Insolvenzanfechtung einer kongruenten Leistungen: Indizien für eine erkennbare Zahlungseinstellung des späteren Insolvenzschuldners)
Leitsatz
Indizien für eine Zahlungseinstellung sind gegeben, wenn der Schuldner selbst erteilte Zahlungszusagen nicht einhält oder verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre vornimmt.
Gesetze: § 17 Abs 2 S 2 InsO, § 133 Abs 1 S 2 InsO
Instanzenzug: Az: 2 U 126/14vorgehend LG Aachen Az: 10 O 508/13
Tatbestand
1Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom über das Vermögen der S. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am eröffneten Insolvenzverfahren. Gegenstand der vorliegenden Klage bilden Ansprüche aus Vorsatzanfechtung.
2Die Schuldnerin, die sich mit der Verwertung von Abfällen zwecks Gewinnung von Methanol und anderer chemischer Stoffe befasste, stand mit der Beklagten seit September des Jahres 2007 in ständiger Geschäftsbeziehung. Die Beklagte errichtete auf dem Gelände der Schuldnerin Anlagen zur Rückkühlung von Kühlwasser. Als Gegenleistung für die Herstellung und den anschließenden mietweisen Gebrauch der Anlagen hatte die Schuldnerin Vergütungen an die Beklagte zu zahlen.
3Die Beklagte berechnete der Schuldnerin am den zum fälligen Betrag von 59.500 €. Ferner war am ein Betrag von 5.283,60 € zur Zahlung fällig. Am entrichtete die Schuldnerin eine Zahlung von 30.000 € und am von 5.283,60 € an die Beklagte. Außerdem stellte die Beklagte der Schuldnerin durch Schreiben vom den am fälligen Betrag von 81.467,40 € und durch Schreiben vom den am fälligen Betrag von 4.046 € in Rechnung. Mangels Zahlung bestand am ein Zahlungsrückstand der Schuldnerin über 120.297 €. Eine von ihrem Geschäftsführer für den angekündigte Teilzahlung über 30.000 € erbrachte die Schuldnerin nicht.
4Jeweils am erteilte die Beklagte der Schuldnerin Rechnungen über 81.467,40 € und 14.875 € mit Fälligkeit zum . Ferner war am ein Betrag von 1.252,36 € zur Zahlung fällig. Die Beklagte setzte der Schuldnerin durch Schreiben vom eine Zahlungsfrist bis zum und kündigte für den Fall fehlender Zahlung die Abschaltung und den Abbau der Anlage an. Nach Verlängerung der Zahlungsfrist durch die Beklagte glich die Schuldnerin am den zu diesem Zeitpunkt insgesamt offenen Betrag von 212.608,16 € durch mehrere Teilzahlungen (29.500 €, 1.252,36 €, 81.467,40 €, 4.046 €, 14.875 €, 81.467,40 €) aus. Auch in der Folgezeit geriet die Schuldnerin immer wieder in Zahlungsverzug. Der Zahlungsrückstand belief sich am auf 170.507,57 € und am auf 163.149 €. Bis zum ermäßigte sich der Rückstand auf 32.368 €. Die Schuldnerin zahlte am und am jeweils 16.184 € an die Beklagte, so dass sämtliche Forderungen getilgt waren. Auf eine Rechnung vom entrichtete die Schuldnerin am den Betrag von 4.624 €.
5Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung von der Beklagten Erstattung der sich - nach der unangegriffenen Berechnung des Berufungsgerichts - im Zeitraum vom bis auf 698.686,75 € belaufenden Zahlungen. Nach Stattgabe durch das Landgericht hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
6Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
8Die angefochtenen Zahlungen stellten Rechtshandlungen der Schuldnerin dar, die eine Gläubigerbenachteiligung bewirkt hätten. Es bestünden bereits Bedenken, ob die Schuldnerin die Zahlungen mit dem Vorsatz, die Gläubiger zu benachteiligen (§ 133 Abs. 1 InsO) vorgenommen habe. Unterstelle man einen Benachteiligungsvorsatz, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte davon positive Kenntnis erlangt habe.
