BGH Beschluss v. - XII ZB 186/13

Rückforderung von Betreuervergütung durch die Staatskasse: Prüfung der Verjährungseinrede

Leitsatz

Die Einrede der Verjährung ist im Festsetzungsverfahren vom Rechtspfleger zu berücksichtigen. Dabei hat er nicht nur zu prüfen, ob der Anspruch verjährt ist, sondern auch, ob die Einrede gegebenenfalls treuwidrig erfolgt und ihr damit § 242 BGB entgegensteht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051).

Gesetze: § 194 BGB, § 242 BGB, § 168 Abs 1 S 2 FamFG, § 168 Abs 1 S 3 FamFG, § 292 Abs 1 FamFG

Instanzenzug: Az: 3 T 81/13 Beschlussvorgehend Az: 785 XVII L 526/05

Gründe

I.

1Der Beteiligte zu 3 fordert, vertreten durch die Staatskasse (im Folgenden: Staatskasse), gezahlte Betreuervergütung von der Betroffenen zurück.

2Die Betroffene leidet an einer schizoaffektiven Psychose. Die Beteiligte zu 1 wurde im Jahr 2005 zur Berufsbetreuerin (im Folgenden: Betreuerin) mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit einschließlich Zustimmung zu ärztlicher Heilbehandlung, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung bestellt.

3Im Jahr 2005 erklärte die Betroffene gegenüber dem Betreuungsgericht, lediglich über monatliche Einnahmen von rund 800 € und Sparvermögen in Höhe von rund 2.600 € zu verfügen. Daraufhin wurde der Betreuerin eine Vergütung aus der Staatskasse bewilligt. Nachdem die Betreuung am unter anderem auf den Aufgabenkreis Vermögenssorge erweitert worden war, legte die Betreuerin dem Betreuungsgericht mit Schreiben vom ein Vermögensverzeichnis vor, wonach die Betroffene neben Renteneinnahmen in Höhe von nunmehr rund 850 € über eine Eigentumswohnung im Wert von rund 60.000 € sowie über Sparvermögen in Höhe von rund 195.000 € verfügt.

4Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht der Betroffenen aufgegeben, wegen der zu Unrecht verauslagten Vergütungen an die Staatskasse einen Betrag von 14.432,87 € zu zahlen. Auf die Beschwerde der Betroffenen und der Verfahrenspflegerin hat das Beschwerdegericht den Zahlbetrag auf 5.544 € reduziert. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Staatskasse, mit der diese die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erreichen will.

II.

5Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

61. Das Beschwerdegericht hat seine in BtPrax 2013, 116 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Grundsätzlich habe das Amtsgericht die verauslagte - und im Übrigen auch der Höhe nach zutreffend berechnete - Vergütung zu Recht zurückgefordert. Nach Befriedigung der Forderungen der Betreuerin seien deren Ansprüche gegen die Betroffene nach § 1836 e Abs. 1 BGB auf die Staatskasse übergegangen. Sie könnten im Wege des Regresses gegen die Betroffene geltend gemacht werden. Jedoch komme ein Regress nur für die nach dem gezahlten Beträge in Betracht, weil im Übrigen Verjährung eingetreten sei. Zwar könne die Verfahrenspflegerin die Einrede der Verjährung nicht für die Betroffene erheben. Jedoch sei auch der Vortrag der Betroffenen als Einrede aufzufassen. Sie habe zum Ausdruck gebracht, dass sie die Vergütung nicht erstatten wolle und dass sie die Auffassung der Verfahrenspflegerin zum Verjährungseintritt teile.

