BGH Beschluss v. - 3 StR 122/22

Elektronischer Rechtsverkehr in Strafsachen: Anforderungen an die elektronische Übersendung der Revisionsbegründungsschrift bei Übermittlung über beA

Gesetze: § 32a Abs 3 Alt 2 StPO, § 32a Abs 4 S 1 Nr 2 StPO, § 32d S 2 StPO, § 345 Abs 1 StPO, § 345 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Aurich Az: 11 KLs 13/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus vier Vorverurteilungen und Auflösung einer früheren Gesamtstrafe aus einem nachträglichen Gesamtstrafenbeschluss zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision.

2Das Landgericht hat die Revision als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden sei. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit einem Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO.

I.

3Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung führt zur Aufhebung des Revisionsverwerfungsbeschlusses vom . Die Revision ist entgegen der Annahme des Landgerichts form- und fristgemäß begründet worden.

4Das Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am zugestellt worden. Ausweislich eines bei den Akten befindlichen Prüfvermerks hat der Verteidiger am und damit innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO die Revisionsbegründung - wie von § 32d Satz 2 StPO vorgeschrieben (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 89/22, juris Rn. 4; vom - 3 StR 86/22, juris Rn. 2) - dem Landgericht elektronisch zugeleitet. Der Prüfvermerk weist eine erfolgreiche Übermittlung und einen Eingang des elektronischen Schriftsatzes beim Landgericht Aurich an diesem Tag aus. Die elektronische Übersendung genügt den Anforderungen des § 32a StPO: Der Schriftsatz ist vom Verteidiger einfach signiert sowie als PDF-Dokument von ihm über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) und damit auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden (vgl. zu diesen Erfordernissen , juris Rn. 7 ff.). Ausweislich eines Vermerks der Geschäftsstelle der Strafkammer ist die Revisionsbegründung "wegen eines technischen Problems" lediglich dieser erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgelegt worden. Diese gerichtsinterne Weiterleitungsverzögerung ist für die Fristwahrung indes irrelevant (vgl. KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 341 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., Vor § 42 Rn. 13).

5Der hilfsweise gestellte Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist damit gegenstandslos (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 164/21, juris Rn. 3; vom - 1 StR 236/57, BGHSt 11, 152, 154; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 346 Rn. 29). Eine Kostenentscheidung ist hinsichtlich der Aufhebung des Revisionsverwerfungsbeschlusses (§ 346 Abs. 2 StPO) nicht veranlasst (, juris Rn. 9; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 341 Rn. 23; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 346 Rn. 12).

II.

6Die zulässig erhobene Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

71. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte kurz vor dem im Rahmen eines einheitlichen Ankaufvorgangs 15 Gramm Heroin mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 1,5 Gramm Heroinhydrochlorid und 30 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 21 Gramm Kokainhydrochlorid zum gewinnbringenden Weiterverkauf. In der Folgezeit bis zum veräußerten der Angeklagte und der nichtrevidierende Mitangeklagte einen Teil der Betäubungsmittel im Rahmen von 20 Einzelverkäufen an verschiedene Abnehmer, wodurch sie einen letztlich vollständig vom Angeklagten vereinnahmten Erlös in Höhe von zumindest 675 € erzielten. Am kam es zu einer polizeilichen Kontrolle des Angeklagten. Dabei wurde der bis dahin noch nicht verkaufte Teil der Betäubungsmittel, und zwar 10,13 Gramm Heroin und 26,1 Gramm Kokain, sichergestellt. Zudem wurde in der vom Angeklagten mitgeführten Geldbörse 700 € Bargeld in "szenetypischer Stückelung" aufgefunden; dieses wurde gleichfalls sichergestellt (Fall II. 1. der Urteilsgründe).

8Am verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung 21,6 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 17,66 Gramm Kokainhydrochlorid und 23,4 Gramm Heroin mit einer Wirkstoffmenge von 2,01 Gramm Heroinhydrochlorid. Auch diese Betäubungsmittel waren zum gewinnbringenden Verkauf vorgesehen (Fall II. 2. der Urteilsgründe).

92. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

103. Dagegen hält der Strafausspruch der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand.

11a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der Einzelstrafen nicht bedacht, dass im Fall II. 1. der Urteilsgründe ein großer Anteil und im Fall II. 2. die Gesamtmenge der tatgegenständlichen Betäubungsmittel sichergestellt wurden. Die Sicherstellung ist - jedenfalls in Bezug auf solche Betäubungsmittel, die zum Weiterverkauf bestimmt waren - wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit indes ein bestimmender Strafzumessungsgrund und als solcher zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, und zwar auch schon bei der Strafrahmenwahl (st. Rspr.; s. nur , juris Rn. 4; vom - 3 StR 629/17, juris Rn. 5; vom - 3 StR 2/15, NStZ-RR 2015, 248). Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer mildere Einzelstrafen festgesetzt hätte, wenn sie den Umstand der Sicherstellung der Betäubungsmittel in ihre Würdigung einbezogen hätte. Die Einzelstrafen haben daher keinen Bestand.