9Der Umstand, dass die Schuldnerin die am fälligen Verbindlichkeiten über 116.251 € erst am beglichen habe, begründe nicht die erforderliche Kenntnis. An eine Kenntnis seien erhöhte Anforderungen zu stellen, weil es sich um kongruente Leistungen handele. Zudem sei die Verbindlichkeit nicht bis zur Verfahrenseröffnung offen geblieben, sondern - wenn auch verspätet - sechs Wochen nach Fälligkeit erfüllt worden. Überdies handele es sich um einen Zahlungsrückstand zu Beginn der Geschäftsbeziehungen, der selbst dann nicht ausreiche, wenn er erheblich sei.
10Die Schuldnerin habe weder Ende 2007/Anfang 2008 noch zu einem späteren Zeitpunkt erklärt, fällige Verbindlichkeiten nicht bezahlen zu können. Das Zahlungsverhalten der Schuldnerin habe unterschiedliche Hintergründe haben können. Es komme in Betracht, dass ein einen gewissen Zeitraum dauernder Zahlungsverzug in Kauf genommen worden sei, um die Ausschöpfung der Kreditlinie oder die Aufnahme eines Kredits zu vermeiden. Soweit die Schuldnerin entgegen ihrer eigenen Ankündigung bis zum keine Teilzahlung erbracht habe, folge daraus keine Kenntnis der Beklagten, weil es sich um den ersten Fall einer verspäteten, alsbald nachgeholten Zahlung gehandelt habe.
11Gleiches gelte für den Umstand, dass die Beklagte wiederholt mit dem Abschalten der Kühlanlage gedroht habe, bevor die Schuldnerin die jeweiligen Rückstände ausgeglichen habe. Die Schuldnerin sei nicht existenziell von der Belieferung durch die Beklagte abhängig gewesen, sondern hätte die Leistungen auch von anderen Unternehmen beziehen können. Der Hinweis auf den Abbau der Anlage habe nur dazu gedient, die Schuldnerin zur Zahlung zu bewegen, ohne dass diese mit einer unmittelbaren Umsetzung der Drohung habe rechnen müssen.
12Auch die dauerhaft schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin reiche nicht für die Annahme der Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz aus. Zwar habe die Schuldnerin jeweils mit etwa einmonatiger Verspätung gezahlt, letztlich aber alle Forderungen ausgeglichen. Die Rückstände der Schuldnerin hätten sich nicht erhöht.
II.
13Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Abweisung der auf § 133 Abs. 1 InsO gestützten Klage.
141. Die zugunsten der Beklagten geleisteten Überweisungen stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar. Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO bewirkt (, WM 2015, 1202 Rn. 8 mwN; vom - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rn. 13).
152. Das Berufungsgericht hat einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin unterstellt. Davon ist folglich auch für das Revisionsverfahren auszugehen.
163. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, der zufolge die Beklagte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht erkannt hat.
17a) Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (, WM 2012, 85 Rn. 15; vom - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 28 mwN; vom , aaO Rn. 17). Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (, WM 2013, 180 Rn. 24 f; vom , aaO; vom - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rn. 23). Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn v.H. nicht (, WM 2013, 1993 Rn. 10 mwN; vom - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 16; vom , aaO Rn. 13; vom , aaO Rn. 18).
18b) Das Berufungsgericht hat erhebliche Indizien nicht berücksichtigt, die aus der Sicht der Beklagten auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin und damit auf einen Benachteiligungsvorsatz hindeuteten (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO).
19aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, an die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes seien erhöhte Anforderungen zu stellen, weil es sich hier um eine kongruente Zahlung handele. Es beachtet damit nicht ausreichend, dass von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis bei dem Gläubiger ausgegangen werden kann, wenn beide Teile über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichtet sind, weil der Schuldner dann weiß, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, und dem Gläubiger bekannt ist, dass infolge der ihm erbrachten Leistung die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitelt oder zumindest erschwert wird. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - eine kongruente Leistung angefochten wird (, ZInsO 2014, 496 Rn. 3 mwN).
