässigen Limited beteiligt. Die Limited hatte auf Zypern Büroräume angemietet und beschäftigte eine Geschäftsführerin. Die Tätigkeit der Limited bestand darin, Buchlizenzen einzuholen, um an diesen Unterlizenzen zu Gunsten dreier, in Russland bzw. der Ukraine ansässigen Konzerngesellschaften der Klägerin zu bestellen, die die Bücher auf dem russischsprachigen Markt vertrieben. Bei der Auswahl der Buchlizenzen richtete sich die Limited nach der Nachfrage bei den Konzerngesellschaften, die sich wiederum u.a. auf Buchmessen über erfolgversprechende Werke informierten und die Kundebeziehungen herstellten. Die hierdurch erzielten Lizenzeinnahmen der Limited rechnete das Finanzamt der Klägerin mit der Begründung zu, dass es an der erforderlichen "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" der Limit ed auf Zypern fehle. Die hiergegen erhobene Klage wies der Senat ab.

Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Die von der Limited erzielten Lizenzgebühren sind als sog. passive Einkünfte im Sinne des AStG anzusehen und lösen eine Hinzurechnungsbesteuerung aus.

  • Von einer Zurechnung ist auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache "Cadbury Schweppes“ abzusehen. Der Gegenbeweis einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der Tochtergesellschaft im Ansässigkeitsstaat, den der EuGH in seiner Entscheidung zulässt, ist der Klägerin nicht gelungen.

  • Dies folgt u.a. daraus, dass die Limited nicht gezielt bestimmte Ressourcen im Aufnahmestaat, z.B. besonders günstige oder entsprechend der Tätigkeit besonders ausgestattete Räumlichkeiten, Maschinen, gut ausgebildetes Personal oder besondere Produktionsbedingungen, genutzt hat.

  • Die räumliche Nähe Zyperns zu Russland bei gleichzeitiger Einbindung in die EU stellt nur ein subjektives Motiv für die Ansiedelung der Limited auf Zypern dar. Die Limited hat außerdem ihr wirtschaftliches Kerngeschäft, den Ankauf, die Verwaltung und die Weitergabe von Lizenzen gegen Entgelt, nicht selbst von Zypern aus ausgeübt und nicht selbst das Personal beschäftigt, das erforderlich gewesen wäre, um ihr selbständig zu betreiben.

  • Die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen sind nicht vor Ort auf Zypern, sondern durch die in Russland und der Ukraine ansässigen Konzerngesellschaften der Klägerin getroffen worden. Die Funktion der Limited hat sich vielmehr auf die administrative Umsetzung dieser Entscheidungen beschränkt.

Anmerkung:

§ 8 Abs. 2 AStG i.d.F. des JStG 2008, der als Reaktion des Gesetzgebers auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ in das AStG eingefügt wurde und der vorsieht, dass Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR nicht Zwischengesellschaft für Einkünfte sind, für die nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft insoweit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, war im Streitfall (noch) nicht einschlägig.

Die Neuregelung ist erstmals für den Veranlagungszeitraum anzuwenden, für den die Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem beginnt (§ 21 Abs. 17 Satz 1 AStG).

Für davor liegende Wirtschaftsjahre sind jedoch die Grundsätze der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ zu beachten. Die §§ 7 ff. AStG a.F. sind deshalb gemeinschaftskonform dahin zu interpretieren, dass dem Steuerpflichtigen der gemeinschaftsrechtlich gebotene Gegenbeweis über seine tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten im Einzelfall zu ermöglichen ist (s. , BStBl. I 2007, 99).

Quelle: FG Münster online

Hinweis: Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 94/15 anhängig. Den Text der o.g. Entscheidung finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Fundstelle(n):
NWB QAAAF-66357