BGH Beschluss v. - IX ZR 186/11

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte: Widerklage gegen in Serbien lebende Drittwiderbeklagte

Gesetze: Art 6 Nr 1 EGV 44/2001, Art 6 Nr 3 VollstrZustÜbk 2007

Instanzenzug: Az: 15 U 713/11vorgehend LG München I Az: 4 O 3025/10

Gründe

1Der Beklagte hat zunächst unbeschränkt Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Berufungsurteil eingelegt, diese dann aber teilweise zurückgenommen, so dass entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO insoweit durch Beschluss der Verlust des eingelegten Rechtsmittels auszusprechen war (vgl. Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 544 Rn. 30). Die im Übrigen aufrecht erhaltene Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

21. Die von der Beschwerde zu Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom (EuGVVO) behauptete Gehörsverletzung liegt nicht vor. Ebenso wenig werden in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung oder eine Obersatzabweichung dargetan. Im Streitfall wären hinsichtlich der ursprünglich erhobenen Widerklage gegen die Widerbeklagten zu 1) bis 6) nicht die Zuständigkeitsregelungen der EuGVVO, sondern diejenigen des Luganer Übereinkommens vom (LugÜ II) anzuwenden, weil hier der grenzüberschreitende Bezug der Widerklage zur Schweiz besteht. Für die Widerklage gegen die in der Schweiz wohnhaften Kläger ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 6 Nr. 3 LugÜ II.

3Dies gilt indes nicht für die Widerklage gegen die in Serbien lebenden Drittwiderbeklagten zu 3, 5 und 6. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, erfasst diese Vorschrift nach einhelliger Auffassung nicht entsprechende parteierweiternde Widerklagen (MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 6 Rn. 19; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., EuGVVO Art. 6 Rn. 87; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 6 EuGVO Rn. 40; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, 2010, Art. 6 Rn. 23a; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl., EuGVVO Art. 6 Rn. 7).

4Die Beschwerde macht allerdings zutreffend geltend, dass sich die Zuständigkeit insoweit aus anderen Vorschriften ergeben könnte (vgl. Kropholler/von Hein, aaO Art. 6 Rn. 40). Hinsichtlich der in der Berufung erhobenen Widerklage gegen die Drittwiderbeklagten zu 3) bis 6) kommen allenfalls die Zuständigkeitsregelungen des Art. 6 Nr. 1 EuGVVO oder des Art. 6 Nr. 1 LugÜ II in Betracht, weil der Drittwiderbeklagte zu 4 seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Es fehlt jedoch jedenfalls an dem für die Anwendung dieser Vorschriften erforderlichen engen Sachzusammenhang zwischen diesen in der Berufung erhobenen Widerklagen, welcher die Gefahr widersprechender Entscheidungen begründet. Entscheidungen können nur dann als widersprechend im Sinne von Art. 6 Nr. 1 EuGVVO oder Art. 6 Nr. 1 LugÜ II angesehen werden, wenn die Abweichung bei derselben Sach- und Rechtslage auftritt (, Roche Nederland BV, EuZW 2006, 573 Rn. 26; vom - Rs. C-145/10, Painer/Standard, EuZW 2012, 182 Rn. 79; vom - Rs. C-616/10, Solvay, EuZW 2012, 837 Rn. 24). Dies ist im Streitfall zu verneinen, weil die widerklagend geltend gemachten Ansprüche des Beklagten aus jeweils eigenen Mandatsverhältnissen mit den einzelnen (Dritt-)Widerbeklagten folgen. Für die Annahme einer gleichen Sachlage genügt es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht, dass die (Dritt-)Widerbeklagten bei der Mandatierung des Beklagten ein ähnliches Ziel verfolgt haben. Die Drittwiderbeklagten zu 3, 5 und 6 standen jeweils in einer eigenen Rechtsbeziehung zur M.   Bank, gegenüber der sie von dem Beklagten vertreten wurden. Dementsprechend hat der Beklagte die Ansprüche dieser Drittwiderbeklagten getrennt außergerichtlich und gerichtlich geltend gemacht. Die Widerklage gegen den Drittwiderbeklagten zu 4), der als einziger seinen Wohnsitz in Deutschland hat, betraf demgegenüber einen wiederum anderen Sachverhalt, nämlich die Rückforderung eines vom Beklagten ausgezahlten Betrages von 7.500 €. Das Vorliegen einer Gesellschaft zwischen den Drittwiderbeklagten hat das Berufungsgericht verneint, ohne dass die Beschwerde insoweit Zulassungsgründe aufzeigt.

52. Soweit die Beschwerde die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung und der Gehörsverletzung geltend macht, weil das Berufungsgericht seine internationale Zuständigkeit für die Drittwiderklagen nicht auf § 29 ZPO oder § 34 ZPO gestützt hat, erweist sich das Berufungsurteil ebenfalls im Ergebnis aus Gründen als richtig, welche die Zulassung der Revision nicht erfordern (vgl. Hk-ZPO/Kayser/Koch, aaO, § 544 Rn. 14), weshalb die Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Zulassungsgründe fehlt. Isolierte Drittwiderklagen (vgl. Prütting/Gehrlein/Wern, ZPO, 4. Aufl., § 33 Rn. 19) sind nur ausnahmsweise bei entsprechender Anwendung des § 33 ZPO zulässig (, NJW 2007, 1753 Rn. 9 f; vom - V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rn. 26 f; Beschluss vom - Xa ARZ 191/10, BGHZ 187, 112 Rn. 7 ff; Hk-ZPO/Bendtsen, 5. Aufl., § 33 Rn. 16; Prütting/Gehrlein/Wern, aaO; Zöller/Vollkommer, ZPO 29. Aufl., § 33 Rn. 24). Erforderlich ist, dass die Klageforderungen nach dem Zweck des § 33 ZPO tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Widerbeklagten verletzt werden ( aaO Rn. 10; vom , aaO Rn. 27). Die widerklagend eingebrachten Honorarforderungen des Beklagten gegen die Drittwiderbeklagten zu 3, 5 und 6 folgen aus anderen Auftragsverhältnissen als das zwischen den Klägern und dem Beklagten abgeschlossene Mandat, worauf die Kläger ihren Herausgabeanspruch nach § 667 BGB stützen. Die Klage und die Widerklagen stehen damit nicht in dem für § 33 ZPO erforderlichen engen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang.

63. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Kayser                             Vill                        Lohmann

                   Fischer                       Pape

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
VAAAI-11154