20bb) Auf einem Missverständnis der Senatsrechtsprechung beruht die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Zahlungseinstellung der Schuldnerin nicht erkannt, weil "die Ende 2007/Anfang 2008 bestehende Verbindlichkeit in Höhe von 116.251 € nicht bis zur Verfahrenseröffnung offen geblieben" sei. Haben im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung fällige Verbindlichkeiten anderer Gläubiger bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, kann darin im Blick auf die angefochtene Zahlung ein Indiz für eine Zahlungseinstellung zu erkennen sein (, WM 2011, 1429 Rn. 12, 15; vom - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 15). Das Beweisanzeichen findet seine Rechtfertigung in dem Umstand, dass eine Zahlungseinstellung naheliegt, wenn der Anfechtungsgegner Zahlung erlangte, während gleichzeitig fällige Verbindlichkeiten sonstiger Gläubiger bis zur Verfahrenseröffnung nicht befriedigt wurden. Darum wird den nach Verfahrenseröffnung rückständigen Forderungen anderer Gläubiger die zum gleichen Zeitpunkt fällige getilgte Verbindlichkeit des Anfechtungsgegners gegenübergestellt. Da die offenen Verbindlichkeiten der sonstigen Gläubiger den Vergleichsmaßstab im Verhältnis zu der beglichenen Forderung des Anfechtungsgegners bilden, kann aus ihrer Erfüllung, die gerade im Wege der Anfechtung beseitigt werden soll, kein der Zahlungseinstellung gegenläufiges Indiz gewonnen werden.
21cc) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht der von der Schuldnerin für den erteilten, aber nicht eingehaltenen Zahlungszusage kein wesentliches Gewicht beigemessen. Einer auf eine Zahlungseinstellung hindeutenden Stundungsbitte stehen nicht eingehaltene Zahlungszusagen gleich (, WM 2013, 1993 Rn. 12, 18; Beschluss vom - IX ZR 308/14, WM 2015, 2107 Rn. 3; FK-InsO/Schmerbach, 8. Aufl., § 14 Rn. 144). Im Übrigen stellt - was das Berufungsgericht verkennt - die Bitte des Schuldners um Ratenzahlung nur dann kein Indiz für eine Zahlungseinstellung dar, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des üblichen Geschäftsverkehrs hält (, WM 2015, 933 Rn. 3; Urteil vom - IX ZR 109/15, WM 2016, 560 Rn. 20). Diesen Gepflogenheiten entspricht es jedoch nicht, wenn eine Ratenzahlungsbitte nach fruchtlosen Mahnungen und nicht eingehaltenen Zahlungszusagen geäußert wird (vgl. aaO Rn. 3; Urteil vom , aaO Rn. 21). Einer Erfüllungsverweigerung oder eines sonstigen Verhaltens der Schuldnerin, das ihre Zahlungsunfähigkeit dokumentiert, bedurfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ( aaO).
22dd) Ferner hat das Berufungsgericht nicht genügend berücksichtigt, dass sich die Schuldnerin während des gesamten Laufs ihrer Geschäftsbeziehung mit der Beklagten aufgrund einer schleppenden Zahlungsweise in einem Zahlungsrückstand befand.
23(1) Schon eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise, die sich hier seit Aufnahme der Geschäftsbeziehung im Verhältnis der Schuldnerin zu der Beklagten ausgeprägt hat, kann Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben (, WM 2013, 1993 Rn. 12; vom - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 19). Zur Schonung ihrer schwindenden Liquidität hatte sich die Schuldnerin zunächst auf eine Teilzahlung beschränkt ( aaO Rn. 21). Die Schuldnerin hatte infolge der ständigen verspäteten Begleichung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben. Diese Gegebenheiten trugen auch aus der Sicht der Beklagten zu dem Gesamtbild eines Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrecht zu erhalten ( aaO Rn. 21).
