OFD München - S 3106 - 102 St 352

Einheitsbewertung des Grundbesitzes;
Klage wegen Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung

Die OFD übersendet eine neutralisierte Ablichtung des o.g. FG-Urteils mit der Bitte, Kenntnis zu nehmen. In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob ein Einheitswertbescheid auf den wegen verfassungsrechtlicher Bedenken aufzuheben ist.

Das FG sah es nicht als notwendig an, die von der Klägerseite vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken durch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht klären zu lassen.

Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Anlage

Ausfertigung Finanzgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 13 K 127/99

In dem Finanzrechtsstreit Kläger Prozessbevollmächtigter Steuerberater gegen Finanzamt Beklagter wegen Einheitswert auf den

hat der 13. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom durch


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Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
Brunk
Richter am Finanzgericht ehrenamtliche Richter
Hagmann und Lamminger
Dr. Götze und Kornmüller

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

A. Tatbestand

Streitig ist, ob ein Einheitswertbescheid wegen verfassungsrechtlicher Einwendungen gegen die Einheitsbewertung aufzuheben ist.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom Klage gegen die Bewertung ihres bebauten Grundstücks; mit dem Einheitswertbescheid auf den vom und die Einspruchsentscheidung vom des Beklagten (Grundstücksart: Zweifamilienhaus; Einheitswert 182.1000 DM, im Ertragswertverfahren ermittelt) erhoben und tragen vor:

Gerügt werde die Ungleichbehandlung und die Verletzung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch die Einheitsbewertung. Die Finanzverwaltung sei der gesetzlichen Verpflichtung; die Einheitswerte für Grundstücke in Zeitabständen von jeweils sechs Jahren festzustellen, seit dem Jahr 1964 nicht mehr nachgekommen. Dies habe zur Konsequenz, dass ursprünglich festgestellte Einheitswerte aufrecht erhalten würden, ohne die in den letzten 35 Jahren erfolgten Renovierungen auch nur annähernd zu berücksichtigen. Wertfortschreibungen würden nur vorgenommen, wenn wesentliche Bauarbeiten durchgeführt worden seien oder die Finanzverwaltung ansonsten von wesentlichen Bauänderungen erfahren habe. Wegen der fehlenden Anpassung der Einheitsbewertung an die tatsächliche Lage entspreche diese nicht mehr den grundsätzlichen Anforderungen an die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Kläger seien Eigentümer mehrerer Objekte und könnten selbst feststellen, dass es keinerlei feste Bezugsgröße zwischen Einheitswert und wirklichem Wert (Verkehrswert) eines Grundstücks gebe.

Damit mutiere die Einheitsbewertung zu einem rein willkürlichen Verwaltungsakt, der den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Grenzen für ein pauschaliertes Bewertungsverfahren nicht mehr genüge. Der Kläger sei Eigentümer eines Einfamilienhauses in K I, das bei einem Verkehrswert von ca. 400.000 DM einen Einheitswert von 19.3000 DM ausweise, der nach der letzten Umbaumaßnahme im Jahr 1976 festgestellt worden sei. Das Objekt M. habe einen Verkehrswert von ca. 1,2 Mio. DM, während der Einheitswert mit 182,100 DM festgestellt worden sei. Wenn zwischen Einheitswert und realem Verkehrswert ein fester Bezug bestehen würde, müsste entweder der Einheitswert für das Objekt M oder der Einheitswert für das Objekt K I mit ca. 60.000 DM festgestellt werden, Beide Objekte seien entsprechend den gesetzlichen Vorschriften bewertet worden. Entsprechende Unterschiede seien dem Kläger aus einer Vielzahl von Mandantenakten bekannt. Entsprechende Kenntnisse müssten auch bei der Finanzverwaltung bekannt sein. Sobald die Verwendung pauschalierter Ansätze zu derartig widersprüchlichen Wertansätzen führe, sei nach der Rechtsprechung des BVerfG von einer Willkür auszugehen, so dass das Bewertungsverfahren als nicht mehr verfassungsgemäß angesehen werden müsse.

Außerdem sei die Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer auch deshalb gegeben, weil die Ertragkraft des Grundvermögens einer Besteuerung von mehr als 50 v.H. unterliege und damit gegen den vom BVerfG aufgestellten Halbteilungsgrundsatz verstoßen werde. In Verlustfällen ergebe sich trotz Ertraglosigkeit des Vermögens eine Grundsteuer, die die Substanz belaste. Bei vollständiger Entschuldung eines Objekts und einem Steuersatz von 53 v. H., wie ihn der Kläger entrichte, ergebe sich unter Berücksichtigung der Grundsteuer und sämtlicher Nebenabgaben für die Erträge des Grundvermögens eine Belastung von annähernd 60 v. H. Nicht umsonst seien die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer aufgehoben worden. Deshalb sei der Einheitswertbescheid auf den und damit die Grundsteuerveranlagung für gegenstandslos zu erklären.

