BGH Urteil v. - AnwZ (Brfg) 59/19

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in einem Versicherungsmaklerunternehmen: Voraussetzung der Beratungstätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers

Gesetze: § 46 Abs 5 BRAO, § 46a BRAO

Instanzenzug: Az: AnwZ (Brfg) 59/19 Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof Stuttgart Az: AGH 6/2019 II Urteil

Tatbestand

1Die Beigeladene ist aufgrund Arbeitsvertrags vom seit dem bei der              H.      GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin), einer Versicherungsmaklerin, tätig.

2Im Schwerpunkt ist sie zum einen damit befasst, für ihre Arbeitgeberin Versicherungsbedingungen zu entwerfen, die im Interesse eines attraktiven Produktportfolios den Kunden der Arbeitgeberin angeboten werden können, und diese mit Versicherern zu verhandeln (sog. Maklerwording). Zum anderen verhandelt sie für ihre Arbeitgeberin sog. Rahmenvereinbarungen mit Versicherern, die neben Regelungen zu Anwendungsbereichen der Klauselwerke (etwa Betriebsarten, für die die Versicherungsbedingungen Anwendung finden, oder Versicherungssummen) Bestimmungen über Aufgabenbereiche von Versicherer und Arbeitgeberin (etwa zum Beschwerdemanagement) oder Vereinbarungen über die Exklusivität der Klauselwerke enthalten. Aufgrund der Höhe der Versicherungssummen ist es gegebenenfalls erforderlich, mit weiteren Versicherungen über eine Beteiligung zu verhandeln.

3Zu den Aufgaben der Beigeladenen gehören ferner die hausinterne Beratung in Bezug auf die Gestaltung von Versicherungsverträgen - etwa zur Einbeziehung von Drittunternehmen in den Versicherungsschutz, in Einzelfällen die Gegenüberstellung von Versicherungsbedingungen eines Kunden mit anderen Klauselwerken oder die Überprüfung der verwendeten Klauselwerke im Hinblick auf eine mögliche Anpassung an gewandelte Risiken. Nach den Bekundungen der Beigeladenen kam es in ihrer Abteilung zwischen Oktober 2018 und Januar 2021 in 22 Fällen zu derartigen Überprüfungen; fünf davon führte sie persönlich durch. In jedem der Fälle verblieb die anschließende Beratung des Kunden über die für ihn günstigste Variante beim Kundenberater.

4Der nicht-anwaltliche versicherungstechnische und administrative Tätigkeitsanteil der Beigeladenen beträgt 10 %.

5Die Beklagte ließ die Beigeladene mit Bescheid vom als Syndikusrechtsanwältin zu. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Bescheid vom zurück.

6Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beigeladene sei prägend in Rechtsangelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin tätig; das Tatbestandsmerkmal des § 46 Abs. 5 BRAO sei daher nicht erfüllt.

7Sie hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben.

8Die Beklagte hat beantragt,

9die Klage abzuweisen.

10Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

11Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage aufgrund der im Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführten Anhörung abgewiesen, da die Beigeladene selbst keinen Kundenkontakt habe; dieser werde durch Kundenbetreuer wahrgenommen. Die abstrakt und ohne konkreten Kundenbezug erfolgende Verhandlung der Versicherungsbedingungen sowie die Verhandlung der vermittlungsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Versicherern und Arbeitgeberin der Beigeladenen stellten Rechtsangelegenheiten der Arbeitgeberin dar. Dahinstehen könne, ob die Beigeladene gelegentlich ein an sie von Kundenberatern herangetragenes Rechtsproblem eines einzelnen Kunden löse und ob diese Tätigkeit als Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin zu qualifizieren sei; denn diese Tätigkeit präge nicht. Der rechtliche Maßstab der Prägung gelte nicht nur im Rahmen des § 46 Abs. 3 BRAO, sondern auch bei Anwendung des § 46 Abs. 5 BRAO.