12b) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Gesamtstrafenausspruch ist aber auch für sich genommen rechtsfehlerhaft, und zwar hinsichtlich der Einbeziehung von Strafen aus Vorverurteilungen gemäß § 55 Abs. 1 StGB. Hierzu gilt:

13aa) Der Angeklagte wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom (410 Js 20655/19) mit einer Geldstrafe belegt. Ferner wurde er durch Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom (410 Js 10607/19) zu einer Freiheitsstrafe und durch Strafbefehl des Amtsgerichts Meppen vom (807 Js 52729/19) zu einer weiteren Geldstrafe verurteilt; den beiden letztgenannten Strafbefehlen lag jeweils eine vor dem begangene Tat zu Grunde. Daher wurden die drei vorgenannten Strafen durch Beschluss des Amtsgerichts Leer vom gemäß § 460 StPO auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt.

14Zudem wurde der Angeklagte mit Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom (410 Js 13572/20) wegen einer am begangenen Tat zu einer Geldstrafe verurteilt, die noch nicht erledigt ist.

15Das Landgericht hat unter Auflösung der durch Beschluss vom gebildeten nachträglichen Gesamtstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet aus den beiden Einzelstrafen für die hier verfahrensgegenständlichen Taten sowie den vier Strafen aus den Strafbefehlen vom , vom , vom und vom .

16bb) Die Urteilsgründe teilen den Vollstreckungsstand des Gesamtstrafenbeschlusses vom nicht mit. Zu diesem Beschluss ist ihnen lediglich zu entnehmen, dass er seit dem rechtskräftig ist, die Vollstreckung der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten zunächst zur Bewährung ausgesetzt und die Strafaussetzung später widerrufen wurde. Der Zeitablauf lässt es als möglich erscheinen, dass die Strafvollstreckung zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils bereits erledigt war. Dann wäre die Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefehlen vom , vom und vom in eine Gesamtstrafe rechtsfehlerhaft, weil erledigte Strafen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht zugänglich sind (vgl. nur Fischer, StGB, 69. Aufl., § 55 Rn. 6; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., § 55 Rn. 22; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 55 Rn. 19).

17cc) Die von der Strafkammer vorgenommene nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB wäre aber auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Strafvollstreckung des Gesamtstrafenbeschlusses vom zum Urteilszeitpunkt noch nicht erledigt gewesen sein sollte.

18Da die beiden hier verfahrensgegenständlichen Taten in der Zeit vom bis zum (Fall II. 1. der Urteilsgründe) beziehungsweise am (Fall II. 2. der Urteilsgründe) und damit vor der Vorverurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom begangen wurden, käme dieser - sollte der Gesamtstrafenbeschluss noch nicht erledigt sein - für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung Zäsurwirkung zu. Alle noch nicht erledigten Strafen wegen Taten, die vor der Verurteilung vom begangen wurden, wären zu einer (nachträglichen) Gesamtstrafe zusammenzuführen. Das Landgericht hätte dann unter Auflösung der durch Beschluss vom festgesetzten nachträglichen Gesamtstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen aus den beiden Einzelstrafen für die hier verfahrensgegenständlichen Taten sowie den drei Strafen aus den Strafbefehlen vom , vom und vom . Soweit das Landgericht dagegen auch die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom in die von ihr gebildete Gesamtstrafe einbezogen hat, obgleich die diesem zu Grunde liegende Tat nach der Vorverurteilung vom begangen wurde, hat sie deren Zäsurwirkung missachtet. Die Strafkammer hätte, sollte der Gesamtstrafenbeschluss zum Urteilszeitpunkt noch nicht erledigt gewesen sein, diese Strafe isoliert bestehen lassen müssen. Die dann rechtsfehlerhafte Berücksichtigung dieser Strafe beschwerte den Angeklagten, weil es sich um eine Geldstrafe handelt, deren Einbeziehung nicht ausschließbar zu einer höheren Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat.

19c) Die Feststellungen zur Strafzumessung sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen; sie haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese den bisherigen nicht widerstreiten. In Bezug auf den Vollstreckungsstand des Gesamtstrafenbeschlusses vom ist es hierzu gehalten. Bei der dem neuen Tatgericht obliegenden Gesamtstrafenbildung wird auf den Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils () abzustellen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 325/21, juris Rn. 5; vom - 3 StR 341/19, NStZ-RR 2020, 7; vom - 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 55 Rn. 6a, 37; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., § 55 Rn. 61 mwN).