Ergänzend sei auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Bewertungsfragen anlässlich der Erbschaftsteuer zu verweisen, wonach der BFH die derzeitige Erbschaftsbesteuerung für verfassungswidrig halte, da die Grundstücksbewertung nicht sachgerecht sei. Dies gelte umso mehr für die Feststellung der Einheitswerte. Aus den Urteilen des BFH und des BVerfG der letzten Jahre, betreffend die Fragen der Grundstücksbewertung z.B. bei der Vermögensteuer bzw. der Erbschaftsteuer werde erkennbar, dass die höhere Rechtsprechung auf jeden Fall eine differenziertere Sichtweise habe.

Die Kläger beantragen, den Einheitswertbescheid auf den vom und die Einspruchsentscheidung vom ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Die Wertfortschreibung für das Grundstück der Kläger sei nach geltendem Recht zutreffend erfolgt. Die Einheitsbewertung orientiere sich an verschiedenen Faktoren wie Baujahr, Größe, Ausstattung, Lage und Art eines Grundstücks. So würden die tatsächlichen, individuellen Merkmale eines Gebäudes durchaus gewichtet. Zwar möge sich durch Rückgriff auf pauschalierte Berechnungsgrundlagen eine gewisse Typisierung und Ungleichbehandlung im Einzelfall ergeben, das Massenverfahren der Einheitsbewertung sei aber nicht anders zu bewältigen. Ziel der bestehenden Vorschriften sei es, ein möglichst einheitliches Verfahren anzuwenden. Dass sich die Finanzbehörde vom baulichen Zustand aller Gebäude durch eine Besichtigung vor Ort überzeuge und allen erfolgten Renovierungen durch eine Neubewertung Rechnung trage, sei praktisch nicht durchführbar. Eine Willkür oder ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen sei jedenfalls bei dem bisherigen Bewertungsverfahren nicht zu erkennen. Im übrigen bleibe es Sache des Einzelnen, welche Immobilie er erwerbe, herstelle oder nach seinen Vorstellungen gestalte. Wenn sich die Einheitsbewertung am tatsächlichen Wert einer Immobilie orientieren würde, würden in aller Regel höhere Einheitswerte als bisher festgestellt werden. Über die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Grundsteuer sei nicht von der Finanzbehörde zu entscheiden. Es sei jedoch anzumerken, dass bei der Ermittlung der steuerlichen Gesamtbelastung auch der Vorteil der Förderung durch die Eigenheimzulage einzubeziehen sei.

Das Eigentum an dem Grundstück der Kläger ist im Jahr 1998 auf die Klägerin allein übergegangen. Der Beklagte hat ihr das Grundstück auf den allein zugerechnet (Bescheid vom ) und ihr den mit der Klage angefochtenen - geänderten - Einheitswertbescheid auf den vom als Rechtsnachfolgerin gesondert bekanntgegeben. Die grundsätzlich notwendige Beiladung der Klägerin zu dem vorliegenden Verfahren (§ 60 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO- i.V.m. § 182 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-) ist wegen ihrer Beteiligung als Mitklägerin entbehrlich (vgl. § 73 Abs. 2 FGO).

B. Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet. Das Gericht teilt die Auffassung der Kläger, dass die derzeitige Einheitsbewertung des Grundvermögens zu Werten führt, die auch nicht annähernd die tatsächlichen Verkehrswerte erreichen. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass der - nach Maßgabe der geltenden Bewertungsvorschriften ergangene & ndash; Einheitswertbescheid vom aufgehoben werden müsste.

1. Für die Einheitsberwertung des Grundvermögens gilt derzeit, dass die Einheitswerte entgegen § 21 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) immer noch auf der Grundlage der Wertverhältnisse vom ermittelt werden. Diese Einheitswerte liegen wegen der nicht zeitnahen Bewertung regelmäßig ganz erheblich unter den Verkehrswerten, was bei den einheitswertabhängigen Steuern zu einer ganz erheblichen Ungleichbehandlung und Bevorteilung des Grundvermögens gegenüber dem mit zeitnahen Werten angesetzten übrigen Vermögen führt. Aber auch innerhalb der Bewertung des Grundvermögens führt die andauernde Bewertung nach den Wertverhältnissen zum zu Wertverzerrungen, da seither ein erheblicher Wandel der Wertverhältnisse eingetreten ist (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand , § 21 Anm. 13). Dies wirkt sich zugunsten der Kläger aus, da ihr in den Jahren 1996/97 errichtetes Wohngebäude ohne Zweifel einen erheblich höheren Wert hat als ein gleichartiges, jedoch schon in zeitlicher Nähe zum Hauptfeststellungszeitpunkt errichtetes Gebäude, und gleichwohl nach denselben Maßstäben bewertet wird. Die Kläger machen nicht geltend, dass für ihr Grundstück wegen der überlangen Dauer der Hauptfeststellungszeitraum ein zu hoher Einheitswert festgestellt worden sei, sondern tragen selbst vor, dass der Verkehrswert von ca. 1.200.000 DM weit höher als der festgestellte Einheitswert von 182.100 DM sei. Der weitere Vortrag der Kläger, die in den letzten 35 Jahren erfolgten Renovierungen seien nicht annähernd von der Finanzverwaltung berücksichtigt worden, ergibt nicht schlüssig einen Bewertungsmangel hinsichtlich ihres Grundstücks. Renovierung bedeutet die Erhaltung des Bauzustandes und gibt somit keinen Anlass für eine Änderung des Einheitswerts. Wesentliche, die Bausubstanz grundlegend verändernde Baumaßnahmen, insbesondere Gebäudeumbauten und/oder - Erweiterungen, erfordern regelmäßig eine Baugenehmigung, die dann von der Finanzverwaltung zu Recht zum Anlass für eine bewertungsrechtliche Überprüfung im Einzelfall genommen wird.

