BGH Beschluss v. - 4 StR 398/21

Strafzumessung bei strafbefreiendem Rücktritt vom Tötungsversuch und Verurteilung u.a. wegen vollendeter Körperverletzung

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 S 1 StGB, § 46 Abs 1 S 1 StGB, § 52 StGB, § 212 StGB, § 223 StGB, § 224 StGB, § 315b Abs 1 Nr 3 StGB, § 315b Abs 2 StGB, § 315b Abs 3 StGB, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 601 Ks 11/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „vorsätzlicher“ Körperverletzung und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, eine Maßregel nach § 69, § 69a StGB gegen ihn angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision des Nebenklägers, die mit der Sachrüge die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen eines versuchten Tötungsdelikts beanstandet, bleibt insgesamt erfolglos.

21. Zur Revision des Angeklagten

3a) Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

4b) Der Einzelstrafausspruch im Fall II.2.2 der Urteilsgründe und der Gesamtstrafenausspruch haben auf die Sachrüge keinen Bestand.

5Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, als er den Nebenkläger mit seinem Pkw anfuhr und verletzte. Es ist dann aber davon ausgegangen, dass der Angeklagte von diesem Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Gleichwohl hat es bei der Strafzumessung aus dem Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser „zunächst (bis zum Rücktrittsentschluss) mit bedingtem Tötungsvorsatz“ gehandelt habe. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft. Das Rücktrittsprivileg bewirkt, dass der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (vgl. , BGHSt 42, 43, 44 f.; Beschluss vom – 2 StR 51/10, NStZ-RR 2010, 202 mwN). Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich der Rechtsfehler auf die Höhe der im Fall II.2.2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe ausgewirkt hat.

6Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Hingegen werden die zum Strafausspruch rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen durch den bloßen Wertungsfehler des Landgerichts nicht berührt und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

7c) Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

8d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Das Vorliegen von vertypten Milderungsgründen kann zur Annahme eines minderschweren Falls führen. Bei einer Verurteilung wegen eines im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangenen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr – wie hier im Fall II.2.2 der Urteilsgründe – ist daher bei der Erörterung der Frage, ob ein minderschwerer Fall im Sinne des § 315b Abs. 3 2. Fall StGB vorliegt – neben den allgemeinen Milderungsgründen – auch der vertypte Strafmilderungsgrund des § 21 StGB in die Erwägungen einzubeziehen (vgl. zur Prüfungsreihenfolge , StV 2022, 24, 26; Beschluss vom – 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524 mwN).

92. Zur Revision des Nebenklägers

10Die Revision des Nebenklägers bleibt erfolglos. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht unter Anwendung des Zweifelssatzes angenommen hat, der Angeklagte sei von einem unbeendeten Tötungsversuch zum Nachteil des Nebenklägers strafbefreiend zurückgetreten, halten rechtlicher Nachprüfung stand. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom Bezug.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:020222B4STR398.21.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-15410