7Der Regressanspruch verjähre in drei Jahren (§ 195 BGB). Es komme für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, dass der Regressanspruch erst nach Wegfall der Mittellosigkeit der Betroffenen durchgesetzt werden könne. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 1836 e Abs. 1 BGB lasse den Eintritt der Verjährung unberührt; die Staatskasse trete als Zessionar auch insoweit in die Gläubigerstellung des Betreuers ein. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung sei damit unter Berücksichtigung der §§ 207 Abs. 1 Nr. 4, 209 BGB der Schluss des Jahres der jeweiligen Zahlung durch die Staatskasse. Gehemmt worden sei die Verjährung erst durch das Schreiben des Betreuungsgerichts vom . Zu diesem Zeitpunkt seien die Regressansprüche bereits verjährt gewesen, die auf vor dem erbrachten Zahlungen beruht hätten. Damit könne ein Regress nur für die für den Zeitraum vom bis verauslagte Betreuervergütung angeordnet werden.

8Der Betroffenen sei es auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf Verjährung zu berufen. Zwar spreche viel dafür, dass die Betroffene im Jahr 2005 vorsätzlich über ihre Vermögensverhältnisse getäuscht habe, was unter dem Gesichtspunkt des unredlichen Verhaltens zu einem solchen Ausschluss führen könne. Materiell-rechtliche Einwendungen könnten im Verfahren über die Festsetzung der Betreuervergütung indes nicht geprüft werden, was auch im Verfahren auf Anordnung eines Regresses gelte. Insoweit fehle es an einer Entscheidungskompetenz des für die Festsetzung der Betreuervergütung bzw. des Regresses zuständigen Rechtspflegers. Die Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens privatrechtlicher Forderungen sei im geltenden Recht Sache des Richters. Diese Kompetenzverteilung dürfe nicht umgangen werden. Bei dem Vorwurf, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Zahlungen der Staatskasse veranlasst zu haben, handele es sich - jedenfalls mittelbar - um die Feststellung einer deliktischen Haftung der Betroffenen gegenüber dem Land. Die Klärung dieser Haftungsfrage sei einem gegebenenfalls anhängig zu machenden Schadensersatzprozess vorbehalten.

92. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

10a) Frei von Rechtsfehlern sind allerdings die Ausführungen des Beschwerdegerichts dazu, dass der Betreuerin, deren berufsmäßige Führung der Betreuung festgestellt war, nach Maßgabe der §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1 BGB, §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VBVG iVm §§ 292 Abs. 1, 168 FamFG eine im Hinblick auf ihre Ausbildung als Diplom-Sozialpädagogin mit einem Stundensatz von 44 € zu bemessende pauschale Vergütung zu bewilligen gewesen sei (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 VBVG), und dass der zugrunde zu legende Stundenansatz sich nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG bestimme.

11b) Gleiches gilt für die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Voraussetzungen des Anspruchsübergangs nach § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben sind. Der Umstand, dass die Betroffene vorliegend zum Zeitpunkt der Leistungen der Staatskasse im Hinblick auf ihr vorhandenes Vermögen nicht mittellos im Sinne des § 1836 d BGB war, hindert den Anspruchsübergang nicht. Voraussetzung des Anspruchsübergangs nach § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB ist nur, dass die Staatskasse den Anspruch des Betreuers ganz oder teilweise befriedigt, nicht aber, dass die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme gerade der Staatskasse vorliegen (§ 1835 Abs. 4 Satz 1, § 1835 a Abs. 3, § 1836 Abs. 1 Satz 3 iVm § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG), der Betroffene also im Sinne des § 1836 d BGB mittellos ist oder im Zeitpunkt der Leistung der Staatskasse mittellos war (MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 e Rn. 3).

12c) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht allerdings, soweit es einen Teil der Rückforderung als verjährt angesehen hat, ohne zu prüfen, ob die Betroffene die Einrede der Verjährung überhaupt erheben durfte.

13aa) Zutreffend hat das Beschwerdegericht freilich erkannt, dass der Verfahrenspfleger für den Betreuten die Einrede der Verjährung nicht erheben kann (Senatsbeschluss vom - XII ZB 474/11 - FamRZ 2012, 1798 Rn. 11 ff.). Dass das Landgericht den Vortrag der Betroffenen dahin ausgelegt hat, die Betroffene wolle selbst die Einrede der Verjährung erheben, bewegt sich im Rahmen tatrichterlicher Auslegung und gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlass.