2. Der Streitfall gibt keinen Anlass, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die derzeitge Einheitsbewertung mit einer Vorlage an das BVerfG klären zu lassen (vgl. dazu schon den , BStBl 1978 II S. 446, der durch -, BStBl 1984 II S. 20, als unzulässig verworfen worden ist, und -, BStBl 1994 II S. 133) da die Kläger durch die derzeitige Bewertung ernsthaft gerechnet werden kann (vgl. Beschluss des BVerfG in BStBl 1984 II S. 20). Die Beschlüsse des - und -2 BvR 552/91- (BStBl 1995 II S. 655 und 671) zur Verfassungswidrigkeit des § 10 Nr. 1 Vermögensteuergesetz (VStG) und des § 12 Abs. 1 und 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) beruhen gerade auf der Erwägung, dass die Einheitswerte des Grundvermögens zu nieder sind und deshalb gegenüber anderen Vermögensarten zu gering belastet werden (vgl. BStBl 1995 II S. 663 unter III. und 674 unter II.). Entsprechende Überlegungen liegen der Vorlage des BFH an das BVerfG zu § 19 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 vom (BGBl 1996 I S. 2049) zugrunde (Beschluss vom - II R 81/99, BStBl 2002 II S. 598). Die Beschlüsse des BVerfG haben bisher nicht zu einer Änderung der Einheitsbewertung des Grundvermögens geführt. Eine Änderung ist nur insoweit eingetreten, als die Einheitswerte bei der Erbschaftsteuer ab und der Grunderwerbsteuer ab nicht mehr angewendet werden (§ 138 Abs. 1 BewG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997) und wegen der Aussetzung des Vollzugs des VStG ab auch für die Vermögensteuer bedeutungslos geworden sind, sondern nur noch als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer dienen. Hinsichtlich der Grundsteuer sind die Beschlüsse des BVerfG nicht von Bedeutung. Das BVerfG hat steuergesetzliche Regelungen bei der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuer für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, weil diese einheitswertgebundenes und nichteinheitswertgebundenes Vermögen unterschiedlich belastet haben. Diese Frage stellt sich bei der für die Anwendung der Einheitswerte verbliebenen Grundsteuer nicht, da diese nur einheitswertgebundenes Vermögen erfasst. Außerdem ist die Grundsteuer niedriger als die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer, die Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Erkenntnisse gewesen sind, so dass Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage hier wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar sind als bei der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuer (vgl. , BFH/NV 2000 S. 1076).

3. Da der festgesetzte Einheitswert für das Grundstück der Kläger - die Bemessungsgrundlage für den Grundsteuermessbetrag und die Festsetzung der Grundsteuer - nach ihrem eigenen Vorbringen nur rd. 15 v.H. des Verkehrswerts, des gemeinen Werts i.S. des Bewertungsrechts (§ 9 BewG), ausmacht und somit zu gering ist, kann aus der Höhe des Einheitswerts eine Übermaßbesteuerung bei der Grundsteuer nicht abgeleitet werden. Nicht mit der Einheitswertfeststellung zusammenhängende Einwendungen gegen die Höhe der Grundsteuer wie die von den Klägern angeführte Verletzung des von dem BVerfG im Beschluss in BStBl 1995 II S. 655 angesprochenen sog. Halbteilungsgrundsatzes (a.a.O. S. 661 r.Sp. unter c) durch das Zusammentreffen der Grundsteuer mit anderen öffentlichen Angaben auf die Grundstückserträge, können nicht mit einem Rechtsbehelf gegen den Einheitswertbescheid, sonder nur in Rechtsbehelfsverfahren gegen die Grundsteuerfestsetzung und/oder die übrigen Abgabenfestsetzungen geltend gemacht werden.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Dem Begehren der Kläger, die Revision zuzulassen, hat das Gericht nicht entsprochen, da es mit dem BFH (Beschluss in BFH/NR 2000 S. 1076) die nach dem geltenden Recht festgestellten Einheitswerte wegen der geringeren Belastungswirkung der Grundsteuer als verfassungsrechtlich noch hinnehmbare Bemessungsgrundlage für die Grundsteuererhebung ansieht.

OFD München v. - S 3106 - 102 St 352

Fundstelle(n):
BAAAA-82269