204. Die Einziehungsanordnungen sind gleichfalls nicht frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten.

21a) Die Strafkammer hat ausgehend von der Feststellung, dass der Angeklagte durch die 20 Betäubungsmittelverkäufe im Fall II. 1. der Urteilsgründe einen Erlös in Höhe von jedenfalls 675 € erzielte, die Wertersatzeinziehung eines Geldbetrages in dieser Höhe gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB angeordnet. Ferner hat sie festgestellt, dass es sich bei den 700 € Bargeld, die bei der Kontrolle des Angeklagten am sichergestellt wurden, um Erlöse aus nicht näher aufklärbaren anderen Betäubungsmittelgeschäften handelte. Sie hat daher gemäß § 73a Abs. 1 StGB die (erweiterte) Einziehung der 700 € Bargeld angeordnet.

22Beide Einziehungsentscheidungen haben keinen Bestand. Denn die Strafkammer hat nicht plausibel und nachvollziehbar ausgeschlossen, dass zumindest Teile des sichergestellten Bargelds Einnahmen aus den Betäubungsmittelverkäufen im Fall II. 1. der Urteilsgründe waren. Sie hat ihre Beurteilung, die 700 € seien in vollem Umfang Erlöse aus anderen Betäubungsmittelgeschäften, lediglich damit begründet, die verfahrensgegenständlichen Verkäufe, aus denen der Angeklagte einen Gesamterlös in Höhe von mindestens 675 € erlangte, hätten am begonnen. Es sei jedoch nicht anzunehmen, dass der Angeklagte das Geld über den gesamten Zeitraum - also vom bis zum - in seiner Geldbörse verwahrte. Damit hat die Strafkammer aus dem Blick verloren, dass die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel im Gesamtzeitraum verkauft wurden und der Angeklagte einzelne Veräußerungen auch noch am sowie in den Tagen zuvor tätigte. Jedenfalls hinsichtlich dieser zeitnahen Verkäufe kann mit der Begründung der Strafkammer nicht ausgeschlossen werden, dass die sichergestellten 700 € Bargeld zumindest zum Teil Einnahmen aus der Tat II. 1. der Urteilsgründe waren.

23Sollten die 700 € oder jedenfalls ein Teil dieses Geldes Erlös aus den Verkäufen im Fall II. 1. der Urteilsgründe sein, wäre eine Einziehung als unmittelbarer Tatertrag nach § 73 Abs. 1 StGB veranlasst, nicht indes nach § 73a Abs. 1 StGB. Eine Einziehung des sichergestellten Bargelds als erweiterte Einziehung von Taterträgen nach § 73a Abs. 1 StGB wäre dagegen dann und insoweit statthaft, wenn und als das Geld - wie von der Strafkammer angenommen, indes nicht tragfähig begründet worden ist - aus anderen, nicht konkretisierbaren Betäubungsmittelgeschäften resultierte. Gleiches gälte, sollte letztlich nicht aufklärbar sein, ob beziehungsweise in welcher Höhe das sichergestellte Bargeld Erlös aus den verfahrensgegenständlichen Verkäufen ist; auch insofern wäre das Geld nach § 73a Abs. 1 StGB einzuziehen. Denn die erweiterte Einziehung von Taterträgen kommt auch in Betracht, wenn feststeht, dass Bargeld als Erlös aus rechtswidrigen Taten erlangt wurde, jedoch nicht geklärt werden kann, ob es sich um Einnahmen aus einer verfahrensgegenständlichen Tat oder aus anderen, nicht konkret feststellbaren Taten handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 158/21, juris Rn. 6, 11; vom - 3 StR 219/20, juris Rn. 6 f.; s. zur früheren Rechtslage , BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3 Rn. 7).

24Eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB scheidet in der hier vorliegenden Konstellation in dem Umfang aus, in dem Taterträge unmittelbar sichergestellt wurden. Sollten mithin die sichergestellten 700 € - und sei es nur nicht ausschließbar - ganz oder teilweise aus der abgeurteilten Tat II. 1. der Urteilsgründe stammen, wäre die Einziehung des Bargelds (insoweit) auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB anzurechnen (vgl. , juris Rn. 8). Denn ansonsten käme es möglicherweise zu einer unzulässigen doppelten Inanspruchnahme des Angeklagten: zum einen durch Einziehung von Taterlösen, zum anderen durch Abschöpfung des Wertes eben dieser. Ein erlangter Vermögensvorteil darf indes nicht zweifach abgeschöpft werden. Dementsprechend verlangt § 73c Satz 1 StGB, dass eine Einziehung des durch eine Tat Erlangten nach § 73 Abs. 1 StGB nicht möglich ist, setzt also insofern eine sichere Feststellung voraus.

25Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht wird mithin die Frage, ob beziehungsweise in welchem Umfang ein Teil der sichergestellten 700 € Taterlöse aus Fall II. 1. der Urteilsgründe waren, näher aufzuklären und neu zu bewerten haben.

26b) Die Einziehung der im Fall II. 1. der Urteilsgründe sichergestellten 26,1 Gramm Kokain und 10,13 Gramm Heroin sowie der im Fall II. 2. der Urteilsgründe aufgefundenen 21,6 Gramm Kokain und 23,4 Gramm Heroin gemäß § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 Satz 1 BtMG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

27c) Keinen Bestand hat dagegen die angeordnete Einziehung von weiteren Betäubungsmitteln, von Diazepam- und Hydromorphontabletten, einem Messer, vier Smartphones, einer Crackpfeife, einem Revolver "Röhm/Umarex" sowie 52 Patronen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargetan hat, fehlt es an hinreichenden Feststellungen dazu, ob beziehungsweise inwieweit diese Gegenstände in einem Bezug zu den abgeurteilten Taten standen, etwa Tatmittel oder Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 1 und 2 StGB waren (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 324/21, juris Rn. 5; vom - 3 StR 557/16, NStZ-RR 2017, 220; vom - 3 StR 14/02, juris Rn. 3 ff.). Auch lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob insofern die Voraussetzungen für eine erweiterte Einziehung nach § 73a StGB, eine Sicherungseinziehung nach § 74b StGB oder eine selbständige Einziehung nach § 76a StGB vorliegen.

28Dies gilt insbesondere für die Einziehung eines Revolvers und Munition. Hierzu teilen die Urteilsgründe lediglich mit, sie seien bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am aufgefunden worden, gehörten allerdings dem Angeklagten nicht und dieser habe von dem Vorhandensein der Waffe und der Munition in seiner Wohnung auch keine Kenntnis gehabt. Davon ausgehend kommt der von der Strafkammer angeführte § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB als Einziehungsgrundlage nicht in Betracht, denn eine hierauf gestützte Sicherungseinziehung setzte voraus, dass der betreffende Gegenstand bei einer der abgeurteilten Taten als Tatmittel (§ 74 Abs. 1 StGB) Verwendung fand oder Tatobjekt einer solchen (§ 74 Abs. 2 StGB) war. Gefährliche Gegenstände (Dritter), die im Zuge der Ermittlungen entdeckt werden, aber keinen Bezug zur Anlasstat haben, unterliegen nicht der Sicherungseinziehung nach § 74b StGB (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 324/21, juris Rn. 6; vom - 3 StR 128/21, juris Rn. 8; vom - 3 StR 44/21, NStZ-RR 2022, 12 f.; vom - 3 StR 237/21, juris Rn. 7; vom - 3 StR 197/20, juris; vom - 4 StR 366/20, NStZ 2021, 608 Rn. 16 f.; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 74b Rn. 5; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 74b Rn. 3).

29Über die Einziehung der vorgenannten Gegenstände muss daher neu verhandelt und entschieden werden.

30d) Die Teilaufhebung der Einziehungsanordnungen ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten zu erstrecken. Zum einen ist die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 675 € gegen beide Angeklagten als Gesamtschuldner ergangen. Zum anderen ist hinsichtlich der eingezogenen Gegenstände nicht eindeutig zwischen den beiden Angeklagten differenziert worden beziehungsweise handelt es sich teilweise um beim Mitangeklagten sichergestellte. Die aufgezeigten Rechtsfehler betreffen damit auch diesen.

315. Die Nichtanordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

326. Von der vom Generalbundesanwalt in der Sache zutreffend angeregten Korrektur der Liste der angewandten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) sieht der Senat ab. Die Liste ist weder Bestandteil der Urteilsformel noch der Urteilsgründe (, juris Rn. 73; vom - 3 StR 245/96, BGHR StPO § 260 Abs. 5 Liste 1), so dass deren Berichtigung durch das Revisionsgericht zwar statthaft ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 566/09, juris Rn. 2; vom - 4 StR 447/85, NJW 1986, 1116, 1117), etwaige Unzulänglichkeiten im Revisionsverfahren aber unbeachtet bleiben können (, juris; Meyer-Goßner, NStZ 1988, 529, 531). Eine Änderung der Liste der angewandten Vorschriften ist jederzeit möglich, auch noch nach Rechtskraft eines Urteils (MüKoStPO/Maier, § 260 Rn. 340 f.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:310522B3STR122.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-21326