14bb) Zu Recht ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass dem Schuldner unter dem Gesichtspunkt des unredlichen Verhaltens die Berufung auf die Verjährung gemäß § 242 BGB versagt sein kann.

15Der Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) kann der Arglisteinwand nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat. Vielmehr reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre; insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen ( - NJW-RR 2014, 1020 Rn. 15 mwN und vom - XI ZR 248/03 - NJW-RR 2005, 415, 416; MünchKommBGB/Grothe 6. Aufl. Vorbem. zu § 194 Rn. 19; Palandt/Ellenberger BGB 73. Aufl. Überbl. vor § 194 Rn. 16 ff.; Erman/Saar BGB 14. Aufl. § 1836 e Rn. 3).

16In Fällen der vorliegenden Art besteht die Besonderheit darin, dass die regelmäßige Verjährungsfrist bereits spätestens mit Bewilligung der Vergütung durch die Staatskasse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG zu laufen beginnt, die Staatskasse den Betroffenen wegen seiner - vermeintlichen - Mittellosigkeit nicht zeitnah in Anspruch nehmen kann und die Verjährung auch nicht gehemmt ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 605/10 - BtPrax 2012, 118 Rn. 16, 19 und 24).

17cc) Zu Unrecht ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass die Frage, ob § 242 BGB der Einrede der Verjährung entgegensteht, der Überprüfung durch den Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren entzogen ist.

18(1) Für das Verfahren auf Festsetzung der Betreuervergütung ist gemäß § 3 Nr. 2 lit. b RPflG iVm §§ 292 Abs. 1, 168 FamFG der Rechtspfleger funktionell zuständig. Seine Kompetenz umfasst die Entscheidung über Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs, nicht jedoch die Entscheidung über Gegenansprüche wegen mangelhafter Amtsführung. Er ist deshalb grundsätzlich nur zur Entscheidung über Einwendungen berufen, die im Vergütungsrecht ihren Grund haben, nicht aber über solche, die auf mangelhafte Amtsführung gestützt werden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 18 mwN).

19Bei der Einrede der Verjährung handelt es sich um eine im Festsetzungsverfahren berücksichtigungsfähige Einwendung, die im Vergütungsrecht ihren Grund hat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 605/10 - BtPrax 2012, 118 Rn. 10 und 28; BayObLGZ 2000, 197, 198).

20(2) Allerdings gehört zu der Prüfung, ob der Anspruch verjährt ist, ebenfalls die Frage, ob sich der Schuldner überhaupt auf die Einrede der Verjährung berufen kann. Deshalb muss die Prüfungskompetenz des Rechtspflegers sowohl das "ob" als auch das "wie" einer möglichen Verjährung umfassen. Demgemäß muss er alle damit einhergehenden Vorfragen, hier also die Frage, ob der Einrede § 242 BGB entgegensteht, beantworten können. Zutreffend verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass es wenig praktikabel ist, über die Berechtigung der Verjährungseinrede nur teilweise zu entscheiden und eine weitere Prüfung einem neuen Verfahren vorzubehalten. In diesem Fall wäre die Staatskasse zudem gezwungen, ihre Regressansprüche, soweit sie der Verjährungseinrede anheimgefallen sind, im Erkenntnisverfahren anhängig zu machen (vgl. zum Einwand der Verwirkung 3Z BR 251/03 - juris Rn. 12).

213. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angegriffene Beschluss aufzuheben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG. Denn das Beschwerdegericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine abschließenden Feststellungen zu § 242 BGB getroffen.

22Bei der erneuten Behandlung wird das Beschwerdegericht zu berücksichtigen haben, dass der Einwand nach § 242 BGB keine absichtlichen Falschangaben voraussetzt. Vielmehr reicht es aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass der Regressanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre (vgl. - NJW-RR 2014, 1020 Rn. 15 mwN).

Dose                   Schilling                        Günter

            Botur                        Guhling

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Fundstelle(n):
WAAAI-32134