24(2) Insoweit fällt weiter ins Gewicht, dass es sich bei der Beklagten um eine wichtige, zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unentbehrliche Lieferantin der Schuldnerin handelte (vgl. , WM 2009, 2229 Rn. 14; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 23). Ohne die von der Beklagten erbrachten Kühlmittel hätte die Klägerin ihren Betrieb nicht fortsetzen können. Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass die Beklagte keinen Monopolbetrieb zur Daseinsvorsorge unterhält. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Schuldnerin im Falle einer Abschaltung und eines Abbaus der Anlage durch die Beklagte eine schwerwiegende Betriebsunterbrechung hätte hinnehmen müssen.
25(3) Angesichts der seit Geschäftsaufnahme fortlaufend zutage getretenen Zahlungsschwäche bestanden aus Sicht der Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin die Ausschöpfung einer Kreditlinie oder die Aufnahme eines weiteren Kredits zu vermeiden suchte. Vielmehr musste die Beklagte, weil die Schuldnerin gewerblich tätig war, mit weiteren Gläubigern, deren Ansprüchen ungedeckt waren, rechnen (vgl. aaO Rn. 15).
26ee) Überdies hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet, dass bei einer durch die Androhung einer Liefersperre erwirkten Zahlung für den Empfänger die eingetretene Zahlungsunfähigkeit regelmäßig unübersehbar ist (, WM 2009, 2229 Rn. 14). In dieser Weise verhält es sich im Streitfall, weil die Beklagte der Schuldnerin wiederholt bei fehlendem Zahlungseingang die Abschaltung und den Abbau der Anlage in Aussicht stellte. Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob die Beklagte tatsächlich entschlossen war, diese Maßnahmen durchzuführen. Es reicht, dass die Schuldnerin aus ihrer objektivierten Sicht ernsthaft damit rechnen musste (vgl. , WM 2013, 806 Rn. 13).
27ff) Schließlich kann der Würdigung des Berufungsgerichts nicht beigetreten werden, soweit es für den Zeitraum nach dem mit Rücksicht auf die durchgängig um einen Monat verspäteten Zahlungen eine schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin ablehnt. Ist die Schuldnerin nicht in der Lage, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen, so handelt es sich nicht mehr um eine rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung (, WM 2006, 2312 Rn. 22, 24). Die Vorschrift des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO zeigt, dass das Gesetz eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit einer GmbH längstens drei Wochen hinzunehmen bereit ist (, BGHZ 163, 134, 140). Eine bloße Zahlungsstockung scheidet mithin aus, weil die Schuldnerin außer Stande war, die offenen Forderungen der Beklagten binnen drei Wochen zu tilgen (, WM 2013, 174 Rn. 31). Die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Schuldnerin in Anspruch genommenen Zahlungsfristen von jeweils rund einem Monat bildeten mithin ein Indiz für eine Zahlungseinstellung.
28c) Außerdem beruht die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts, der zufolge die Beklagte einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht erkannt hat, auf einer Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO.
29aa) Nach dieser Vorschrift hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (, NJW 2013, 790 Rn. 16). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.
30bb) Das Berufungsgericht meint, eine Kenntnis der Beklagten von einer Zahlungseinstellung könne nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die am fälligen Verbindlichkeiten von 116.251 € erst am ausgeglichen worden seien, weil es sich um einen erstmaligen Zahlungsrückstand zu Beginn der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen gehandelt habe. Diese Würdigung ist mit dem unstreitigen Sachverhalt nicht zu vereinbaren.
31(1) Die Beklagte erteilte der Schuldnerin am eine Rechnung über den am fälligen Betrag von 59.500 €. Außerdem war am ein Betrag über 5.283,60 € zur Zahlung fällig. Ferner ergingen Rechnungen der Beklagten vom über den am fälligen Betrag von 81.467,40 € und vom über den am fälligen Betrag von 4.046 € an die Schuldnerin. Schließlich stellte die Beklagte der Schuldnerin am jeweils gesondert Beträge über 81.467,40 € und 14.875 € mit Fälligkeit zum in Rechnung. Am war ein weiterer Rechnungsbetrag von 1.252,36 € fällig.