12In ihrer vom Senat zugelassenen Berufung bezweifelt die Klägerin angesichts der Tätigkeitsbeschreibung in der Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom , auf die Bezug genommen wird, dass die Beigeladene Kunden nicht unmittelbar berate. Außerdem macht sie geltend, die Verhandlung von Versicherungsbedingungen stelle eine Kundenangelegenheit dar. Sie ist ferner der Auffassung, angesichts des Wortlauts des § 46 Abs. 5 BRAO sei jedwede Tätigkeit in Kundenangelegenheiten syndikusschädlich.

13Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom - AGH 6/19 II - den Bescheid der Rechtsanwaltskammer Stuttgart vom aufzuheben.

14Die Beklagte beantragt,

15die Berufung zurückzuweisen.

16Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.

17Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

18Ergänzend wird auf das Urteil des Anwaltsgerichtshofs, die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Bezug genommen, zudem auf die Befragung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Gründe

19Die statthafte (§ 112e Satz 1 BRAO) und auch im Übrigen zulässige (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 und Abs. 6 VwGO) Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung der erteilten Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin, da die Zulassung die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I.

20Jedenfalls im Bereich der hausinternen Beratung und Überprüfung in Bezug auf die Gestaltung von Versicherungsverträgen von Kunden wird die Beigeladene in Angelegenheiten von Kunden ihrer Arbeitgeberin und nicht in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig; es fehlt somit - unabhängig von der Frage der rechtlichen Einordnung des Maklerwordings - an der Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO. Letztgenannte Vorschrift beschränkt die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts auf eine Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.

211. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es sich bei § 46 Abs. 5 BRAO um ein echtes Tatbestandsmerkmal, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung handelt (Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 24; vom - AnwZ (Brfg) 60/19, juris Rn. 11; Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 71/18, NJW-RR 2020, 443 Rn. 10; jeweils mwN).

222. Ob die Beigeladene in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig wird oder in Angelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit der Beigeladenen, nicht nach ihrem Erscheinungsbild nach außen (Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 11/20, NJW-RR 2021, 246 Rn. 27; vgl. auch AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 23 zum Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BRAO; vom - AnwZ (Brfg) 1/18, juris Rn. 16 f.). Daher ist nicht maßgeblich, ob die Beigeladene ihre Tätigkeit unmittelbar gegenüber Kunden erbringt oder ob sie ihre Arbeitsleistung ausschließlich gegenüber dem Arbeitgeber erbringt, der dann über eine Weitergabe des Inhalts der Arbeitsleistung an Kunden entscheidet.

23a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO, der die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts nicht nur hinsichtlich der „Vertretung“ (also im Außenverhältnis des Arbeitgebers zu Dritten), sondern auch hinsichtlich der „Beratung“ (also im Innenverhältnis zum Arbeitgeber) auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.

24b) Die Gegenansicht würde in systematischer Hinsicht zu einem Wertungswiderspruch zu § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO („Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten“) führen, wenn man im Rahmen der Zulassungsentscheidung als anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO) eine Tätigkeit berücksichtigte, die - um den Anforderungen des § 46 Abs. 5 BRAO zu genügen - zwingend auf den Innenbereich beschränkt bleiben müsste.

25c) Auch der Schutzzweck des § 46 Abs. 5 BRAO spricht für die hiesige Sichtweise: Die Norm will verhindern, dass die Syndikustätigkeit entgegen dem Bestreben des Gesetzgebers, den Syndikus auf die Beratung des Arbeitgebers zu beschränken, entgrenzt wird; genau dies geschähe aber, wenn die Zulassungsfähigkeit nur davon abhinge, ob der Syndikus selbst im Außenverhältnis auftritt oder ob ein Mitarbeiter, etwa ein Vertriebsmitarbeiter oder Kundenberater, zwischen ihn und den Kunden der Arbeitgeberin geschaltet wird. Über die Zwischenschaltung eigener Mitarbeiter würde mittelbar eine Beratung Dritter in deren Angelegenheiten durch angestellte Syndizi ermöglicht, ohne dass deren Arbeitgeber standesrechtlich gebunden wären; ebenso würde bezüglich der Dienstleistungen für Dritte das - zwar umstrittene, aber geltende - Fremdkapital- bzw. Fremdbesitzverbot aus § 59e Abs. 1 BRAO unterlaufen (Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 30; Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 11/20, aaO Rn. 28).