32(2) Bei dieser Sachlage hatte die Beklagte der Schuldnerin bereits im Jahre 2007 vier über den Jahreswechsel von 2007 auf 2008 hinaus überwiegend offene Rechnungen erteilt. Bis zum Ausgleich der Rückstände am , auf den das Berufungsgericht als erste angefochtene Rechtshandlung zutreffend abstellt, waren weitere drei Rechnungen hinzugekommen. Das Berufungsgericht hat selbst darauf hingewiesen, dass einzelne von der Schuldnerin im Dezember 2007 vorgenommene Zahlungen nicht den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bilden. Bei dieser Tatsachengrundlage kann von einem "Zahlungsrückstand zu Beginn der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen" nicht die Rede sein.
33cc) Ebenfalls durch eine lückenhafte Würdigung des unstreitigen Sachverhalts ist die Annahme beeinflusst, aus dem Umstand, dass die Schuldnerin den als von ihr selbst vorgeschlagenen Termin zur Erbringung einer Teilzahlung nicht eingehalten habe, könne eine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung nicht hergeleitet werden, weil es sich um "den ersten Fall einer verspäteten Zahlung" gehandelt habe.
34Wie ausgeführt, hat die Schuldnerin bereits die erste ihr am erteilte und zum fällige Rechnung über 59.500 € nicht fristgerecht bezahlt. Ferner standen die Rechnungen vom 14. Dezember, vom 19. Dezember mit Fälligkeit zum und mit Fälligkeit zum mangels Einhaltung der Zahlungstermine am offen. Mithin wird die Würdigung, die zum versprochene Teilzahlung verkörpere den ersten Fall einer verspäteten Zahlung, durch den unstreitigen Sachverhalt widerlegt.
35d) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei zutreffender Tatsachenfeststellung zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Beklagte die mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und damit deren Benachteiligungsvorsatz erkannt hatte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO).
III.
36Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die wiedereröffnete mündliche Verhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, abschließende Feststellungen zu einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und zu dessen Kenntnis bei der Beklagten zu treffen. Dabei wird es zu beachten haben, dass die hier festgestellte Indizienlage sowohl für den Vorsatz der Schuldnerin als auch die Kenntnis der Beklagten Bedeutung hat (vgl. , NJW 1998, 1561, 1564 f; vom - IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 16; vom - IX ZR 4/13, WM 2013, 2074 Rn. 18; vom - IX ZR 95/13, WM 2014, 1296 Rn. 27). Das Indiz der von der Schuldnerin in Anspruch genommenen Zahlungsfristen muss aus Sicht des Gläubigers nicht zwingend auf eine Zahlungseinstellung deuten. Im Rahmen der abschließenden Gesamtwürdigung wird das Berufungsgericht die weiteren Indizien, die eine Zahlungseinstellung nahelegen, zu würdigen haben. Gegebenenfalls wird das von der Beklagten zum Nachweis einer fehlenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin
beantragte Sachverständigengutachten einzuholen sein (, WM 2015, 1025 Rn. 5 ff).
Kayser Gehrlein Vill
Grupp Schoppmeyer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:090616UIXZR174.15.0
Fundstelle(n):
BB 2016 S. 1618 Nr. 27
DB 2016 S. 1689 Nr. 29
DB 2016 S. 7 Nr. 26
GmbH-StB 2016 S. 299 Nr. 10
GmbHR 2016 S. 870 Nr. 16
NJW 2016 S. 9 Nr. 28
NJW-RR 2016 S. 939 Nr. 15
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2016 S. 2556
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2017 S. 207
WM 2016 S. 1238 Nr. 26
ZIP 2016 S. 1348 Nr. 28
CAAAF-76530