263. Soweit die Beigeladene aufgrund der Einschaltung durch Kundenberater mit der Analyse konkreter Versicherungsverträge befasst ist, solche Verträge etwa daraufhin untersucht, welche Rechtsfolgen sich aus ihnen im Vergleich zu den Rechtsfolgen bei Zugrundelegung alternativer Versicherungsbedingungen ergeben, handelt es sich um eine Kundenangelegenheit. Die Analyse betrifft die Beratung zu einem Versicherungsvertrag, dessen Vertragspartner der Versicherer und der Kunde der Arbeitgeberin der Beigeladenen (als Versicherungsnehmer), nicht aber die Arbeitgeberin der Beigeladenen sind, dessen Rechte und Pflichten folglich auch nicht die Arbeitgeberin der Beigeladenen treffen, und damit eine maklerfremde Angelegenheit. Dass die aufgrund der Analyse der Beigeladenen erfolgende abschließende Beratung darüber, welcher Versicherungsvertrag für den konkreten Kunden am besten passt, dem Kundenberater obliegt, ändert an der Zuordnung der Tätigkeit auch der Beigeladenen zu den Angelegenheiten des Kunden der Arbeitgeberin nichts.

27Irrelevant ist, dass die Arbeitgeberin zu einer solchen Beratung schuldrechtlich verpflichtet ist. Die schuldrechtliche Übernahme einer Dienstleistungs- und Beratungsverpflichtung macht aus dem oben unter 2.c genannten Grund die Erbringung dieser Dienstleistung nicht zu einer Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 29 ff.; AnwZ (Brfg) 71/18, aaO Rn. 12; vom - AnwZ (Brfg) 11/20, aaO Rn. 19; jeweils mwN).

284. Dasselbe gilt, soweit die Beigeladene ihre Tätigkeit abstrakt ohne konkreten Kundenbezug erbringt, sie etwa die rechtlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Drittunternehmen in den Versicherungsschutz analysiert (je nach gewählter Fallgestaltung ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich Prämienzahlungspflicht, Zurechnung oder im Schadensfall) oder sie ermittelt, für welche Risiken Versicherungsbedarf besteht und inwieweit die von ihrer Arbeitgeberin verwendeten Versicherungsverträge diesem Bedarf Rechnung tragen oder änderungsbedürftig sind. Ihre Ergebnisse stellt sie den Mitarbeitern ihrer Arbeitgeberin zur Verfügung, die auf dieser abstrakten Basis die konkrete Kundenberatung vornehmen.

29Auch wenn die Tätigkeit der Beigeladenen insoweit noch ohne Bezug zu konkreten Kunden erfolgt und auch nicht von einem Kundenberater initiiert ist, handelt es sich hierbei lediglich um eine notwendige Vorarbeit für die von der Arbeitgeberin geschuldete Beratungsleistung gegenüber konkreten Kunden hinsichtlich konkreter Versicherungsverträge zwischen diesen Kunden und Versicherern. Letztlich handelt sich um die Vorverlagerung eines Teils des Beratungsvorgangs zu einem Vertragsverhältnis ohne Maklerbeteiligung auf die Beigeladene als Zentralstelle.

30Da die Beigeladene somit auch in Rechtsangelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin rechtsberatend tätig ist, ist ihr die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin zu versagen. Auf den Umfang dieser Tätigkeit kommt es grundsätzlich nicht an, wie der Senat mit Urteil vom (AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24) entschieden hat.

II.

31Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:291021UANWZ.BRFG.59.19.0

Fundstelle(n):
JAAAI-59176